Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.eine nothwendige, die ganze Individualität seines Wesens Die freie künstlerische Geossenschaft ist daher *) Wie wir hierbei das tragische Element des Kunstwerkes
der Zukunft in seiner Entwickelung aus dem Leben und durch die künstlerische Genossenschaft berührt haben, so dürfen wir auf das komische Element desselben durch Umkehrung derjenigen Bedin¬ gungen schließen, welche das tragische als nothwendig zur Er¬ scheinung brachten. Der Held der Komödie wird der umgekehrte Held der Tragödie sein: Wie dieser als Communist, d. h. als Ein¬ zelner, der durch die Kraft seines Wesens aus innerer, freier Noth¬ wendigkeit in der Allgemeinheit aufgeht, sich unwillkürlich nur auf seine Umgebung und Gegensätze bezog, so wird jener als Egoist, als Feind der Allgemeinheit, sich dieser zu entziehen oder sie will¬ kürlich auf sich allein zu beziehen streben, in diesem Streben aber von der Allgemeinheit in den mannigfaltigsten und abwechselndsten Gestalten bekämpft, gedrängt und endlich besiegt werden. Der Egoist wird gezwungen in die Allgemeinheit aufgehen, diese daher die eigentliche handelnde, vielfache Person sein, die dem im¬ mer handelnwollenden, nie aber könnenden Egoisten so lange als willkürlich wechselnder Zufall erscheint, bis sie im gedrängtesten Kreise ihn umschließt, und er, ohne Luft zum weiteren eigensüchti¬ gen Athmen, seine letzte Rettung endlich nur in der unbedingtesten Anerkennung ihrer Nothwendigkeit ersieht. Die künstlerische Ge¬ nossenschaft, als Repräsentant der Allgemeinheit, wird somit in der Komödie einen noch unmittelbareren Antheil an der Dichtung selbst haben als in der Tragödie. eine nothwendige, die ganze Individualität ſeines Weſens Die freie künſtleriſche Geoſſenſchaft iſt daher *) Wie wir hierbei das tragiſche Element des Kunſtwerkes
der Zukunft in ſeiner Entwickelung aus dem Leben und durch die künſtleriſche Genoſſenſchaft berührt haben, ſo dürfen wir auf das komiſche Element deſſelben durch Umkehrung derjenigen Bedin¬ gungen ſchließen, welche das tragiſche als nothwendig zur Er¬ ſcheinung brachten. Der Held der Komödie wird der umgekehrte Held der Tragödie ſein: Wie dieſer als Communiſt, d. h. als Ein¬ zelner, der durch die Kraft ſeines Weſens aus innerer, freier Noth¬ wendigkeit in der Allgemeinheit aufgeht, ſich unwillkürlich nur auf ſeine Umgebung und Gegenſätze bezog, ſo wird jener als Egoiſt, als Feind der Allgemeinheit, ſich dieſer zu entziehen oder ſie will¬ kürlich auf ſich allein zu beziehen ſtreben, in dieſem Streben aber von der Allgemeinheit in den mannigfaltigſten und abwechſelndſten Geſtalten bekämpft, gedrängt und endlich beſiegt werden. Der Egoiſt wird gezwungen in die Allgemeinheit aufgehen, dieſe daher die eigentliche handelnde, vielfache Perſon ſein, die dem im¬ mer handelnwollenden, nie aber könnenden Egoiſten ſo lange als willkürlich wechſelnder Zufall erſcheint, bis ſie im gedrängteſten Kreiſe ihn umſchließt, und er, ohne Luft zum weiteren eigenſüchti¬ gen Athmen, ſeine letzte Rettung endlich nur in der unbedingteſten Anerkennung ihrer Nothwendigkeit erſieht. Die künſtleriſche Ge¬ noſſenſchaft, als Repräſentant der Allgemeinheit, wird ſomit in der Komödie einen noch unmittelbareren Antheil an der Dichtung ſelbſt haben als in der Tragödie. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0230" n="214"/> eine nothwendige, die ganze Individualität ſeines Weſens<lb/> verzehrende Handlung vollbringt. <note place="foot" n="*)"><p>Wie wir hierbei das <hi rendition="#g">tragiſche</hi> Element des Kunſtwerkes<lb/> der Zukunft in ſeiner Entwickelung aus dem Leben und durch die<lb/> künſtleriſche Genoſſenſchaft berührt haben, ſo dürfen wir auf das<lb/><hi rendition="#g">komiſche</hi> Element deſſelben durch Umkehrung derjenigen Bedin¬<lb/> gungen ſchließen, welche das tragiſche als <hi rendition="#g">noth</hi>wendig zur Er¬<lb/> ſcheinung brachten. Der Held der Komödie wird der umgekehrte<lb/> Held der Tragödie ſein: Wie dieſer als Communiſt, d. h. als Ein¬<lb/> zelner, der durch die Kraft ſeines Weſens aus innerer, freier Noth¬<lb/> wendigkeit in der Allgemeinheit aufgeht, ſich unwillkürlich nur auf<lb/> ſeine Umgebung und Gegenſätze bezog, ſo wird jener als Egoiſt,<lb/> als Feind der Allgemeinheit, ſich dieſer zu entziehen oder ſie will¬<lb/> kürlich auf ſich allein zu beziehen ſtreben, in dieſem Streben aber<lb/> von der Allgemeinheit in den mannigfaltigſten und abwechſelndſten<lb/> Geſtalten bekämpft, gedrängt und endlich beſiegt werden. Der<lb/> Egoiſt wird <hi rendition="#g">gezwungen</hi> in die Allgemeinheit aufgehen, <hi rendition="#g">dieſe</hi><lb/> daher die eigentliche handelnde, vielfache Perſon ſein, die dem im¬<lb/> mer handelnwollenden, nie aber könnenden Egoiſten ſo lange als<lb/> willkürlich wechſelnder Zufall erſcheint, bis ſie im gedrängteſten<lb/> Kreiſe ihn umſchließt, und er, ohne Luft zum weiteren eigenſüchti¬<lb/> gen Athmen, ſeine letzte Rettung endlich nur in der unbedingteſten<lb/> Anerkennung ihrer Nothwendigkeit erſieht. Die künſtleriſche Ge¬<lb/> noſſenſchaft, als Repräſentant der Allgemeinheit, wird ſomit in der<lb/> Komödie einen noch unmittelbareren Antheil an der Dichtung ſelbſt<lb/> haben als in der Tragödie.</p><lb/></note></p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">freie künſtleriſche Geoſſenſchaft</hi> iſt daher<lb/> der Grund und die Bedingung des Kunſtwerkes ſelbſt. Aus<lb/> ihr geht der <hi rendition="#g">Darſteller</hi> hervor, der in der Begeiſterung<lb/> an dieſem einen, ſeiner Individualität beſonders entſpre¬<lb/> chenden Helden, ſich bis zum <hi rendition="#g">Dichter</hi>, zum künſtleriſchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [214/0230]
eine nothwendige, die ganze Individualität ſeines Weſens
verzehrende Handlung vollbringt. *)
Die freie künſtleriſche Geoſſenſchaft iſt daher
der Grund und die Bedingung des Kunſtwerkes ſelbſt. Aus
ihr geht der Darſteller hervor, der in der Begeiſterung
an dieſem einen, ſeiner Individualität beſonders entſpre¬
chenden Helden, ſich bis zum Dichter, zum künſtleriſchen
*) Wie wir hierbei das tragiſche Element des Kunſtwerkes
der Zukunft in ſeiner Entwickelung aus dem Leben und durch die
künſtleriſche Genoſſenſchaft berührt haben, ſo dürfen wir auf das
komiſche Element deſſelben durch Umkehrung derjenigen Bedin¬
gungen ſchließen, welche das tragiſche als nothwendig zur Er¬
ſcheinung brachten. Der Held der Komödie wird der umgekehrte
Held der Tragödie ſein: Wie dieſer als Communiſt, d. h. als Ein¬
zelner, der durch die Kraft ſeines Weſens aus innerer, freier Noth¬
wendigkeit in der Allgemeinheit aufgeht, ſich unwillkürlich nur auf
ſeine Umgebung und Gegenſätze bezog, ſo wird jener als Egoiſt,
als Feind der Allgemeinheit, ſich dieſer zu entziehen oder ſie will¬
kürlich auf ſich allein zu beziehen ſtreben, in dieſem Streben aber
von der Allgemeinheit in den mannigfaltigſten und abwechſelndſten
Geſtalten bekämpft, gedrängt und endlich beſiegt werden. Der
Egoiſt wird gezwungen in die Allgemeinheit aufgehen, dieſe
daher die eigentliche handelnde, vielfache Perſon ſein, die dem im¬
mer handelnwollenden, nie aber könnenden Egoiſten ſo lange als
willkürlich wechſelnder Zufall erſcheint, bis ſie im gedrängteſten
Kreiſe ihn umſchließt, und er, ohne Luft zum weiteren eigenſüchti¬
gen Athmen, ſeine letzte Rettung endlich nur in der unbedingteſten
Anerkennung ihrer Nothwendigkeit erſieht. Die künſtleriſche Ge¬
noſſenſchaft, als Repräſentant der Allgemeinheit, wird ſomit in der
Komödie einen noch unmittelbareren Antheil an der Dichtung ſelbſt
haben als in der Tragödie.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |