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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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der Nähe. Jch sprang an's Fenster. Er kam und
hielt vor meinem Hüttchen. Jch wußt' es, wer es
war. Jch sprang hinaus zur Thüre, meine Seele
war umnebelt von einer niegefühlten Ahnung, wie
die grauen Berge, wann die letzten Schatten der
Nacht um ihre Stirne schweben.

Jch stand an dem Wagen. Ach Theodor! soll
ich da nicht eine Lücke lassen? Nur mein Auge
könnt' es dir sagen, wenn du bey mir wärest.

Eine Frau schwang sich heraus von schlankem
hohem Wuchs, wie eine Juno. Ein langer weißer
Schleyer floß wie zarte Luft von ihrem Haupt
herunter. Jhr erster Anblick forderte Verehrung.
Jhr folgte eine weiße Gestalt. Die Zarte zitterte
und Caton hob sie schüchtern herab.

Gott! mich überlief's!

Theodor! ich kann's nicht schildern. Erlaß mir
alle Worte: ich kann's nicht schildern. Die höchste
Schönheit läßt sich nicht beschreiben, die höchste
Schönheit fühlt man nur.

Wer nie noch die Natur gesehen im Morgen-
glanz ihrer himmlischen Schöne, und nun zumal

der Naͤhe. Jch ſprang an’s Fenſter. Er kam und
hielt vor meinem Huͤttchen. Jch wußt’ es, wer es
war. Jch ſprang hinaus zur Thuͤre, meine Seele
war umnebelt von einer niegefuͤhlten Ahnung, wie
die grauen Berge, wann die letzten Schatten der
Nacht um ihre Stirne ſchweben.

Jch ſtand an dem Wagen. Ach Theodor! ſoll
ich da nicht eine Luͤcke laſſen? Nur mein Auge
koͤnnt’ es dir ſagen, wenn du bey mir waͤreſt.

Eine Frau ſchwang ſich heraus von ſchlankem
hohem Wuchs, wie eine Juno. Ein langer weißer
Schleyer floß wie zarte Luft von ihrem Haupt
herunter. Jhr erſter Anblick forderte Verehrung.
Jhr folgte eine weiße Geſtalt. Die Zarte zitterte
und Caton hob ſie ſchuͤchtern herab.

Gott! mich uͤberlief’s!

Theodor! ich kann’s nicht ſchildern. Erlaß mir
alle Worte: ich kann’s nicht ſchildern. Die hoͤchſte
Schoͤnheit laͤßt ſich nicht beſchreiben, die hoͤchſte
Schoͤnheit fuͤhlt man nur.

Wer nie noch die Natur geſehen im Morgen-
glanz ihrer himmliſchen Schoͤne, und nun zumal

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[58/0068] der Naͤhe. Jch ſprang an’s Fenſter. Er kam und hielt vor meinem Huͤttchen. Jch wußt’ es, wer es war. Jch ſprang hinaus zur Thuͤre, meine Seele war umnebelt von einer niegefuͤhlten Ahnung, wie die grauen Berge, wann die letzten Schatten der Nacht um ihre Stirne ſchweben. Jch ſtand an dem Wagen. Ach Theodor! ſoll ich da nicht eine Luͤcke laſſen? Nur mein Auge koͤnnt’ es dir ſagen, wenn du bey mir waͤreſt. Eine Frau ſchwang ſich heraus von ſchlankem hohem Wuchs, wie eine Juno. Ein langer weißer Schleyer floß wie zarte Luft von ihrem Haupt herunter. Jhr erſter Anblick forderte Verehrung. Jhr folgte eine weiße Geſtalt. Die Zarte zitterte und Caton hob ſie ſchuͤchtern herab. Gott! mich uͤberlief’s! Theodor! ich kann’s nicht ſchildern. Erlaß mir alle Worte: ich kann’s nicht ſchildern. Die hoͤchſte Schoͤnheit laͤßt ſich nicht beſchreiben, die hoͤchſte Schoͤnheit fuͤhlt man nur. Wer nie noch die Natur geſehen im Morgen- glanz ihrer himmliſchen Schoͤne, und nun zumal

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/68>, abgerufen am 14.05.2024.