Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873pwa_337.001 pwa_337.023 pwa_337.001 pwa_337.023 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0355" n="337"/><lb n="pwa_337.001"/><hi rendition="#i">profitiren.</hi> Diese, weil sie doch niemals so vollkommen, dass sie <lb n="pwa_337.002"/> nicht noch immer was zu lernen hätten, sonderlich aber <hi rendition="#i">ut caveant ab <lb n="pwa_337.003"/> artificiis stultorum, quae detegit aperitque Historia.</hi> Jene aber können <lb n="pwa_337.004"/> gar viel aus der Historia lernen. 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Der Schreiber dieses Briefes ist „ein <lb n="pwa_337.019"/> wohlehrsamer Schulhalter und respective Küster zu ... am Rheine, <lb n="pwa_337.020"/> der eine lange Reihe von Jahren auf Schulen und Hochschulen verunnützet <lb n="pwa_337.021"/> und seinem Herrn Amtsgenossen buchstäblich zu schreiben <lb n="pwa_337.022"/> geruht, wie folgt:“</p> <p><lb n="pwa_337.023"/> „<hi rendition="#i">Laus Deo perennis Gloria!</hi> Meine willige <hi rendition="#i">Officia</hi> zuvor, <hi rendition="#i">Clarissime Dn. <lb n="pwa_337.024"/> Frater!</hi> Es ist euer <hi rendition="#i">Dominus Pastor</hi> bey mir gewesen, und hat mich um einen <lb n="pwa_337.025"/> <hi rendition="#i">bonum Consilium</hi> gefragt, ob er <hi rendition="#i">noster</hi> Schulzens <hi rendition="#i">Filia</hi> sollte <hi rendition="#i">sumere</hi> oder <hi rendition="#i">non?</hi> <lb n="pwa_337.026"/> Ich habe ihm einen <hi rendition="#i">bonum</hi> Einschlag gegeben, wie er es sollte <hi rendition="#i">facere.</hi> Ich habe <lb n="pwa_337.027"/> auch mit dem <hi rendition="#i">Domino Pastore</hi> brav <hi rendition="#i">discuriret,</hi> und er hat gar <hi rendition="#i">pulcher</hi> gestudiret, <lb n="pwa_337.028"/> ist auch ein feiner <hi rendition="#i">Graecismus,</hi> wie ich merke. 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profitiren. Diese, weil sie doch niemals so vollkommen, dass sie pwa_337.002
nicht noch immer was zu lernen hätten, sonderlich aber ut caveant ab pwa_337.003
artificiis stultorum, quae detegit aperitque Historia. Jene aber können pwa_337.004
gar viel aus der Historia lernen. Denn dieselbe ist nichts anders als pwa_337.005
eine Praxis der gantzen Philosophie. Die Logic wird practiciret; versatur pwa_337.006
enim circa distinguenda verosimilia a verodissimilibus; Die Moral pwa_337.007
stecket darinnen, man lernet allerley Leute und Menschen Gemüther pwa_337.008
erkennen; Die Politic ist ohnstreitig auch in der Historie fast am pwa_337.009
besten zu lernen; Und dann kommen auch noch Praetensiones, da die pwa_337.010
Praxis Juris Gent. kann angebracht werden. Zu dem so ist die Historie, pwa_337.011
wenn sie lebhaft vorgetragen wird, plaisirlich, und wie eine veritable pwa_337.012
Comödie, darinnen auch manche Narren agiren“ u. s. f. LB. 3, 1, 1057. pwa_337.013
Noch barbarischer ist ein im Jahre 1729 geschriebener Brief, den pwa_337.014
Radlof in seinen teutschkundlichen Forschungen und Erheiterungen pwa_337.015
für Gebildete 1, 186 (aus der Schrift: Der gelehrte Narr, Freiburg pwa_337.016
1729. S. 42 fg.) mitgetheilt hat; er ist freilich erfunden, aber kaum pwa_337.017
übertrieben, und auch die lächerlichen Donatschnitzer, die er enthält, pwa_337.018
sind ganz in der Ordnung. Der Schreiber dieses Briefes ist „ein pwa_337.019
wohlehrsamer Schulhalter und respective Küster zu ... am Rheine, pwa_337.020
der eine lange Reihe von Jahren auf Schulen und Hochschulen verunnützet pwa_337.021
und seinem Herrn Amtsgenossen buchstäblich zu schreiben pwa_337.022
geruht, wie folgt:“
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„Laus Deo perennis Gloria! Meine willige Officia zuvor, Clarissime Dn. pwa_337.024
Frater! Es ist euer Dominus Pastor bey mir gewesen, und hat mich um einen pwa_337.025
bonum Consilium gefragt, ob er noster Schulzens Filia sollte sumere oder non? pwa_337.026
Ich habe ihm einen bonum Einschlag gegeben, wie er es sollte facere. Ich habe pwa_337.027
auch mit dem Domino Pastore brav discuriret, und er hat gar pulcher gestudiret, pwa_337.028
ist auch ein feiner Graecismus, wie ich merke. Da er solus getrunken tres Cantoros pwa_337.029
Cerevisia, erfuhr ich erst recht, wie es ihm in neulichster Spolium ergangen. pwa_337.030
Ich habe es nicht wollen credere, dass dich, mein lieber Domine Frater! das Bellum pwa_337.031
also valde verderbet; aber jetzo habe ich es erst recht erfahren. Wo ist nun pwa_337.032
dein Pecuniam? in Bellum. Hättest du deiner Uxor gefolget, könntest du dein pwa_337.033
Pecuniam in Marsupio behalten haben. Wo sind nun deine andern pulchros Res? pwa_337.034
auch in Bellum. Mit mir ist es eben so. Meine Res haben einen Namen, und pwa_337.035
heissen Nihil. Ich bin ein rechter pauper Nebulo, habe nichts mehr, als wie ich pwa_337.036
eo und sto. Meine neuen Vestii, meine Dies Dominicae Pallium, alle meine Indusia, pwa_337.037
meine neuen Calcei, darinnen ich fein nach dem Lignum passiren kunnte, pwa_337.038
mein Pilius mit dem geflochtenen Hut-inculum, der mich quindecim Grossos pwa_337.039
gekostet, alle meine Superbia und Schmuck, meiner Frauen ihre Vestii, meinen pwa_337.040
Kindern ihre Vestii sind alle mit port. Unserer magnus Magd, der Magdalenen, pwa_337.041
der pauper Mähren, sind auch alle ihre Res weg. Die Vacca mit dem Kalbe, der pwa_337.042
Caper mit denen kleinen Ziegen, Porcus magnus et parvus ist omnes allo. .... pwa_337.043
In meiner Schola ist nichts mehr totus; die Fenestras sind ex, der Ofen hat wol pwa_337.044
ein Schock Oculi; dem Ofen-Forca haben die Regio Servii ein Cornu abgerissen;
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