Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

sammenschrumpfte, es entstand eine Leerheit
in seinem Innern, und er hatte eine rechte
Sehnsucht sich wieder von den Tönen begei¬
stern zu lassen. Dann konnten selbst gemeine
Spieler an Fest- oder Kirchweihtagen, mit
ihren Blasinstrumenten ihm Gefühle ein¬
flößen, wovon sie selber keine Ahndung hat¬
ten. Und so oft in den benachbarten Städ¬
ten eine schöne große Musik zu hören war,
so lief er mit heißer Begierde, im heftigsten
Schnee, Sturm und Regen hinaus.

Fast täglich rief er sich mit Wehmuth
die herrliche Zeit in der bischöflichen Resi¬
denz in seinen Gedanken zurück, und stellte
sich die köstlichen Sachen, die er dort gehört
hatte, wieder vor die Seele. Oftmals sagte
er sich die auswendig-behaltenen, so lieb¬
lichen und rührenden Worte des geistlichen
Oratoriums vor, welches das erste gewesen
war, das er gehört, und welches einen vor¬

ſammenſchrumpfte, es entſtand eine Leerheit
in ſeinem Innern, und er hatte eine rechte
Sehnſucht ſich wieder von den Tönen begei¬
ſtern zu laſſen. Dann konnten ſelbſt gemeine
Spieler an Feſt- oder Kirchweihtagen, mit
ihren Blasinſtrumenten ihm Gefühle ein¬
flößen, wovon ſie ſelber keine Ahndung hat¬
ten. Und ſo oft in den benachbarten Städ¬
ten eine ſchöne große Muſik zu hören war,
ſo lief er mit heißer Begierde, im heftigſten
Schnee, Sturm und Regen hinaus.

Faſt täglich rief er ſich mit Wehmuth
die herrliche Zeit in der biſchöflichen Reſi¬
denz in ſeinen Gedanken zurück, und ſtellte
ſich die köſtlichen Sachen, die er dort gehört
hatte, wieder vor die Seele. Oftmals ſagte
er ſich die auswendig-behaltenen, ſo lieb¬
lichen und rührenden Worte des geiſtlichen
Oratoriums vor, welches das erſte geweſen
war, das er gehört, und welches einen vor¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="244"/>
&#x017F;ammen&#x017F;chrumpfte, es ent&#x017F;tand eine Leerheit<lb/>
in &#x017F;einem Innern, und er hatte eine rechte<lb/>
Sehn&#x017F;ucht &#x017F;ich wieder von den Tönen begei¬<lb/>
&#x017F;tern zu la&#x017F;&#x017F;en. Dann konnten &#x017F;elb&#x017F;t gemeine<lb/>
Spieler an Fe&#x017F;t- oder Kirchweihtagen, mit<lb/>
ihren Blasin&#x017F;trumenten ihm Gefühle ein¬<lb/>
flößen, wovon &#x017F;ie &#x017F;elber keine Ahndung hat¬<lb/>
ten. Und &#x017F;o oft in den benachbarten Städ¬<lb/>
ten eine &#x017F;chöne große Mu&#x017F;ik zu hören war,<lb/>
&#x017F;o lief er mit heißer Begierde, im heftig&#x017F;ten<lb/>
Schnee, Sturm und Regen hinaus.</p><lb/>
          <p>Fa&#x017F;t täglich rief er &#x017F;ich mit Wehmuth<lb/>
die herrliche Zeit in der bi&#x017F;chöflichen Re&#x017F;<lb/>
denz in &#x017F;einen Gedanken zurück, und &#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;ich die kö&#x017F;tlichen Sachen, die er dort gehört<lb/>
hatte, wieder vor die Seele. Oftmals &#x017F;agte<lb/>
er &#x017F;ich die auswendig-behaltenen, &#x017F;o lieb¬<lb/>
lichen und rührenden Worte des gei&#x017F;tlichen<lb/>
Oratoriums vor, welches das er&#x017F;te gewe&#x017F;en<lb/>
war, das er gehört, und welches einen vor¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0252] ſammenſchrumpfte, es entſtand eine Leerheit in ſeinem Innern, und er hatte eine rechte Sehnſucht ſich wieder von den Tönen begei¬ ſtern zu laſſen. Dann konnten ſelbſt gemeine Spieler an Feſt- oder Kirchweihtagen, mit ihren Blasinſtrumenten ihm Gefühle ein¬ flößen, wovon ſie ſelber keine Ahndung hat¬ ten. Und ſo oft in den benachbarten Städ¬ ten eine ſchöne große Muſik zu hören war, ſo lief er mit heißer Begierde, im heftigſten Schnee, Sturm und Regen hinaus. Faſt täglich rief er ſich mit Wehmuth die herrliche Zeit in der biſchöflichen Reſi¬ denz in ſeinen Gedanken zurück, und ſtellte ſich die köſtlichen Sachen, die er dort gehört hatte, wieder vor die Seele. Oftmals ſagte er ſich die auswendig-behaltenen, ſo lieb¬ lichen und rührenden Worte des geiſtlichen Oratoriums vor, welches das erſte geweſen war, das er gehört, und welches einen vor¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/252
Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/252>, abgerufen am 13.05.2024.