pwa_295.001 ist ein Zwiegespräch mit einem wirklich vorhandenen oder einem bloss pwa_295.002 vorausgesetzten Gegner, nur dass dessen Zwischenfragen und Zwischenantworten pwa_295.003 fortfallen; ein hin und her wandernder Kampf verschiedenartiger pwa_295.004 Gedanken, in welchem zuletzt die Gedanken des Redners das pwa_295.005 Feld behaupten. Natürlich aber wird dieser Kampf nur da ein wirklich pwa_295.006 streithaftes Ansehen gewinnen dürfen, wo auch auf einen wirklichen pwa_295.007 Gegner gezielt wird, also nur in der weltlichen Redekunst, pwa_295.008 nicht aber in der geistlichen, es müsste denn auch ihr einmal durch pwa_295.009 die Umstände eine eigentliche Polemik geboten sein. Auf Deutsch pwa_295.010 nennt man den zweiten Haupttheil auch die Ausführung, in der Homiletik pwa_295.011 der gewöhnliche Ausdruck; dieser hat zwar nicht dieselbe lebendige pwa_295.012 Anschaulichkeit, trifft nicht so ganz wie jener lateinische, ist pwa_295.013 aber immerhin bezeichnend genug, da er die Art, wie das Thema pwa_295.014 hier gehandhabt wird, gegenüberstellt derjenigen Art, wie es kurz pwa_295.015 vorher in der Exposition ist vorgelegt worden, der Kürze und Präcision, pwa_295.016 womit das dort geschah. Endlich sagt man auch Abhandlung, und pwa_295.017 dieser Name könnte in so fern den Vorzug verdienen, als er auf das pwa_295.018 Verhältniss zwischen der Rede und der sonst sogenannten Abhandlung pwa_295.019 hindeutet, welches grade in diesem Theile besonders klar vor Augen tritt. pwa_295.020 Denn, wie das schon früherhin (S. 276) ist ausgeführt worden, die Rede pwa_295.021 stimmt in Allem, was in ihr der verständigen Didaxis dient, mit der pwa_295.022 Abhandlung überein; von den drei Haupttheilen der Rede ist aber pwa_295.023 dieser mittlere der einzige, der bei dem Zwecke der verständigen pwa_295.024 Didaxis, bei der Ueberzeugung, stehn bleibt, während in den ersten, pwa_295.025 und gar in den dritten Theil auch der Zweck der Ueberredung eingreift. pwa_295.026 Indessen, wenn auch dieser zweite Theil an und für sich pwa_295.027 betrachtet nur auf die Ueberzeugung der Zuhörer ausgeht, so ist er pwa_295.028 immer doch Theil einer Rede, d. h. eines Vortrages, der in seiner pwa_295.029 Gesammtheit Ueberzeugung und Ueberredung beabsichtigt; es darf pwa_295.030 also der Redner, wenn er auch im zweiten Theil den Zweck der pwa_295.031 Ueberredung nicht eigentlich und ausdrücklich verfolgt, ihn dennoch pwa_295.032 auch hier nie ganz aus den Augen verlieren, seine Lehren müssen pwa_295.033 immer wenigstens in Beziehung darauf stehn und in beständiger Rücksicht pwa_295.034 darauf gefasst und vorgetragen werden; es muss, damit dieser pwa_295.035 zweite Theil nicht gar zu fremdartig in blosser kalter Verständigkeit pwa_295.036 mitten hinein trete zwischen die Ausflüsse des Gefühls und der Einbildung pwa_295.037 im ersten und im dritten Theil, es muss auch hier die Darstellung pwa_295.038 von Gefühl und Einbildung gefärbt sein und nicht bloss vereinzelt pwa_295.039 und allzu leicht und oberflächlich. Namentlich ist diese Anforderung pwa_295.040 an den geistlichen Redner zu stellen: den weltlichen Redner, pwa_295.041 besonders den gerichtlichen, kann wohl die Beschaffenheit des factischen
pwa_295.001 ist ein Zwiegespräch mit einem wirklich vorhandenen oder einem bloss pwa_295.002 vorausgesetzten Gegner, nur dass dessen Zwischenfragen und Zwischenantworten pwa_295.003 fortfallen; ein hin und her wandernder Kampf verschiedenartiger pwa_295.004 Gedanken, in welchem zuletzt die Gedanken des Redners das pwa_295.005 Feld behaupten. Natürlich aber wird dieser Kampf nur da ein wirklich pwa_295.006 streithaftes Ansehen gewinnen dürfen, wo auch auf einen wirklichen pwa_295.007 Gegner gezielt wird, also nur in der weltlichen Redekunst, pwa_295.008 nicht aber in der geistlichen, es müsste denn auch ihr einmal durch pwa_295.009 die Umstände eine eigentliche Polemik geboten sein. Auf Deutsch pwa_295.010 nennt man den zweiten Haupttheil auch die Ausführung, in der Homiletik pwa_295.011 der gewöhnliche Ausdruck; dieser hat zwar nicht dieselbe lebendige pwa_295.012 Anschaulichkeit, trifft nicht so ganz wie jener lateinische, ist pwa_295.013 aber immerhin bezeichnend genug, da er die Art, wie das Thema pwa_295.014 hier gehandhabt wird, gegenüberstellt derjenigen Art, wie es kurz pwa_295.015 vorher in der Exposition ist vorgelegt worden, der Kürze und Präcision, pwa_295.016 womit das dort geschah. Endlich sagt man auch Abhandlung, und pwa_295.017 dieser Name könnte in so fern den Vorzug verdienen, als er auf das pwa_295.018 Verhältniss zwischen der Rede und der sonst sogenannten Abhandlung pwa_295.019 hindeutet, welches grade in diesem Theile besonders klar vor Augen tritt. pwa_295.020 Denn, wie das schon früherhin (S. 276) ist ausgeführt worden, die Rede pwa_295.021 stimmt in Allem, was in ihr der verständigen Didaxis dient, mit der pwa_295.022 Abhandlung überein; von den drei Haupttheilen der Rede ist aber pwa_295.023 dieser mittlere der einzige, der bei dem Zwecke der verständigen pwa_295.024 Didaxis, bei der Ueberzeugung, stehn bleibt, während in den ersten, pwa_295.025 und gar in den dritten Theil auch der Zweck der Ueberredung eingreift. pwa_295.026 Indessen, wenn auch dieser zweite Theil an und für sich pwa_295.027 betrachtet nur auf die Ueberzeugung der Zuhörer ausgeht, so ist er pwa_295.028 immer doch Theil einer Rede, d. h. eines Vortrages, der in seiner pwa_295.029 Gesammtheit Ueberzeugung und Ueberredung beabsichtigt; es darf pwa_295.030 also der Redner, wenn er auch im zweiten Theil den Zweck der pwa_295.031 Ueberredung nicht eigentlich und ausdrücklich verfolgt, ihn dennoch pwa_295.032 auch hier nie ganz aus den Augen verlieren, seine Lehren müssen pwa_295.033 immer wenigstens in Beziehung darauf stehn und in beständiger Rücksicht pwa_295.034 darauf gefasst und vorgetragen werden; es muss, damit dieser pwa_295.035 zweite Theil nicht gar zu fremdartig in blosser kalter Verständigkeit pwa_295.036 mitten hinein trete zwischen die Ausflüsse des Gefühls und der Einbildung pwa_295.037 im ersten und im dritten Theil, es muss auch hier die Darstellung pwa_295.038 von Gefühl und Einbildung gefärbt sein und nicht bloss vereinzelt pwa_295.039 und allzu leicht und oberflächlich. Namentlich ist diese Anforderung pwa_295.040 an den geistlichen Redner zu stellen: den weltlichen Redner, pwa_295.041 besonders den gerichtlichen, kann wohl die Beschaffenheit des factischen
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ist ein Zwiegespräch mit einem wirklich vorhandenen oder einem bloss pwa_295.002
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aber immerhin bezeichnend genug, da er die Art, wie das Thema pwa_295.014
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Denn, wie das schon früherhin (S. 276) ist ausgeführt worden, die Rede pwa_295.021
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besonders den gerichtlichen, kann wohl die Beschaffenheit des factischen
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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/313>, abgerufen am 24.11.2024.
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