Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

da muß eben auch der ganze, vollkommene Mensch beisam¬
men sein, und dies ist der mit dem Leibes- und Herzens¬
menschen in innigster, durchdringendster Liebe vereinigte
Verstandesmensch, -- keiner aber für sich allein. --

Der Fortschritt des äußeren Leibesmenschen, durch
den Gefühlsmenschen zum Verstandesmenschen, ist der einer
immer vermehrten Vermittelung des Verstandesmenschen, wie
sein Ausdrucksorgan -- die Sprache, der allervermitteltste
und abhängigste, denn alle unter ihm liegenden Qualitäten
müssen normal entwickelt sein, ehe die Bedingungen seiner
normalen Qualität vorhanden sind. Die bedingteste Fähig¬
keit ist zugleich aber die gesteigertste, und die, auf die Er¬
kenntniß seiner höheren, unüberbotenen Qualität begrün¬
dete Freude an sich, verführt den Verstandesmenschen zu
dem hochmüthigen Wähnen, die Qualitäten, die ihm
Grundlage sind, als Dienerinnen seiner Willkür verwenden
zu dürfen. Diesen Hochmuth besiegt aber die Allgewalt der
sinnlichen Empfindung und des Herzensgefühles, sobald sie
als allen Menschen gemeinsame, als Empfindungen und
Gefühle der Gattung, dem Verstandesmenschen sich kund¬
geben. Die einzelne Empfindung, das einzelne Gefühl,
wie sie in ihm als Individuum durch diese eine, besondere
und persönliche Berührung mit diesem einen, besonderen
und persönlichen Gegenstande, sich zeigen, vermag er zu
Gunsten einer von ihm begriffenen, reicheren Combination

da muß eben auch der ganze, vollkommene Menſch beiſam¬
men ſein, und dies iſt der mit dem Leibes- und Herzens¬
menſchen in innigſter, durchdringendſter Liebe vereinigte
Verſtandesmenſch, — keiner aber für ſich allein. —

Der Fortſchritt des äußeren Leibesmenſchen, durch
den Gefühlsmenſchen zum Verſtandesmenſchen, iſt der einer
immer vermehrten Vermittelung des Verſtandesmenſchen, wie
ſein Ausdrucksorgan — die Sprache, der allervermitteltſte
und abhängigſte, denn alle unter ihm liegenden Qualitäten
müſſen normal entwickelt ſein, ehe die Bedingungen ſeiner
normalen Qualität vorhanden ſind. Die bedingteſte Fähig¬
keit iſt zugleich aber die geſteigertſte, und die, auf die Er¬
kenntniß ſeiner höheren, unüberbotenen Qualität begrün¬
dete Freude an ſich, verführt den Verſtandesmenſchen zu
dem hochmüthigen Wähnen, die Qualitäten, die ihm
Grundlage ſind, als Dienerinnen ſeiner Willkür verwenden
zu dürfen. Dieſen Hochmuth beſiegt aber die Allgewalt der
ſinnlichen Empfindung und des Herzensgefühles, ſobald ſie
als allen Menſchen gemeinſame, als Empfindungen und
Gefühle der Gattung, dem Verſtandesmenſchen ſich kund¬
geben. Die einzelne Empfindung, das einzelne Gefühl,
wie ſie in ihm als Individuum durch dieſe eine, beſondere
und perſönliche Berührung mit dieſem einen, beſonderen
und perſönlichen Gegenſtande, ſich zeigen, vermag er zu
Gunſten einer von ihm begriffenen, reicheren Combination

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0058" n="42"/>
da muß eben auch der ganze, vollkommene Men&#x017F;ch bei&#x017F;am¬<lb/>
men &#x017F;ein, und dies i&#x017F;t der mit dem Leibes- und Herzens¬<lb/>
men&#x017F;chen in innig&#x017F;ter, durchdringend&#x017F;ter Liebe vereinigte<lb/>
Ver&#x017F;tandesmen&#x017F;ch, &#x2014; keiner aber für &#x017F;ich allein. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der Fort&#x017F;chritt des äußeren Leibesmen&#x017F;chen, durch<lb/>
den Gefühlsmen&#x017F;chen zum Ver&#x017F;tandesmen&#x017F;chen, i&#x017F;t der einer<lb/>
immer vermehrten Vermittelung des Ver&#x017F;tandesmen&#x017F;chen, wie<lb/>
&#x017F;ein Ausdrucksorgan &#x2014; die Sprache, der allervermittelt&#x017F;te<lb/>
und abhängig&#x017F;te, denn alle unter ihm liegenden Qualitäten<lb/>&#x017F;&#x017F;en normal entwickelt &#x017F;ein, ehe die Bedingungen &#x017F;einer<lb/>
normalen Qualität vorhanden &#x017F;ind. Die bedingte&#x017F;te Fähig¬<lb/>
keit i&#x017F;t zugleich aber die ge&#x017F;teigert&#x017F;te, und die, auf die Er¬<lb/>
kenntniß &#x017F;einer höheren, unüberbotenen Qualität begrün¬<lb/>
dete Freude an &#x017F;ich, verführt den Ver&#x017F;tandesmen&#x017F;chen zu<lb/>
dem hochmüthigen Wähnen, die Qualitäten, die ihm<lb/>
Grundlage &#x017F;ind, als Dienerinnen &#x017F;einer Willkür verwenden<lb/>
zu dürfen. Die&#x017F;en Hochmuth be&#x017F;iegt aber die Allgewalt der<lb/>
&#x017F;innlichen Empfindung und des Herzensgefühles, &#x017F;obald &#x017F;ie<lb/>
als allen Men&#x017F;chen gemein&#x017F;ame, als Empfindungen und<lb/>
Gefühle der Gattung, dem Ver&#x017F;tandesmen&#x017F;chen &#x017F;ich kund¬<lb/>
geben. Die einzelne Empfindung, das einzelne Gefühl,<lb/>
wie &#x017F;ie in ihm als Individuum durch die&#x017F;e eine, be&#x017F;ondere<lb/>
und per&#x017F;önliche Berührung mit die&#x017F;em einen, be&#x017F;onderen<lb/>
und per&#x017F;önlichen Gegen&#x017F;tande, &#x017F;ich zeigen, vermag er zu<lb/>
Gun&#x017F;ten einer von ihm begriffenen, reicheren Combination<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0058] da muß eben auch der ganze, vollkommene Menſch beiſam¬ men ſein, und dies iſt der mit dem Leibes- und Herzens¬ menſchen in innigſter, durchdringendſter Liebe vereinigte Verſtandesmenſch, — keiner aber für ſich allein. — Der Fortſchritt des äußeren Leibesmenſchen, durch den Gefühlsmenſchen zum Verſtandesmenſchen, iſt der einer immer vermehrten Vermittelung des Verſtandesmenſchen, wie ſein Ausdrucksorgan — die Sprache, der allervermitteltſte und abhängigſte, denn alle unter ihm liegenden Qualitäten müſſen normal entwickelt ſein, ehe die Bedingungen ſeiner normalen Qualität vorhanden ſind. Die bedingteſte Fähig¬ keit iſt zugleich aber die geſteigertſte, und die, auf die Er¬ kenntniß ſeiner höheren, unüberbotenen Qualität begrün¬ dete Freude an ſich, verführt den Verſtandesmenſchen zu dem hochmüthigen Wähnen, die Qualitäten, die ihm Grundlage ſind, als Dienerinnen ſeiner Willkür verwenden zu dürfen. Dieſen Hochmuth beſiegt aber die Allgewalt der ſinnlichen Empfindung und des Herzensgefühles, ſobald ſie als allen Menſchen gemeinſame, als Empfindungen und Gefühle der Gattung, dem Verſtandesmenſchen ſich kund¬ geben. Die einzelne Empfindung, das einzelne Gefühl, wie ſie in ihm als Individuum durch dieſe eine, beſondere und perſönliche Berührung mit dieſem einen, beſonderen und perſönlichen Gegenſtande, ſich zeigen, vermag er zu Gunſten einer von ihm begriffenen, reicheren Combination

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/58
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/58>, abgerufen am 09.11.2024.