Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.Flamme der Religion. Aus ihr trat, wie geläu- Nahe bey ihm war ein Myrthengebüsch. Ein Flamme der Religion. Aus ihr trat, wie gelaͤu- Nahe bey ihm war ein Myrthengebuͤſch. Ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0156" n="146"/> Flamme der Religion. Aus ihr trat, wie gelaͤu-<lb/> tert, hervor ein Mann, in himmelblauem Gewan-<lb/> de. Jn ſeinem Antlitz kuͤßten ſich, wie Braͤutigam<lb/> und Braut, der Ernſt und die Sanftmuth, die<lb/> Wuͤrde und das Gefuͤhl, die Hoheit und die Liebe,<lb/> die Kraft und die Anmuth, und wie Lilien bluͤhte<lb/> darin der Geiſt der Reinheit und der Ahnung der<lb/> Gottheit in ihrer hoͤchſten Fuͤlle. Sein ganzes We-<lb/> ſen war Harmonie und Ruhe. Er war ein Greis,<lb/> aber jugendliche Schoͤne ſchwebte noch in den edeln,<lb/> wuͤrdig milden Zuͤgen. Er trat vor einen Altar<lb/> und kniete nieder, und betet’ an die alten Geſetze,<lb/> die ewigen, aͤthergeborenen, in denen der Gottheit<lb/> nie alterndes Weſen wohnt, und blickte mit einem<lb/> Antlitz voll anbetender Liebe, voll frommen ſeligen<lb/> Vertrauens empor zu dem Geiſte der Welt. Es<lb/> war Sophocles.</p><lb/> <p>Nahe bey ihm war ein Myrthengebuͤſch. Ein<lb/> Duft von Salben, Blumen, Raͤuchereyen ſtroͤhmte<lb/> mir entgegen. Zugleich vernahm ich den Klang<lb/> einer Floͤte, und ein laut-frohlockend Rufen, ein<lb/> bacchantiſch Getuͤmmel. Es theilte ſich der Myr-<lb/> thenbuſch. Ein Mann lag auf einem gruͤnen Ra-<lb/> ſen in den Armen einer Floͤtenſpielerinn. Ein<lb/> Kranz von Epheu und Violen und feſtlich ſchmucke<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0156]
Flamme der Religion. Aus ihr trat, wie gelaͤu-
tert, hervor ein Mann, in himmelblauem Gewan-
de. Jn ſeinem Antlitz kuͤßten ſich, wie Braͤutigam
und Braut, der Ernſt und die Sanftmuth, die
Wuͤrde und das Gefuͤhl, die Hoheit und die Liebe,
die Kraft und die Anmuth, und wie Lilien bluͤhte
darin der Geiſt der Reinheit und der Ahnung der
Gottheit in ihrer hoͤchſten Fuͤlle. Sein ganzes We-
ſen war Harmonie und Ruhe. Er war ein Greis,
aber jugendliche Schoͤne ſchwebte noch in den edeln,
wuͤrdig milden Zuͤgen. Er trat vor einen Altar
und kniete nieder, und betet’ an die alten Geſetze,
die ewigen, aͤthergeborenen, in denen der Gottheit
nie alterndes Weſen wohnt, und blickte mit einem
Antlitz voll anbetender Liebe, voll frommen ſeligen
Vertrauens empor zu dem Geiſte der Welt. Es
war Sophocles.
Nahe bey ihm war ein Myrthengebuͤſch. Ein
Duft von Salben, Blumen, Raͤuchereyen ſtroͤhmte
mir entgegen. Zugleich vernahm ich den Klang
einer Floͤte, und ein laut-frohlockend Rufen, ein
bacchantiſch Getuͤmmel. Es theilte ſich der Myr-
thenbuſch. Ein Mann lag auf einem gruͤnen Ra-
ſen in den Armen einer Floͤtenſpielerinn. Ein
Kranz von Epheu und Violen und feſtlich ſchmucke
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