Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.natürlichen Staates gewesen; wir wissen, daß bei dem natürlichen Staates geweſen; wir wiſſen, daß bei dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0175" n="159"/> natürlichen Staates geweſen; wir wiſſen, daß bei dem<lb/> adeligſten der helleniſchen Stämme, bei den ſpartaniſchen<lb/> Doriern, die Geſundheit und unentſtellte Schönheit des<lb/> neugeborenen Kindes die Bedingungen ausmachten, unter<lb/> denen ihm allein das Leben geſtattet war, während Hä߬<lb/> lichen und Mißgeborenen das Recht zu leben abgeſprochen<lb/> wurde. Dieſer ſchöne nackte Menſch iſt der Kern alles<lb/> Spartanerthumes: aus der wirklichen Freude an der<lb/> Schönheit des vollkommenſten menſchlichen, <hi rendition="#g">des männ¬<lb/> lichen</hi> Leibes, ſtammte die, alles ſpartaniſche Staats¬<lb/> weſen durchdringende und geſtaltende, <hi rendition="#g">Männerliebe</hi> her.<lb/> Dieſe Liebe giebt ſich uns in ihrer urſprünglichen Rein¬<lb/> heit, als edelſte und uneigenſüchtigſte Aeußerung des<lb/> menſchlichen Schönheitsſinnes kund. Iſt die Liebe des<lb/> Mannes zum Weibe, in ihrer natürlichſten Aeußerung,<lb/> im Grunde eine egoiſtiſch genußſüchtige, in welcher, wie er<lb/> in einem beſtimmten ſinnlichen Genuſſe ſeine Befriedigung<lb/> findet, der Mann nach ſeinem vollem Weſen nicht aufzu¬<lb/> gehen vermag, — ſo ſtellt ſich die Männerliebe als eine<lb/> bei weitem höhere Neigung dar, eben weil ſie <hi rendition="#g">nicht</hi> nach<lb/> einem beſtimmten ſinnlichen Genuſſe ſich ſehnt, ſondern<lb/> der Mann durch ſie mit <hi rendition="#g">ſeinem ganzen Weſen</hi> in das<lb/> Weſen des geliebten Gegenſtands ſich zu verſenken, in ihm<lb/> aufzugehen vermag; und genau nur in dem Grade als<lb/> das Weib bei vollendeter Weiblichkeit, in ſeiner Liebe zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0175]
natürlichen Staates geweſen; wir wiſſen, daß bei dem
adeligſten der helleniſchen Stämme, bei den ſpartaniſchen
Doriern, die Geſundheit und unentſtellte Schönheit des
neugeborenen Kindes die Bedingungen ausmachten, unter
denen ihm allein das Leben geſtattet war, während Hä߬
lichen und Mißgeborenen das Recht zu leben abgeſprochen
wurde. Dieſer ſchöne nackte Menſch iſt der Kern alles
Spartanerthumes: aus der wirklichen Freude an der
Schönheit des vollkommenſten menſchlichen, des männ¬
lichen Leibes, ſtammte die, alles ſpartaniſche Staats¬
weſen durchdringende und geſtaltende, Männerliebe her.
Dieſe Liebe giebt ſich uns in ihrer urſprünglichen Rein¬
heit, als edelſte und uneigenſüchtigſte Aeußerung des
menſchlichen Schönheitsſinnes kund. Iſt die Liebe des
Mannes zum Weibe, in ihrer natürlichſten Aeußerung,
im Grunde eine egoiſtiſch genußſüchtige, in welcher, wie er
in einem beſtimmten ſinnlichen Genuſſe ſeine Befriedigung
findet, der Mann nach ſeinem vollem Weſen nicht aufzu¬
gehen vermag, — ſo ſtellt ſich die Männerliebe als eine
bei weitem höhere Neigung dar, eben weil ſie nicht nach
einem beſtimmten ſinnlichen Genuſſe ſich ſehnt, ſondern
der Mann durch ſie mit ſeinem ganzen Weſen in das
Weſen des geliebten Gegenſtands ſich zu verſenken, in ihm
aufzugehen vermag; und genau nur in dem Grade als
das Weib bei vollendeter Weiblichkeit, in ſeiner Liebe zu
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