Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.Die Flamme des Aeschylos schlug gewaltsam Und plötzlich sah ich über den Dreyen einen Die Flamme des Aeſchylos ſchlug gewaltſam Und ploͤtzlich ſah ich uͤber den Dreyen einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0158" n="148"/> <p>Die Flamme des Aeſchylos ſchlug gewaltſam<lb/> auf vom Felſenaltar in lodernder, dunkelrother<lb/> Saͤule: die Flamme des Sophocles ſchwebte in<lb/> milchweißer Klarheit empor, wie ein ausgehauchtes<lb/> Sehnen unſerer Bruſt: die Flamme des Ariſtofanes<lb/> flatterte knatternd in die Luͤfte, und duftete von ſuͤß-<lb/> er Geruchesfuͤlle.</p><lb/> <p>Und ploͤtzlich ſah ich uͤber den Dreyen einen<lb/> Wagen ſchweben auf einer Wolke. Amarynthen, die<lb/> Blumen der Unſterblichkeit, hiengen in ſchwellenden<lb/> Kraͤnzen um ihn. Unendliche Fuͤlle des erhabenen<lb/> Geſichts! Anbetend ſank ich nieder. Ein wunderbar-<lb/> er Mann ſtand auf dem Wagen, wie ein Licht-<lb/> geiſt, deſſen Koͤrper zart gewebt war wie Aether,<lb/> und um und um eine Huͤlle trug von unzaͤhligen<lb/> Fluͤgeln. Um ſein Haupt bewegten ſich dreymal<lb/> drey Sterne, aber der reinſte, klarſte, der Stern<lb/> der Weisheit und der Schoͤnheit, brannte, wie eine<lb/> Sonne, uͤber ſeiner Stirne. Zwey Roſſe lenkte<lb/> der befluͤgelte Mann an ſeinem Wagen: weiß war<lb/> das eine, wie friſcher Schnee im Glanz der Sonne,<lb/> mit ſchwarzen Augen; ſein ſchlanker Hals war ge-<lb/> bogen, wie der Hals eines Schwanen, er war zart<lb/> und voll zuͤchtiger Schaam, und ſtrebte nach oben.<lb/> Aber neben ihm flog ein ſchwarzes Roß, von haͤß-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0158]
Die Flamme des Aeſchylos ſchlug gewaltſam
auf vom Felſenaltar in lodernder, dunkelrother
Saͤule: die Flamme des Sophocles ſchwebte in
milchweißer Klarheit empor, wie ein ausgehauchtes
Sehnen unſerer Bruſt: die Flamme des Ariſtofanes
flatterte knatternd in die Luͤfte, und duftete von ſuͤß-
er Geruchesfuͤlle.
Und ploͤtzlich ſah ich uͤber den Dreyen einen
Wagen ſchweben auf einer Wolke. Amarynthen, die
Blumen der Unſterblichkeit, hiengen in ſchwellenden
Kraͤnzen um ihn. Unendliche Fuͤlle des erhabenen
Geſichts! Anbetend ſank ich nieder. Ein wunderbar-
er Mann ſtand auf dem Wagen, wie ein Licht-
geiſt, deſſen Koͤrper zart gewebt war wie Aether,
und um und um eine Huͤlle trug von unzaͤhligen
Fluͤgeln. Um ſein Haupt bewegten ſich dreymal
drey Sterne, aber der reinſte, klarſte, der Stern
der Weisheit und der Schoͤnheit, brannte, wie eine
Sonne, uͤber ſeiner Stirne. Zwey Roſſe lenkte
der befluͤgelte Mann an ſeinem Wagen: weiß war
das eine, wie friſcher Schnee im Glanz der Sonne,
mit ſchwarzen Augen; ſein ſchlanker Hals war ge-
bogen, wie der Hals eines Schwanen, er war zart
und voll zuͤchtiger Schaam, und ſtrebte nach oben.
Aber neben ihm flog ein ſchwarzes Roß, von haͤß-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |