Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.dem Manne und durch sein Versenken in sein Wesen, auch *) Die Erlösung des Weibes in die Mitbetheiligung an der
männlichen Natur ist das Werk christlich germanischer Entwicklung: dem Griechen blieb der physische Prozeß edler entsprechender Ver¬ männlichung des Weibes unbekannt; ihm erschien alles so, wie es sich unmittelbar und unvermittelt gab, -- das Weib war ihm Weib, der Mann Mann, und somit trat bei ihm eben da, wo die Liebe zum Weibe naturgemäß befriedigt war, das Verlangen nach dem Manne ein. dem Manne und durch ſein Verſenken in ſein Weſen, auch *) Die Erlöſung des Weibes in die Mitbetheiligung an der
männlichen Natur iſt das Werk chriſtlich germaniſcher Entwicklung: dem Griechen blieb der phyſiſche Prozeß edler entſprechender Ver¬ männlichung des Weibes unbekannt; ihm erſchien alles ſo, wie es ſich unmittelbar und unvermittelt gab, — das Weib war ihm Weib, der Mann Mann, und ſomit trat bei ihm eben da, wo die Liebe zum Weibe naturgemäß befriedigt war, das Verlangen nach dem Manne ein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0176" n="160"/> dem Manne und durch ſein Verſenken in ſein Weſen, auch<lb/> das männliche Element dieſer Weiblichkeit entwickelt und<lb/> mit dem rein weiblichen in ſich zum vollkommenen Abſchluße<lb/> gebracht hat, ſomit in dem Grade als ſie dem Manne nicht<lb/> nur <hi rendition="#g">Geliebte</hi> ſondern auch <hi rendition="#g">Freund</hi> iſt, vermag der<lb/> Mann ſchon in der Weibesliebe volle Befriedigung zu<lb/> finden. <note place="foot" n="*)"><lb/> Die Erlöſung des Weibes in die Mitbetheiligung an der<lb/> männlichen Natur iſt das Werk chriſtlich germaniſcher Entwicklung:<lb/> dem Griechen blieb der phyſiſche Prozeß edler entſprechender Ver¬<lb/> männlichung des Weibes unbekannt; ihm erſchien alles ſo, wie es<lb/> ſich unmittelbar und unvermittelt gab, — das Weib war ihm Weib,<lb/> der Mann Mann, und ſomit trat bei ihm eben da, wo die Liebe zum<lb/> Weibe naturgemäß befriedigt war, das Verlangen nach dem<lb/> Manne ein.</note>Das höhere Element jener Männerliebe beſtand<lb/> aber eben darin, daß es das ſinnlich egoiſtiſche Genu߬<lb/> moment ausſchloß. Nichtsdeſtoweniger ſchloß in ihr ſich<lb/> jedoch nicht etwa <hi rendition="#g">nur</hi> ein reingeiſtiger Freundſchaftsbund,<lb/> ſondern die geiſtige Freundſchaft war erſt die Blüthe, der<lb/> vollendete Genuß der ſinnlichen Freundſchaft: dieſe ent¬<lb/> ſprang unmittelbar aus der Freude an der Schönheit, und<lb/> zwar der ganz leiblichen, ſinnlichen Schönheit des gelieb¬<lb/> ten Mannes. Dieſe Freude war aber kein egoiſtiſches<lb/> Sehnen, ſondern ein vollſtändiges Ausſichherausgehen<lb/> zum unbedingteſten Mitgefühl der Freude des Gelieb¬<lb/> ten an ſich ſelbſt, wie ſie ſich unwillkürlich durch das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [160/0176]
dem Manne und durch ſein Verſenken in ſein Weſen, auch
das männliche Element dieſer Weiblichkeit entwickelt und
mit dem rein weiblichen in ſich zum vollkommenen Abſchluße
gebracht hat, ſomit in dem Grade als ſie dem Manne nicht
nur Geliebte ſondern auch Freund iſt, vermag der
Mann ſchon in der Weibesliebe volle Befriedigung zu
finden. *)Das höhere Element jener Männerliebe beſtand
aber eben darin, daß es das ſinnlich egoiſtiſche Genu߬
moment ausſchloß. Nichtsdeſtoweniger ſchloß in ihr ſich
jedoch nicht etwa nur ein reingeiſtiger Freundſchaftsbund,
ſondern die geiſtige Freundſchaft war erſt die Blüthe, der
vollendete Genuß der ſinnlichen Freundſchaft: dieſe ent¬
ſprang unmittelbar aus der Freude an der Schönheit, und
zwar der ganz leiblichen, ſinnlichen Schönheit des gelieb¬
ten Mannes. Dieſe Freude war aber kein egoiſtiſches
Sehnen, ſondern ein vollſtändiges Ausſichherausgehen
zum unbedingteſten Mitgefühl der Freude des Gelieb¬
ten an ſich ſelbſt, wie ſie ſich unwillkürlich durch das
*)
Die Erlöſung des Weibes in die Mitbetheiligung an der
männlichen Natur iſt das Werk chriſtlich germaniſcher Entwicklung:
dem Griechen blieb der phyſiſche Prozeß edler entſprechender Ver¬
männlichung des Weibes unbekannt; ihm erſchien alles ſo, wie es
ſich unmittelbar und unvermittelt gab, — das Weib war ihm Weib,
der Mann Mann, und ſomit trat bei ihm eben da, wo die Liebe zum
Weibe naturgemäß befriedigt war, das Verlangen nach dem
Manne ein.
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