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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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Zum Reime kommt nun noch als eine Abart und Verarmung desselben pwa_442.002
die Assonanz. Hier stimmen nicht auch die Consonanten, sondern pwa_442.003
nur die Vocale überein, z. B. Rath: Thal; hurtig: unverwundlich. pwa_442.004
Bekanntlich ist die Assonanz in Spanien zu Hause; von daher wurde pwa_442.005
sie erst zu Anfang unseres Jahrhunderts auch in Deutschland eingeführt. pwa_442.006
Der Gebrauch ist aber bedenklich, da ein nicht theoretisch pwa_442.007
gebildetes Ohr die Assonanz in den meisten Fällen überhören wird. pwa_442.008
Eins kann ihr noch aufhelfen und Bedeutung geben: wenn man sie pwa_442.009
nicht bloss zur Ausschmückung gebraucht, sondern auch noch zu einer pwa_442.010
eigentlichen Lautmalerei, wenn die assonierenden Vocale in ihrem pwa_442.011
Laute characteristisch zu dem Inhalte der Dichtung stimmen. Ein pwa_442.012
namhaftes Beispiel hiefür bietet eine grosse Romanze von Tieck, Die pwa_442.013
Zeichen im Walde, eine schauerlich unheimliche Dichtung, wo die pwa_442.014
ganze lange Reihe von Versen hindurch lauter Assonanzen auf den pwa_442.015
Vocal u vorkommen: ein echtes Probestück der Romantik, zugleich pwa_442.016
aber in einer andern Beziehung ein negatives Muster, insofern das pwa_442.017
Gedicht viele unnütze, oft noch falsch nachgebildete oder erfundene pwa_442.018
Archaismen enthält: Gedichte (1821) 1, 22.

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Wie mit der Assonanz, so ists jetzt auch mit der Allitteration. pwa_442.020
Wenn sie nicht eigens der Lautmalerei dient, also etwas Auffälliges pwa_442.021
und Ansprechendes im Klange hat, wird sie gar nicht bemerkt. Zu pwa_442.022
diesem Behufe aber kommt sie nicht selten bei alten und auch bei pwa_442.023
neueren Dichtern vor, neben dem Reim oder neben künstlicheren, pwa_442.024
antiken Rhythmen. Schon Ennius hat in dieser Weise davon Gebrauch pwa_442.025
gemacht in dem Verse: "At tuba terribili tonitu taratantara dixit." Ein pwa_442.026
Beispiel aus dem Nibelungenliede (Str. 1887, 2): "Do sluog er eteleichen pwa_442.027
so swaeren swertes swanc." Ebenso Walther 9, 19 (LB. 14, 402. 15, 580): pwa_442.028
"Daß wilt und daß gewürme die streitent starke stürme." Konrad von pwa_442.029
Würzburg (v. d. Hagen, Minnes. 2, 317a): "Diu vogellein singent süeßen pwa_442.030
sumersanc" und im Refrain desselben Liedes: "Der meie machet hohen pwa_442.031
muot." Von neueren Dichtern bedient sich der Allitteration zur Lautmalerei pwa_442.032
Schiller, so z. B. im Taucher: "Und hohler und hohler hört pwa_442.033
mans heulen;" und Bürger, von dem ein besonders bezeichnendes pwa_442.034
Beispiel kann angeführt werden: "Wonne weht von Thal und Hügel, pwa_442.035
Weht von Flur und Wiesenplan, Weht vom glatten Wasserspiegel, pwa_442.036
Wonne weht mit weichem Flügel Des Piloten Wange an." Diese pwa_442.037
Beispiele zeigen aber auch zugleich, wie abgehärtet jetzt unsere Ohren pwa_442.038
sind; unseren Vorfahren vor 1100 Jahren genügte ein dreimaliges, ja pwa_442.039
nur ein zweimaliges W: wir brauchen ihrer zehn, um den Gleichklang pwa_442.040
zu merken; eine dreimalige Wiederholung des gleichen Anlautes beachten pwa_442.041
wir kaum, wie z. B. in Schillers Mädchen aus der Fremde die

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Zum Reime kommt nun noch als eine Abart und Verarmung desselben pwa_442.002
die Assonanz. Hier stimmen nicht auch die Consonanten, sondern pwa_442.003
nur die Vocale überein, z. B. Rath: Thal; hurtig: unverwundlich. pwa_442.004
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Der Gebrauch ist aber bedenklich, da ein nicht theoretisch pwa_442.007
gebildetes Ohr die Assonanz in den meisten Fällen überhören wird. pwa_442.008
Eins kann ihr noch aufhelfen und Bedeutung geben: wenn man sie pwa_442.009
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eigentlichen Lautmalerei, wenn die assonierenden Vocale in ihrem pwa_442.011
Laute characteristisch zu dem Inhalte der Dichtung stimmen. Ein pwa_442.012
namhaftes Beispiel hiefür bietet eine grosse Romanze von Tieck, Die pwa_442.013
Zeichen im Walde, eine schauerlich unheimliche Dichtung, wo die pwa_442.014
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Vocal u vorkommen: ein echtes Probestück der Romantik, zugleich pwa_442.016
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Archaismen enthält: Gedichte (1821) 1, 22.

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Wie mit der Assonanz, so ists jetzt auch mit der Allitteration. pwa_442.020
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und Ansprechendes im Klange hat, wird sie gar nicht bemerkt. Zu pwa_442.022
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neueren Dichtern vor, neben dem Reim oder neben künstlicheren, pwa_442.024
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„Daʒ wilt und daʒ gewürme die strîtent starke stürme.“ Konrad von pwa_442.029
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Schiller, so z. B. im Taucher: „Und hohler und hohler hört pwa_442.033
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/460>, abgerufen am 09.11.2024.