pwa_293.001 dem Redner ein schickliches Mittel gegeben scheint, um die Rede, die pwa_293.002 sich in der Exposition und gar mit der Proposition und Partition etwas pwa_293.003 gar zu tief zur blossen Verständigkeit herabgelassen hatte, durch die pwa_293.004 Lebhaftigkeit der Empfindung wieder in die Höhe zu führen. Aber pwa_293.005 eben diess lässt sich auch grade gegen eine solche Stellung geltend pwa_293.006 machen. Der Uebergang von der kühlen Verständigkeit der Partition pwa_293.007 zu der warmen Gemüthlichkeit des Gebetes ist ein gar zu plötzlicher pwa_293.008 und schwerlich irgendwie zu vermitteln: das Gebet steht abgerissen pwa_293.009 und recht wie im Gegensatz und wie verloren da; darum ist auch pwa_293.010 bei dieser Stellung der ziemlich stereotype Anfang des Gebetes ein pwa_293.011 adversatives Aber: Du aber, u. s. f. Ebenso wird auch in den wenigsten pwa_293.012 Fällen die Anschauung und die Darstellungsweise des Gebetes pwa_293.013 recht passen zu dem nachfolgenden zweiten Haupttheil, der Ausführung; pwa_293.014 so dass nun zwischen dem ersten und zweiten Haupttheil jede pwa_293.015 rechte Vermittelung mangelt, zwischen beiden gleichsam abgeschnitten pwa_293.016 wird. Man sieht, es lässt sich für beiderlei Anordnungen diess und pwa_293.017 jenes sagen, für die zweite, für die Stellung ans Ende aber weniger pwa_293.018 Triftiges als gegen dieselbe. Das Beste ist es offenbar, sich je nach pwa_293.019 Umständen bald für das Eine, bald für das Andere zu entscheiden: pwa_293.020 denn die Art des Themas und der Ausführung wird sich bald zu dem pwa_293.021 Einen, bald zu dem Anderen besser schicken. Natürlich sollte dann pwa_293.022 aber auch freigestellt sein, an welcher Stelle des Eingangs der Prediger pwa_293.023 den Text verlesen wolle: wenn er mit dem Gebet beginnt, so pwa_293.024 wird der Text in die Mitte fallen; wenn er aber mit dem Gebete pwa_293.025 schliesst, so kommt von selbst der Text ganz an den Anfang. Eins pwa_293.026 bedingt das Andere.
pwa_293.027 So viel wäre über Bestimmung und Einrichtung des ersten Theiles pwa_293.028 der Rede, über Eingang oder Exordium zu bemerken gewesen. Wir pwa_293.029 haben uns länger dabei aufgehalten, als diess bei den zweien noch pwa_293.030 übrigen der Fall sein wird: über diese werden wir schneller hingehn pwa_293.031 können. Aber diese Ausführlichkeit war nöthig bei der ganzen Bedeutung, pwa_293.032 welche das Exordium besitzt, und bei der Stellung, welche es den pwa_293.033 nachfolgenden Theilen gegenüber einnimmt. Es bildet die Grundlage pwa_293.034 des gesammten Gebäudes der Rede; in so fern muss auf seinen Bau im pwa_293.035 Ganzen und im Einzelnen die meiste voraussichtliche Aufmerksamkeit pwa_293.036 verwendet werden. Nur wenn das Exordium mit Sorgfalt eingerichtet pwa_293.037 ist, gewinnt auch die ganze Rede eine feste und sichere Haltung; es pwa_293.038 trägt dieselbe, es spiegelt sich in seinen beschränkten Grenzen deren pwa_293.039 ganzes Bild ab. Denn wenn der zweite Haupttheil vorzüglich der pwa_293.040 Ueberzeugung, und der dritte vorzüglich der Ueberredung gewidmet pwa_293.041 ist, so vereinigen sich in dem Exordium beide Zwecke; wenn im zweiten
pwa_293.001 dem Redner ein schickliches Mittel gegeben scheint, um die Rede, die pwa_293.002 sich in der Exposition und gar mit der Proposition und Partition etwas pwa_293.003 gar zu tief zur blossen Verständigkeit herabgelassen hatte, durch die pwa_293.004 Lebhaftigkeit der Empfindung wieder in die Höhe zu führen. Aber pwa_293.005 eben diess lässt sich auch grade gegen eine solche Stellung geltend pwa_293.006 machen. Der Uebergang von der kühlen Verständigkeit der Partition pwa_293.007 zu der warmen Gemüthlichkeit des Gebetes ist ein gar zu plötzlicher pwa_293.008 und schwerlich irgendwie zu vermitteln: das Gebet steht abgerissen pwa_293.009 und recht wie im Gegensatz und wie verloren da; darum ist auch pwa_293.010 bei dieser Stellung der ziemlich stereotype Anfang des Gebetes ein pwa_293.011 adversatives Aber: Du aber, u. s. f. Ebenso wird auch in den wenigsten pwa_293.012 Fällen die Anschauung und die Darstellungsweise des Gebetes pwa_293.013 recht passen zu dem nachfolgenden zweiten Haupttheil, der Ausführung; pwa_293.014 so dass nun zwischen dem ersten und zweiten Haupttheil jede pwa_293.015 rechte Vermittelung mangelt, zwischen beiden gleichsam abgeschnitten pwa_293.016 wird. Man sieht, es lässt sich für beiderlei Anordnungen diess und pwa_293.017 jenes sagen, für die zweite, für die Stellung ans Ende aber weniger pwa_293.018 Triftiges als gegen dieselbe. Das Beste ist es offenbar, sich je nach pwa_293.019 Umständen bald für das Eine, bald für das Andere zu entscheiden: pwa_293.020 denn die Art des Themas und der Ausführung wird sich bald zu dem pwa_293.021 Einen, bald zu dem Anderen besser schicken. Natürlich sollte dann pwa_293.022 aber auch freigestellt sein, an welcher Stelle des Eingangs der Prediger pwa_293.023 den Text verlesen wolle: wenn er mit dem Gebet beginnt, so pwa_293.024 wird der Text in die Mitte fallen; wenn er aber mit dem Gebete pwa_293.025 schliesst, so kommt von selbst der Text ganz an den Anfang. Eins pwa_293.026 bedingt das Andere.
pwa_293.027 So viel wäre über Bestimmung und Einrichtung des ersten Theiles pwa_293.028 der Rede, über Eingang oder Exordium zu bemerken gewesen. Wir pwa_293.029 haben uns länger dabei aufgehalten, als diess bei den zweien noch pwa_293.030 übrigen der Fall sein wird: über diese werden wir schneller hingehn pwa_293.031 können. Aber diese Ausführlichkeit war nöthig bei der ganzen Bedeutung, pwa_293.032 welche das Exordium besitzt, und bei der Stellung, welche es den pwa_293.033 nachfolgenden Theilen gegenüber einnimmt. Es bildet die Grundlage pwa_293.034 des gesammten Gebäudes der Rede; in so fern muss auf seinen Bau im pwa_293.035 Ganzen und im Einzelnen die meiste voraussichtliche Aufmerksamkeit pwa_293.036 verwendet werden. Nur wenn das Exordium mit Sorgfalt eingerichtet pwa_293.037 ist, gewinnt auch die ganze Rede eine feste und sichere Haltung; es pwa_293.038 trägt dieselbe, es spiegelt sich in seinen beschränkten Grenzen deren pwa_293.039 ganzes Bild ab. Denn wenn der zweite Haupttheil vorzüglich der pwa_293.040 Ueberzeugung, und der dritte vorzüglich der Ueberredung gewidmet pwa_293.041 ist, so vereinigen sich in dem Exordium beide Zwecke; wenn im zweiten
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dem Redner ein schickliches Mittel gegeben scheint, um die Rede, die pwa_293.002
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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/311>, abgerufen am 24.11.2024.
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