ber und über die Welt, die Seele wird stil¬ ler und andächtiger, und aus allen Winkeln des Herzens brechen tausend glimmende Em¬ pfindungen in hellen Flammen hervor: man lernt dann die Religion und die Wunder des Himmels begreifen, der Geist wird demüthi¬ ger und stolzer, und die Kunst redet uns be¬ sonders mit allen ihren Tönen bis in das innerste Herz hinein. Aber nun kömmt der Künstler gar zu leicht in Gefahr, sich in jedem Kunstwerke zu suchen, alle seine Em¬ pfindungen werden nach einer Richtung hin¬ ausschweifen, und so opfert er denn sein mannigfaltiges Talent einem einzigen Ge¬ fühle auf. Hüte Dich davor, lieber Anto¬ nio, weil Du sonst zur engsten und am En¬ de unbedeutendsten Manier geführt werden kannst. Jedes schöne Werk muß der Künst¬ ler in sich schon antreffen, aber nicht sich mühsam darin aufsuchen; die Kunst muß
ber und über die Welt, die Seele wird ſtil¬ ler und andächtiger, und aus allen Winkeln des Herzens brechen tauſend glimmende Em¬ pfindungen in hellen Flammen hervor: man lernt dann die Religion und die Wunder des Himmels begreifen, der Geiſt wird demüthi¬ ger und ſtolzer, und die Kunſt redet uns be¬ ſonders mit allen ihren Tönen bis in das innerſte Herz hinein. Aber nun kömmt der Künſtler gar zu leicht in Gefahr, ſich in jedem Kunſtwerke zu ſuchen, alle ſeine Em¬ pfindungen werden nach einer Richtung hin¬ ausſchweifen, und ſo opfert er denn ſein mannigfaltiges Talent einem einzigen Ge¬ fühle auf. Hüte Dich davor, lieber Anto¬ nio, weil Du ſonſt zur engſten und am En¬ de unbedeutendſten Manier geführt werden kannſt. Jedes ſchöne Werk muß der Künſt¬ ler in ſich ſchon antreffen, aber nicht ſich mühſam darin aufſuchen; die Kunſt muß
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ber und über die Welt, die Seele wird ſtil¬
ler und andächtiger, und aus allen Winkeln
des Herzens brechen tauſend glimmende Em¬
pfindungen in hellen Flammen hervor: man
lernt dann die Religion und die Wunder des
Himmels begreifen, der Geiſt wird demüthi¬
ger und ſtolzer, und die Kunſt redet uns be¬
ſonders mit allen ihren Tönen bis in das
innerſte Herz hinein. Aber nun kömmt der
Künſtler gar zu leicht in Gefahr, ſich in
jedem Kunſtwerke zu ſuchen, alle ſeine Em¬
pfindungen werden nach einer Richtung hin¬
ausſchweifen, und ſo opfert er denn ſein
mannigfaltiges Talent einem einzigen Ge¬
fühle auf. Hüte Dich davor, lieber Anto¬
nio, weil Du ſonſt zur engſten und am En¬
de unbedeutendſten Manier geführt werden
kannſt. Jedes ſchöne Werk muß der Künſt¬
ler in ſich ſchon antreffen, aber nicht ſich
mühſam darin aufſuchen; die Kunſt muß
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/67>, abgerufen am 12.05.2024.
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