Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873pwa_428.001 pwa_428.004 pwa_428.029 1 pwa_428.036
1) tes d' ar akououses Ree dakrua, teketo de khros. pwa_428.037 os de khion katateket' en akropoloisin oressin, pwa_428.038 en t' Euros katetexen, epen Zephuros katakheue; pwa_428.039 tekomenos d' ara tes potamoi plethousi Reontes; pwa_428.040 os tes teketo kala pareia dakru kheouses. pwa_428.001 pwa_428.004 pwa_428.029 1 pwa_428.036
1) τῆς δ' ἄρ ἀκουούσης ῥέε δάκρυα, τήκετο δὲ χρώς. pwa_428.037 ὡς δὲ χιὼν κατατήκετ' ἐν ἀκροπόλοισιν ὄρεσσιν, pwa_428.038 ἥν τ' Εὖρος κατέτηξεν, ἐπὴν Ζέφυρος καταχεύῃ· pwa_428.039 τήκομενος δ' ἄρα τῆς ποταμοὶ πλήθουσι ῥέοντες· pwa_428.040 ὧς τῆς τήκετο καλὰ παρήϊα δάκρυ χεούσης. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0446" n="428"/><lb n="pwa_428.001"/> diese. O bei Allem, Rodrigo, Was du und ich dereinst im Himmel <lb n="pwa_428.002"/> hoffen, <hi rendition="#i">Von dieser Stelle,</hi> Rodrigo, <hi rendition="#i">verjage, verjage</hi> (Epanodos) mich <lb n="pwa_428.003"/> <hi rendition="#i">von dieser Stelle</hi> nicht!“</p> <p><lb n="pwa_428.004"/> Wir wenden uns nun zur zweiten Hauptgattung dieser Wiederholungen; <lb n="pwa_428.005"/> hier kehrt nicht dasselbe Wort in unveränderter Form und <lb n="pwa_428.006"/> Bedeutung wieder, sondern mit wechselnder Form und demgemäss auch <lb n="pwa_428.007"/> mit noch mehr oder weniger veränderter Bedeutung. Wenn zuerst die <lb n="pwa_428.008"/> Flexionsform wechselt, wenn das wiederholt gebrauchte Wort verschiedene <lb n="pwa_428.009"/> Declinations- oder Conjugationsformen zeigt, so nennt man das <lb n="pwa_428.010"/> ein <hi rendition="#b">Polyptoton</hi> (<foreign xml:lang="grc">πολύπτωτον</foreign>). Eigentlich passt dieser Name nur, wo <lb n="pwa_428.011"/> vielerlei verschiedene Declinationsformen vorkommen, da <foreign xml:lang="grc">πτῶσις</foreign> Fall, <lb n="pwa_428.012"/> Casus bedeutet; aber die Benennung gilt auch, wo es die wechselnde <lb n="pwa_428.013"/> Conjugationsweise betrifft. Ein reiches Beispiel bietet Homers Odyssee <lb n="pwa_428.014"/> 19, 204 fgg., wo in fünf Versen<note xml:id="pwa_428_1" place="foot" n="1"><lb n="pwa_428.036"/> 1) <foreign xml:lang="grc">τῆς δ' ἄρ ἀκουούσης ῥέε δάκρυα, τήκετο δὲ χρώς</foreign>. <lb n="pwa_428.037"/> <foreign xml:lang="grc">ὡς δὲ χιὼν κατατήκετ' ἐν ἀκροπόλοισιν ὄρεσσιν</foreign>, <lb n="pwa_428.038"/> <foreign xml:lang="grc">ἥν τ' Εὖρος κατέτηξεν, ἐπὴν Ζέφυρος καταχεύῃ·</foreign> <lb n="pwa_428.039"/> <foreign xml:lang="grc">τήκομενος δ' ἄρα τῆς ποταμοὶ πλήθουσι ῥέοντες·</foreign> <lb n="pwa_428.040"/> <foreign xml:lang="grc">ὧς τῆς τήκετο καλὰ παρήϊα δάκρυ χεούσης</foreign>.</note> der Begriff <foreign xml:lang="grc">τήκειν</foreign>, schmelzen, in den <lb n="pwa_428.015"/> Formen <foreign xml:lang="grc">τήκετο, κατατήκετο, κατέτηξεν, τηκόμενος, τήκετο</foreign> wiederkehrt. <lb n="pwa_428.016"/> Voss hat dieses Polyptoton in seiner Uebersetzung trefflich nachgeahmt: <lb n="pwa_428.017"/> „Aber den Hörenden floss die <hi rendition="#i">schmelzende</hi> Thrän' auf die Wang' <lb n="pwa_428.018"/> hin; So wie der Schnee <hi rendition="#i">hinschmilzt</hi> auf hochgescheitelten Bergen, <lb n="pwa_428.019"/> Welchen der Ost <hi rendition="#i">hinschmelzte,</hi> nachdem ihn geschüttelt der Westwind; <lb n="pwa_428.020"/> Dass von <hi rendition="#i">geschmolzener</hi> Nässe gedrängt abfliessen die Bäche: Also <lb n="pwa_428.021"/> <hi rendition="#i">schmolz</hi> in Thränen der Gattin liebliches Antlitz.“ Mit Epizeuxis verbunden <lb n="pwa_428.022"/> erscheint das Polyptoton in einem Xenion Göthes auf Nicolai <lb n="pwa_428.023"/> (LB. 2, 1086, 30): „Seine Meinung sagt er von seinem Jahrhundert, er <lb n="pwa_428.024"/> sagt sie, Nochmals sagt er sie laut, hat sie gesagt und geht ab.“ <lb n="pwa_428.025"/> Nicht so häufige Wiederkehr und doch das stärkste Beispiel bietet <lb n="pwa_428.026"/> Ovid Metam. 1, 325: „Et superesse videt de tot modo millibus <hi rendition="#i">unum,</hi> <lb n="pwa_428.027"/> Et superesse videt de tot modo millibus <hi rendition="#i">unam:</hi>“ hier verbindet sich mit <lb n="pwa_428.028"/> dem Polyptoton noch die Anaphora, oder wie man es nennen wolle.</p> <p><lb n="pwa_428.029"/> Geht der Wechsel der Form weiter, wechselt sie, weil ein anderes <lb n="pwa_428.030"/> von der gleichen Wurzel oder dem gleichen Stamm gebildetes Wort eintritt, <lb n="pwa_428.031"/> so heisst das <hi rendition="#b">Annominatio,</hi> ein Name, der, wie wir früher (S. 391) <lb n="pwa_428.032"/> gesehen, auch das Wortspiel bezeichnet. Z. B. bei Klopstock: „Die Stille <lb n="pwa_428.033"/> ward stiller;“ oder wiederum Klopstock (Mess. 6, 190): „Lass, den meine <lb n="pwa_428.034"/> Seele <hi rendition="#i">geliebt</hi> hat, Den ich <hi rendition="#i">liebe</hi> mit viel mehr <hi rendition="#i">Liebe</hi> wie <hi rendition="#i">Liebe</hi> der Brüder, <lb n="pwa_428.035"/> Lass mich mit dir, du Heiligster, sterben!“ So auch Voss: „Schreibend </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [428/0446]
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diese. O bei Allem, Rodrigo, Was du und ich dereinst im Himmel pwa_428.002
hoffen, Von dieser Stelle, Rodrigo, verjage, verjage (Epanodos) mich pwa_428.003
von dieser Stelle nicht!“
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Wir wenden uns nun zur zweiten Hauptgattung dieser Wiederholungen; pwa_428.005
hier kehrt nicht dasselbe Wort in unveränderter Form und pwa_428.006
Bedeutung wieder, sondern mit wechselnder Form und demgemäss auch pwa_428.007
mit noch mehr oder weniger veränderter Bedeutung. Wenn zuerst die pwa_428.008
Flexionsform wechselt, wenn das wiederholt gebrauchte Wort verschiedene pwa_428.009
Declinations- oder Conjugationsformen zeigt, so nennt man das pwa_428.010
ein Polyptoton (πολύπτωτον). Eigentlich passt dieser Name nur, wo pwa_428.011
vielerlei verschiedene Declinationsformen vorkommen, da πτῶσις Fall, pwa_428.012
Casus bedeutet; aber die Benennung gilt auch, wo es die wechselnde pwa_428.013
Conjugationsweise betrifft. Ein reiches Beispiel bietet Homers Odyssee pwa_428.014
19, 204 fgg., wo in fünf Versen 1 der Begriff τήκειν, schmelzen, in den pwa_428.015
Formen τήκετο, κατατήκετο, κατέτηξεν, τηκόμενος, τήκετο wiederkehrt. pwa_428.016
Voss hat dieses Polyptoton in seiner Uebersetzung trefflich nachgeahmt: pwa_428.017
„Aber den Hörenden floss die schmelzende Thrän' auf die Wang' pwa_428.018
hin; So wie der Schnee hinschmilzt auf hochgescheitelten Bergen, pwa_428.019
Welchen der Ost hinschmelzte, nachdem ihn geschüttelt der Westwind; pwa_428.020
Dass von geschmolzener Nässe gedrängt abfliessen die Bäche: Also pwa_428.021
schmolz in Thränen der Gattin liebliches Antlitz.“ Mit Epizeuxis verbunden pwa_428.022
erscheint das Polyptoton in einem Xenion Göthes auf Nicolai pwa_428.023
(LB. 2, 1086, 30): „Seine Meinung sagt er von seinem Jahrhundert, er pwa_428.024
sagt sie, Nochmals sagt er sie laut, hat sie gesagt und geht ab.“ pwa_428.025
Nicht so häufige Wiederkehr und doch das stärkste Beispiel bietet pwa_428.026
Ovid Metam. 1, 325: „Et superesse videt de tot modo millibus unum, pwa_428.027
Et superesse videt de tot modo millibus unam:“ hier verbindet sich mit pwa_428.028
dem Polyptoton noch die Anaphora, oder wie man es nennen wolle.
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Geht der Wechsel der Form weiter, wechselt sie, weil ein anderes pwa_428.030
von der gleichen Wurzel oder dem gleichen Stamm gebildetes Wort eintritt, pwa_428.031
so heisst das Annominatio, ein Name, der, wie wir früher (S. 391) pwa_428.032
gesehen, auch das Wortspiel bezeichnet. Z. B. bei Klopstock: „Die Stille pwa_428.033
ward stiller;“ oder wiederum Klopstock (Mess. 6, 190): „Lass, den meine pwa_428.034
Seele geliebt hat, Den ich liebe mit viel mehr Liebe wie Liebe der Brüder, pwa_428.035
Lass mich mit dir, du Heiligster, sterben!“ So auch Voss: „Schreibend
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1) τῆς δ' ἄρ ἀκουούσης ῥέε δάκρυα, τήκετο δὲ χρώς. pwa_428.037
ὡς δὲ χιὼν κατατήκετ' ἐν ἀκροπόλοισιν ὄρεσσιν, pwa_428.038
ἥν τ' Εὖρος κατέτηξεν, ἐπὴν Ζέφυρος καταχεύῃ· pwa_428.039
τήκομενος δ' ἄρα τῆς ποταμοὶ πλήθουσι ῥέοντες· pwa_428.040
ὧς τῆς τήκετο καλὰ παρήϊα δάκρυ χεούσης.
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