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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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Monument in die Neuzeit hineinragte, so hielt die Bild¬
hauerkunst den aus diesem lebenden Monumente erkannten
urhellenischen Menschen als steinernes, lebloses
Monument
vergangener Schönheit für die lebendige
Barbarei kommender Zeiten fest.

Aber als man aus Athen seine Blicke nach Sparta
richtete nagte bereits der Wurm des gemeinsamen Egois¬
mus verderbnißvoll an diesem schönen Staate. Der pelo¬
ponesische Krieg hatte ihn unwillkürlich in den Strudel
der Neuzeit hineingerissen, und Sparta hatte Athen nur
durch die Waffen besiegen können, die die Athener zuvor
ihnen so furchtbar und unangreiflich gemacht hatten.
Statt der ehernen Münzen -- diesen Denkmälern der Ver¬
achtung des Geldes gegen die Hochstellung des Menschen,
-- häufte sich geprägtes asiatisches Gold in den Kisten
des Spartaners; von dem herkömmlichen nüchternen Ge¬
meindemahl zog er sich zum üppigen Gelage zwischen
seinen vier Wänden zurück, und die schöne Männer¬
liebe
artete -- wie schon sonst bei den anderen Hellenen --
in widerliches Sinnengelüst aus, so das Motiv dieser
Liebe -- wodurch sie eben eine höhere als die Frauenliebe
war -- in ihr unnatürliches Gegentheil verwandelnd.

Diesen Menschen, schön an sich, aber unschön in
seinem egoistischen Einzelnsein, hat uns in Marmor und
Erz die Bildhauerkunst überliefert, -- bewegungslos und

Monument in die Neuzeit hineinragte, ſo hielt die Bild¬
hauerkunſt den aus dieſem lebenden Monumente erkannten
urhelleniſchen Menſchen als ſteinernes, lebloſes
Monument
vergangener Schönheit für die lebendige
Barbarei kommender Zeiten feſt.

Aber als man aus Athen ſeine Blicke nach Sparta
richtete nagte bereits der Wurm des gemeinſamen Egois¬
mus verderbnißvoll an dieſem ſchönen Staate. Der pelo¬
poneſiſche Krieg hatte ihn unwillkürlich in den Strudel
der Neuzeit hineingeriſſen, und Sparta hatte Athen nur
durch die Waffen beſiegen können, die die Athener zuvor
ihnen ſo furchtbar und unangreiflich gemacht hatten.
Statt der ehernen Münzen — dieſen Denkmälern der Ver¬
achtung des Geldes gegen die Hochſtellung des Menſchen,
— häufte ſich geprägtes aſiatiſches Gold in den Kiſten
des Spartaners; von dem herkömmlichen nüchternen Ge¬
meindemahl zog er ſich zum üppigen Gelage zwiſchen
ſeinen vier Wänden zurück, und die ſchöne Männer¬
liebe
artete — wie ſchon ſonſt bei den anderen Hellenen —
in widerliches Sinnengelüſt aus, ſo das Motiv dieſer
Liebe — wodurch ſie eben eine höhere als die Frauenliebe
war — in ihr unnatürliches Gegentheil verwandelnd.

Dieſen Menſchen, ſchön an ſich, aber unſchön in
ſeinem egoiſtiſchen Einzelnſein, hat uns in Marmor und
Erz die Bildhauerkunſt überliefert, — bewegungslos und

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[163/0179] Monument in die Neuzeit hineinragte, ſo hielt die Bild¬ hauerkunſt den aus dieſem lebenden Monumente erkannten urhelleniſchen Menſchen als ſteinernes, lebloſes Monument vergangener Schönheit für die lebendige Barbarei kommender Zeiten feſt. Aber als man aus Athen ſeine Blicke nach Sparta richtete nagte bereits der Wurm des gemeinſamen Egois¬ mus verderbnißvoll an dieſem ſchönen Staate. Der pelo¬ poneſiſche Krieg hatte ihn unwillkürlich in den Strudel der Neuzeit hineingeriſſen, und Sparta hatte Athen nur durch die Waffen beſiegen können, die die Athener zuvor ihnen ſo furchtbar und unangreiflich gemacht hatten. Statt der ehernen Münzen — dieſen Denkmälern der Ver¬ achtung des Geldes gegen die Hochſtellung des Menſchen, — häufte ſich geprägtes aſiatiſches Gold in den Kiſten des Spartaners; von dem herkömmlichen nüchternen Ge¬ meindemahl zog er ſich zum üppigen Gelage zwiſchen ſeinen vier Wänden zurück, und die ſchöne Männer¬ liebe artete — wie ſchon ſonſt bei den anderen Hellenen — in widerliches Sinnengelüſt aus, ſo das Motiv dieſer Liebe — wodurch ſie eben eine höhere als die Frauenliebe war — in ihr unnatürliches Gegentheil verwandelnd. Dieſen Menſchen, ſchön an ſich, aber unſchön in ſeinem egoiſtiſchen Einzelnſein, hat uns in Marmor und Erz die Bildhauerkunſt überliefert, — bewegungslos und

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/179>, abgerufen am 12.11.2024.