Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Theaters und die Entfernung der Zuschauer bedangen etwa Mit dieser Enthüllung war aber auch das gemein¬ Theaters und die Entfernung der Zuſchauer bedangen etwa Mit dieſer Enthüllung war aber auch das gemein¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0172" n="156"/> Theaters und die Entfernung der Zuſchauer bedangen etwa<lb/> die Erhöhung der menſchlichen Geſtalt durch den <hi rendition="#g">Ko¬<lb/> thurn</hi>, oder geſtatteten etwa eben nur die ſtabile tragiſche<lb/> Maske, — ſondern dieſe, Kothurn und Maske, waren<lb/> nothwendige, religiös bedeutungsvolle Attribute, die im<lb/> Geleite anderer ſymboliſcher Abzeichen dem Darſteller erſt<lb/> ſeinen wichtigen, prieſterlichen Charakter gaben. Wo nun<lb/> eine Religion, wenn ſie aus dem gemeinen Leben zu weichen<lb/> beginnt und vor der politiſchen Richtung deſſelben ſich<lb/> vollends zurückzieht, nur ihrem äußeren Gewande nach<lb/> eigentlich noch kenntlich vorhanden iſt, — dieß Gewand<lb/> aber, wie bei den Athenern, nur noch als Bekleidung der<lb/> Kunſt die Geſtaltungen wirklichen Lebens anzunehmen ver¬<lb/> mag, da muß dieſes wirkliche Leben als unverhüllter Kern<lb/> der Religion auch unumwunden offen ſich bekennen. Der<lb/> Kern der helleniſchen Religion, auf den all ihr Weſen im<lb/> Grunde einzig ſich bezog, und wie er im wirklichen Leben<lb/> bereits unwillkürlich als einzig ſich geltend machte, war<lb/> aber: <hi rendition="#g">Der Menſch</hi>. An der Kunſt war es, dieß Be¬<lb/> kenntniß klar und deutlich auszuſprechen: ſie that es, indem<lb/> ſie das letzte verhüllende Gewand der Religion von ſich<lb/> warf und in voller Nacktheit ihren Kern, den <hi rendition="#g">wirklichen</hi><lb/> leiblichen Menſchen zeigte.</p><lb/> <p>Mit dieſer Enthüllung war aber auch das gemein¬<lb/> ſchaftliche Kunſtwerk vernichtet: das Band der Gemein¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0172]
Theaters und die Entfernung der Zuſchauer bedangen etwa
die Erhöhung der menſchlichen Geſtalt durch den Ko¬
thurn, oder geſtatteten etwa eben nur die ſtabile tragiſche
Maske, — ſondern dieſe, Kothurn und Maske, waren
nothwendige, religiös bedeutungsvolle Attribute, die im
Geleite anderer ſymboliſcher Abzeichen dem Darſteller erſt
ſeinen wichtigen, prieſterlichen Charakter gaben. Wo nun
eine Religion, wenn ſie aus dem gemeinen Leben zu weichen
beginnt und vor der politiſchen Richtung deſſelben ſich
vollends zurückzieht, nur ihrem äußeren Gewande nach
eigentlich noch kenntlich vorhanden iſt, — dieß Gewand
aber, wie bei den Athenern, nur noch als Bekleidung der
Kunſt die Geſtaltungen wirklichen Lebens anzunehmen ver¬
mag, da muß dieſes wirkliche Leben als unverhüllter Kern
der Religion auch unumwunden offen ſich bekennen. Der
Kern der helleniſchen Religion, auf den all ihr Weſen im
Grunde einzig ſich bezog, und wie er im wirklichen Leben
bereits unwillkürlich als einzig ſich geltend machte, war
aber: Der Menſch. An der Kunſt war es, dieß Be¬
kenntniß klar und deutlich auszuſprechen: ſie that es, indem
ſie das letzte verhüllende Gewand der Religion von ſich
warf und in voller Nacktheit ihren Kern, den wirklichen
leiblichen Menſchen zeigte.
Mit dieſer Enthüllung war aber auch das gemein¬
ſchaftliche Kunſtwerk vernichtet: das Band der Gemein¬
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