Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

beleben. Die Macht der Individualität wird sich nie
geltender machen als in der freien künstlerischen Genossen¬
schaft, weil die Anregung zu gemeinsamen Entschlüssen ge¬
rade nur von Demjenigen ausgehen kann, in dem die In¬
dividualität so kräftig sich ausspricht, daß sie zu gemeinsa¬
men freien Entschlüssen zu bestimmen vermag. Diese
Macht der Individualität wird gerade nur in den ganz be¬
sonderen, bestimmten Fällen auf die Genossenschaft wirken
können, wo sie wirklich, nicht erkünstelt, sich geltend zu
machen weiß. Eröffnet ein künstlerischer Genosse seine
Absicht, diesen einen Helden darzustellen, und begehrt
er hierzu die, seine Absicht einzig ermöglichende, gemein¬
same Mitwirkung der Genossenschaft, so wird er seinem
Verlangen nicht eher entsprochen sehen, als bis es ihm ge¬
lungen ist, die Liebe und Begeisterung für sein Vorhaben zu
erwecken, die ihn selbst beleben, und die er nur mitzuthei¬
len vermag, wenn seiner Individualität die dem besonderen
Gegenstande entsprechende Kraft zu eigen ist.

Hat der Künstler durch die Energie seiner Begeiste¬
rung seine Absicht zu einer gemeinsamen erhoben, so ist
von da an das künstlerische Unternehmen ebenfalls ein
gemeinsames
; wie aber die darzustellende dramatische
Handlung ihren Mittelpunkt in dem Helden dieser Hand¬
lung hat, so behält das gemeinsame Kunstwerk auch seinen

beleben. Die Macht der Individualität wird ſich nie
geltender machen als in der freien künſtleriſchen Genoſſen¬
ſchaft, weil die Anregung zu gemeinſamen Entſchlüſſen ge¬
rade nur von Demjenigen ausgehen kann, in dem die In¬
dividualität ſo kräftig ſich ausſpricht, daß ſie zu gemeinſa¬
men freien Entſchlüſſen zu beſtimmen vermag. Dieſe
Macht der Individualität wird gerade nur in den ganz be¬
ſonderen, beſtimmten Fällen auf die Genoſſenſchaft wirken
können, wo ſie wirklich, nicht erkünſtelt, ſich geltend zu
machen weiß. Eröffnet ein künſtleriſcher Genoſſe ſeine
Abſicht, dieſen einen Helden darzuſtellen, und begehrt
er hierzu die, ſeine Abſicht einzig ermöglichende, gemein¬
ſame Mitwirkung der Genoſſenſchaft, ſo wird er ſeinem
Verlangen nicht eher entſprochen ſehen, als bis es ihm ge¬
lungen iſt, die Liebe und Begeiſterung für ſein Vorhaben zu
erwecken, die ihn ſelbſt beleben, und die er nur mitzuthei¬
len vermag, wenn ſeiner Individualität die dem beſonderen
Gegenſtande entſprechende Kraft zu eigen iſt.

Hat der Künſtler durch die Energie ſeiner Begeiſte¬
rung ſeine Abſicht zu einer gemeinſamen erhoben, ſo iſt
von da an das künſtleriſche Unternehmen ebenfalls ein
gemeinſames
; wie aber die darzuſtellende dramatiſche
Handlung ihren Mittelpunkt in dem Helden dieſer Hand¬
lung hat, ſo behält das gemeinſame Kunſtwerk auch ſeinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="212"/>
beleben. Die <hi rendition="#g">Macht der Individualität</hi> wird &#x017F;ich nie<lb/>
geltender machen als in der freien kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Geno&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaft, weil die Anregung zu gemein&#x017F;amen Ent&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en ge¬<lb/>
rade nur von Demjenigen ausgehen kann, in dem die In¬<lb/>
dividualität &#x017F;o kräftig &#x017F;ich aus&#x017F;pricht, daß &#x017F;ie zu gemein&#x017F;<lb/>
men <hi rendition="#g">freien</hi> Ent&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en zu be&#x017F;timmen vermag. Die&#x017F;e<lb/>
Macht der Individualität wird gerade nur in den ganz be¬<lb/>
&#x017F;onderen, be&#x017F;timmten Fällen auf die Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft wirken<lb/>
können, wo &#x017F;ie <hi rendition="#g">wirklich</hi>, nicht erkün&#x017F;telt, &#x017F;ich geltend zu<lb/>
machen weiß. Eröffnet ein kün&#x017F;tleri&#x017F;cher Geno&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eine<lb/>
Ab&#x017F;icht, die&#x017F;en einen Helden darzu&#x017F;tellen, und begehrt<lb/>
er hierzu die, &#x017F;eine Ab&#x017F;icht einzig ermöglichende, gemein¬<lb/>
&#x017F;ame Mitwirkung der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, &#x017F;o wird er &#x017F;einem<lb/>
Verlangen nicht eher ent&#x017F;prochen &#x017F;ehen, als bis es ihm ge¬<lb/>
lungen i&#x017F;t, die Liebe und Begei&#x017F;terung für &#x017F;ein Vorhaben zu<lb/>
erwecken, die ihn &#x017F;elb&#x017F;t beleben, und die er nur mitzuthei¬<lb/>
len vermag, wenn &#x017F;einer Individualität die dem be&#x017F;onderen<lb/>
Gegen&#x017F;tande ent&#x017F;prechende Kraft zu eigen i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Hat der Kün&#x017F;tler durch die Energie &#x017F;einer Begei&#x017F;te¬<lb/>
rung &#x017F;eine Ab&#x017F;icht zu einer <hi rendition="#g">gemein&#x017F;amen</hi> erhoben, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
von da an das kün&#x017F;tleri&#x017F;che Unternehmen <hi rendition="#g">ebenfalls ein<lb/>
gemein&#x017F;ames</hi>; wie aber die darzu&#x017F;tellende dramati&#x017F;che<lb/>
Handlung ihren Mittelpunkt in dem <hi rendition="#g">Helden</hi> die&#x017F;er Hand¬<lb/>
lung hat, &#x017F;o behält das gemein&#x017F;ame Kun&#x017F;twerk auch &#x017F;einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0228] beleben. Die Macht der Individualität wird ſich nie geltender machen als in der freien künſtleriſchen Genoſſen¬ ſchaft, weil die Anregung zu gemeinſamen Entſchlüſſen ge¬ rade nur von Demjenigen ausgehen kann, in dem die In¬ dividualität ſo kräftig ſich ausſpricht, daß ſie zu gemeinſa¬ men freien Entſchlüſſen zu beſtimmen vermag. Dieſe Macht der Individualität wird gerade nur in den ganz be¬ ſonderen, beſtimmten Fällen auf die Genoſſenſchaft wirken können, wo ſie wirklich, nicht erkünſtelt, ſich geltend zu machen weiß. Eröffnet ein künſtleriſcher Genoſſe ſeine Abſicht, dieſen einen Helden darzuſtellen, und begehrt er hierzu die, ſeine Abſicht einzig ermöglichende, gemein¬ ſame Mitwirkung der Genoſſenſchaft, ſo wird er ſeinem Verlangen nicht eher entſprochen ſehen, als bis es ihm ge¬ lungen iſt, die Liebe und Begeiſterung für ſein Vorhaben zu erwecken, die ihn ſelbſt beleben, und die er nur mitzuthei¬ len vermag, wenn ſeiner Individualität die dem beſonderen Gegenſtande entſprechende Kraft zu eigen iſt. Hat der Künſtler durch die Energie ſeiner Begeiſte¬ rung ſeine Abſicht zu einer gemeinſamen erhoben, ſo iſt von da an das künſtleriſche Unternehmen ebenfalls ein gemeinſames; wie aber die darzuſtellende dramatiſche Handlung ihren Mittelpunkt in dem Helden dieſer Hand¬ lung hat, ſo behält das gemeinſame Kunſtwerk auch ſeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/228
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/228>, abgerufen am 21.11.2024.