Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873pwa_429.001 pwa_429.016 pwa_429.030 pwa_429.001 pwa_429.016 pwa_429.030 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0447" n="429"/><lb n="pwa_429.001"/> schreibt er im Schreiben geschriebene Schriften der Schreiber.“ Beispiele <lb n="pwa_429.002"/> aus der altdeutschen Poesie: Heinrich von Rugge (Minnesangs <lb n="pwa_429.003"/> Frühling S. 100, 34 fgg.): „Minne minnet stæten man. Ob er ûf minne <lb n="pwa_429.004"/> minnen wil, Sô sol im minnen lôn geschehen. Ich minne minne als <lb n="pwa_429.005"/> ichs began. Die minne ich gerne minnen wil. Der minne minne ich <lb n="pwa_429.006"/> hân verjehen. Die minne erzeige ich mit der minne, Daʒ ich ûf minne <lb n="pwa_429.007"/> minne minne. Die minne meine ich an ein wîp. Ich minne, wan ich <lb n="pwa_429.008"/> minnen sol Dur minne ir minneclîchen lîp.“ Ebenso schliesst Ulrich <lb n="pwa_429.009"/> von Singenberg ein Lied mit folgender Strophe (Wackern. Walth. <lb n="pwa_429.010"/> S. 223, 2): „Minne, minneclîche Minne, Minne mich, sît ich von herzen <lb n="pwa_429.011"/> minne dich. Mich (ich minne dîne sinne) Minne: wilt dû danne dîne <lb n="pwa_429.012"/> minne an mich Unminneclîchen kêren, Minne, owê! So ist Minne ir <lb n="pwa_429.013"/> minne unminneclîch, wil sî daʒ vröide an mir zergê.“ Polyptoton und Annominatio <lb n="pwa_429.014"/> wechseln mit einander in den Reimspielen Gottfrieds von Neifen <lb n="pwa_429.015"/> LB. 1<hi rendition="#sup">4</hi>, 681 (1<hi rendition="#sup">5</hi>, 861) und Konrads von Würzburg LB. 1<hi rendition="#sup">4</hi>, 755 (1<hi rendition="#sup">5</hi>, 935).</p> <p><lb n="pwa_429.016"/> An die bisher besprochenen Arten der Wiederholung schliesst sich <lb n="pwa_429.017"/> noch das <hi rendition="#b">Echo</hi> an: es grenzt zunächt an die Epiphora und den Refrain, <lb n="pwa_429.018"/> indem das letzte Wort der Verse oder der Strophen von einem Wiederhall <lb n="pwa_429.019"/> zurückgegeben wird. Das wiederholte Wort bleibt beim Echo <lb n="pwa_429.020"/> bald dasselbe, bald verändert es Form und Sinn; es berührt sich also <lb n="pwa_429.021"/> bald mit der Epizeuxis, bald mit dem Polyptoton und der Annominatio. <lb n="pwa_429.022"/> Das Echo hat zugleich eine musikalische Wirkung und die Form <lb n="pwa_429.023"/> des Witzes; es artet aber leicht in Tändelei aus. Im 16. und 17. Jahrhundert <lb n="pwa_429.024"/> wurde es namentlich von den spanischen Dichtern und nach <lb n="pwa_429.025"/> ihrem Vorgange von den Pegnitzschäfern angewandt. So bei Reinhold <lb n="pwa_429.026"/> von Freientahl ein Waldlied, „in welchem der Wiederhall ausser dem <lb n="pwa_429.027"/> Verse“ LB. 2, 545. Bei neuern Dichtern findet sich das Echo nur <lb n="pwa_429.028"/> selten: in Tiecks Octavian 146 ein Beispiel, wo es mit Theilung und <lb n="pwa_429.029"/> Zusammenzählung verbunden ist.</p> <p><lb n="pwa_429.030"/> Wodurch diese verschiedenen Formen der Wiederholung, von der <lb n="pwa_429.031"/> Anaphora, Epiphora u. s. w. bis zum Echo, sich von den epischen Wiederholungen <lb n="pwa_429.032"/> und von der Wiederholung im Refrain unterscheiden, das <lb n="pwa_429.033"/> ist ziemlich klar an sich selbst. Die epische Wiederholung kann sich <lb n="pwa_429.034"/> auf ganze grosse Reihen von Vorstellungen erstrecken, der Refrain <lb n="pwa_429.035"/> kann auch aus mehreren Versen bestehn: Anaphora, Epiphora, Epizeuxis <lb n="pwa_429.036"/> haben es immer nur mit einzelnen Worten, mit Satztheilen zu <lb n="pwa_429.037"/> thun. Die epische Wiederholung hat etwas schon Entfernteres, vielleicht <lb n="pwa_429.038"/> lange vorher Vorgekommenes zum Gegenstande, die Wiederholung <lb n="pwa_429.039"/> durch den Refrain kann durch sehr grosse dazwischen tretende <lb n="pwa_429.040"/> Strophen unterbrochen sein: Anaphora, Epiphora, Epizeuxis u. s. w. <lb n="pwa_429.041"/> kommen nur innerhalb eines Satzes, oder wenn auch in mehr als </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [429/0447]
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schreibt er im Schreiben geschriebene Schriften der Schreiber.“ Beispiele pwa_429.002
aus der altdeutschen Poesie: Heinrich von Rugge (Minnesangs pwa_429.003
Frühling S. 100, 34 fgg.): „Minne minnet stæten man. Ob er ûf minne pwa_429.004
minnen wil, Sô sol im minnen lôn geschehen. Ich minne minne als pwa_429.005
ichs began. Die minne ich gerne minnen wil. Der minne minne ich pwa_429.006
hân verjehen. Die minne erzeige ich mit der minne, Daʒ ich ûf minne pwa_429.007
minne minne. Die minne meine ich an ein wîp. Ich minne, wan ich pwa_429.008
minnen sol Dur minne ir minneclîchen lîp.“ Ebenso schliesst Ulrich pwa_429.009
von Singenberg ein Lied mit folgender Strophe (Wackern. Walth. pwa_429.010
S. 223, 2): „Minne, minneclîche Minne, Minne mich, sît ich von herzen pwa_429.011
minne dich. Mich (ich minne dîne sinne) Minne: wilt dû danne dîne pwa_429.012
minne an mich Unminneclîchen kêren, Minne, owê! So ist Minne ir pwa_429.013
minne unminneclîch, wil sî daʒ vröide an mir zergê.“ Polyptoton und Annominatio pwa_429.014
wechseln mit einander in den Reimspielen Gottfrieds von Neifen pwa_429.015
LB. 14, 681 (15, 861) und Konrads von Würzburg LB. 14, 755 (15, 935).
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An die bisher besprochenen Arten der Wiederholung schliesst sich pwa_429.017
noch das Echo an: es grenzt zunächt an die Epiphora und den Refrain, pwa_429.018
indem das letzte Wort der Verse oder der Strophen von einem Wiederhall pwa_429.019
zurückgegeben wird. Das wiederholte Wort bleibt beim Echo pwa_429.020
bald dasselbe, bald verändert es Form und Sinn; es berührt sich also pwa_429.021
bald mit der Epizeuxis, bald mit dem Polyptoton und der Annominatio. pwa_429.022
Das Echo hat zugleich eine musikalische Wirkung und die Form pwa_429.023
des Witzes; es artet aber leicht in Tändelei aus. Im 16. und 17. Jahrhundert pwa_429.024
wurde es namentlich von den spanischen Dichtern und nach pwa_429.025
ihrem Vorgange von den Pegnitzschäfern angewandt. So bei Reinhold pwa_429.026
von Freientahl ein Waldlied, „in welchem der Wiederhall ausser dem pwa_429.027
Verse“ LB. 2, 545. Bei neuern Dichtern findet sich das Echo nur pwa_429.028
selten: in Tiecks Octavian 146 ein Beispiel, wo es mit Theilung und pwa_429.029
Zusammenzählung verbunden ist.
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Wodurch diese verschiedenen Formen der Wiederholung, von der pwa_429.031
Anaphora, Epiphora u. s. w. bis zum Echo, sich von den epischen Wiederholungen pwa_429.032
und von der Wiederholung im Refrain unterscheiden, das pwa_429.033
ist ziemlich klar an sich selbst. Die epische Wiederholung kann sich pwa_429.034
auf ganze grosse Reihen von Vorstellungen erstrecken, der Refrain pwa_429.035
kann auch aus mehreren Versen bestehn: Anaphora, Epiphora, Epizeuxis pwa_429.036
haben es immer nur mit einzelnen Worten, mit Satztheilen zu pwa_429.037
thun. Die epische Wiederholung hat etwas schon Entfernteres, vielleicht pwa_429.038
lange vorher Vorgekommenes zum Gegenstande, die Wiederholung pwa_429.039
durch den Refrain kann durch sehr grosse dazwischen tretende pwa_429.040
Strophen unterbrochen sein: Anaphora, Epiphora, Epizeuxis u. s. w. pwa_429.041
kommen nur innerhalb eines Satzes, oder wenn auch in mehr als
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