den Geist des alten Mahlers, der darin ver¬ zaubert schläft, daraus erwecken, und aus den lange getragenen Banden erlösen soll.
Alle die Schönheiten und das Vortreff¬ liche in den vielen Gemählden unsers Leo¬ nardo aus einander zu setzen, ist meine Feder nicht im Stande. Sein berühmtestes Bild ist wohl die Vorstellung des heiligen Abend¬ mahles in dem Refektorium der Dominika¬ ner zu Mayland. Man bewundert darin den seelenvollen Ausdruck in den Köpfen der Jünger Christi, wie jeder den Herrn zu fra¬ gen scheinet: Herr! bin ich's? Die alten Anekdotensammler der Kunst erzählen, daß Leonardo, nachdem er die übrigen Figuren vollendet, eine Weile gezögert, und immer bey sich überlegt und nachgedacht, oder, (um vielleicht eigentlicher zu reden,) auf glückliche Eingebungen geharret habe, wie er das ver¬ rätherische Gesicht des Judas, und das er¬
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den Geiſt des alten Mahlers, der darin ver¬ zaubert ſchläft, daraus erwecken, und aus den lange getragenen Banden erlöſen ſoll.
Alle die Schönheiten und das Vortreff¬ liche in den vielen Gemählden unſers Leo¬ nardo aus einander zu ſetzen, iſt meine Feder nicht im Stande. Sein berühmteſtes Bild iſt wohl die Vorſtellung des heiligen Abend¬ mahles in dem Refektorium der Dominika¬ ner zu Mayland. Man bewundert darin den ſeelenvollen Ausdruck in den Köpfen der Jünger Chriſti, wie jeder den Herrn zu fra¬ gen ſcheinet: Herr! bin ich's? Die alten Anekdotenſammler der Kunſt erzählen, daß Leonardo, nachdem er die übrigen Figuren vollendet, eine Weile gezögert, und immer bey ſich überlegt und nachgedacht, oder, (um vielleicht eigentlicher zu reden,) auf glückliche Eingebungen geharret habe, wie er das ver¬ rätheriſche Geſicht des Judas, und das er¬
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den Geiſt des alten Mahlers, der darin ver¬
zaubert ſchläft, daraus erwecken, und aus
den lange getragenen Banden erlöſen ſoll.
Alle die Schönheiten und das Vortreff¬
liche in den vielen Gemählden unſers Leo¬
nardo aus einander zu ſetzen, iſt meine Feder
nicht im Stande. Sein berühmteſtes Bild
iſt wohl die Vorſtellung des heiligen Abend¬
mahles in dem Refektorium der Dominika¬
ner zu Mayland. Man bewundert darin
den ſeelenvollen Ausdruck in den Köpfen der
Jünger Chriſti, wie jeder den Herrn zu fra¬
gen ſcheinet: Herr! bin ich's? Die alten
Anekdotenſammler der Kunſt erzählen, daß
Leonardo, nachdem er die übrigen Figuren
vollendet, eine Weile gezögert, und immer
bey ſich überlegt und nachgedacht, oder, (um
vielleicht eigentlicher zu reden,) auf glückliche
Eingebungen geharret habe, wie er das ver¬
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/89>, abgerufen am 27.11.2024.
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