Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Ausdehnung des Tonstückes überhaupt, zu geben oder zu War die schrankensetzende Macht der Sprache ver¬ Ausdehnung des Tonſtückes überhaupt, zu geben oder zu War die ſchrankenſetzende Macht der Sprache ver¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0095" n="79"/> Ausdehnung des Tonſtückes überhaupt, zu geben oder zu<lb/> bedingen, vermögen die unzähligen Anſtandsregeln der<lb/> Harmonie aber nicht; ſie können, als wiſſenſchaftlich lehr-<lb/> und erlernbarer Theil der Tonkunſt, die flüßige Ton¬<lb/> maſſe der Harmonie ſondern und zu begränzten Körpern<lb/> abſcheiden, nicht aber das zeitliche Maß dieſer begränzten<lb/> Maſſen beſtimmen.</p><lb/> <p>War die ſchrankenſetzende Macht der Sprache ver¬<lb/> ſchlungen, und konnte die zur Harmonie gewordene Ton¬<lb/> kunſt unmöglich auch noch ihr zeitlich maßgebendes Geſetz<lb/> aus ſich finden, ſo mußte ſie ſich an den Reſt des, von der<lb/> Tanzkunſt ihr übrig gelaſſenen, rhythmiſchen Taktes wen¬<lb/> den; rhythmiſche Figuren mußten die Harmonie beleben;<lb/> ihr Wechſel, ihre Wiederkehr, ihre Trennung und Vereini¬<lb/> gung, mußten die flüſſige Breite der Harmonie; — wie<lb/> urſprünglich das Wort den Ton, verdichten und zum<lb/> zeitlich ſichren Abſchluß bringen. Eine innere, nach rein<lb/> menſchlicher Darſtellung verlangende Nothwendigkeit lag<lb/> dieſer rhythmiſchen Belebung aber nicht zum Grunde;<lb/> nicht der fühlende, denkende und wollende Menſch, wie er<lb/> durch Sprache und Leibesbewegung ſich kundgiebt, war<lb/> ihre treibende Kraft, — ſondern eine in ſich aufgenom¬<lb/> mene <hi rendition="#g">äußere</hi> Nothwendigkeit der nach egoiſtiſchem Ab¬<lb/> ſchluß verlangenden Harmonie. Dieſes rhythmiſche Wech¬<lb/> ſeln und Geſtalten, das ſich nicht nach innerer Nothwen¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0095]
Ausdehnung des Tonſtückes überhaupt, zu geben oder zu
bedingen, vermögen die unzähligen Anſtandsregeln der
Harmonie aber nicht; ſie können, als wiſſenſchaftlich lehr-
und erlernbarer Theil der Tonkunſt, die flüßige Ton¬
maſſe der Harmonie ſondern und zu begränzten Körpern
abſcheiden, nicht aber das zeitliche Maß dieſer begränzten
Maſſen beſtimmen.
War die ſchrankenſetzende Macht der Sprache ver¬
ſchlungen, und konnte die zur Harmonie gewordene Ton¬
kunſt unmöglich auch noch ihr zeitlich maßgebendes Geſetz
aus ſich finden, ſo mußte ſie ſich an den Reſt des, von der
Tanzkunſt ihr übrig gelaſſenen, rhythmiſchen Taktes wen¬
den; rhythmiſche Figuren mußten die Harmonie beleben;
ihr Wechſel, ihre Wiederkehr, ihre Trennung und Vereini¬
gung, mußten die flüſſige Breite der Harmonie; — wie
urſprünglich das Wort den Ton, verdichten und zum
zeitlich ſichren Abſchluß bringen. Eine innere, nach rein
menſchlicher Darſtellung verlangende Nothwendigkeit lag
dieſer rhythmiſchen Belebung aber nicht zum Grunde;
nicht der fühlende, denkende und wollende Menſch, wie er
durch Sprache und Leibesbewegung ſich kundgiebt, war
ihre treibende Kraft, — ſondern eine in ſich aufgenom¬
mene äußere Nothwendigkeit der nach egoiſtiſchem Ab¬
ſchluß verlangenden Harmonie. Dieſes rhythmiſche Wech¬
ſeln und Geſtalten, das ſich nicht nach innerer Nothwen¬
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