Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.Mensch aufschauen und sagen: so will ich auch Giebt es auf Erden ein Maaß? Es giebt 'kei Menſch aufſchauen und ſagen: ſo will ich auch Giebt es auf Erden ein Maaß? Es giebt ’kei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0154" n="154"/> Menſch aufſchauen und ſagen: ſo will ich auch<lb/> ſeyn? Ja. So lange die Freundlichkeit noch am<lb/> Herzen, die Reine, dauert, miſſet nicht ungluͤcklich<lb/> der Menſch ſich mit der Gottheit. Jſt unbekannt<lb/> Gott? Jſt er offenbar wie der Himmel? dieſes<lb/> glaub’ ich eher. Des Menſchen Maaß iſt’s. Voll<lb/> Verdienſt, doch dichteriſch, wohnet der Menſch auf<lb/> dieſer Erde. Doch reiner iſt nicht der Schatten<lb/> der Nacht mit den Sternen, wenn ich ſo ſagen<lb/> koͤnnte, als der Menſch, der heißet ein Bild der<lb/> Gottheit.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Giebt es auf Erden ein Maaß? Es giebt ’kei<lb/> nes. Naͤmlich es hemmen den Donnergang nie die<lb/> Welten des Schoͤpfers. Auch eine Blume iſt ſchoͤn,<lb/> weil ſie bluͤhet unter der Sonne. Es findet das<lb/> Aug’ oft im Leben Weſen, die viel ſchoͤner noch zu<lb/> nennen waͤren als die Blumen. O! ich weiß das<lb/> wohl! Denn zu bluten an Geſtalt und Herz, und<lb/> ganz nicht mehr zu ſeyn, gefaͤllt das Gott? Die<lb/> Seele aber, wie ich glaube, muß rein bleiben,<lb/> ſonſt reicht an das Maͤchtige auf Fittigen der Adler<lb/> mit lobendem Geſange und der Stimme ſo vieler<lb/> Voͤgel. Es iſt die Weſenheit, die Geſtalt iſt’s.<lb/> Du ſchoͤnes Baͤchlein, du ſcheineſt ruͤhrend, indem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [154/0154]
Menſch aufſchauen und ſagen: ſo will ich auch
ſeyn? Ja. So lange die Freundlichkeit noch am
Herzen, die Reine, dauert, miſſet nicht ungluͤcklich
der Menſch ſich mit der Gottheit. Jſt unbekannt
Gott? Jſt er offenbar wie der Himmel? dieſes
glaub’ ich eher. Des Menſchen Maaß iſt’s. Voll
Verdienſt, doch dichteriſch, wohnet der Menſch auf
dieſer Erde. Doch reiner iſt nicht der Schatten
der Nacht mit den Sternen, wenn ich ſo ſagen
koͤnnte, als der Menſch, der heißet ein Bild der
Gottheit.
Giebt es auf Erden ein Maaß? Es giebt ’kei
nes. Naͤmlich es hemmen den Donnergang nie die
Welten des Schoͤpfers. Auch eine Blume iſt ſchoͤn,
weil ſie bluͤhet unter der Sonne. Es findet das
Aug’ oft im Leben Weſen, die viel ſchoͤner noch zu
nennen waͤren als die Blumen. O! ich weiß das
wohl! Denn zu bluten an Geſtalt und Herz, und
ganz nicht mehr zu ſeyn, gefaͤllt das Gott? Die
Seele aber, wie ich glaube, muß rein bleiben,
ſonſt reicht an das Maͤchtige auf Fittigen der Adler
mit lobendem Geſange und der Stimme ſo vieler
Voͤgel. Es iſt die Weſenheit, die Geſtalt iſt’s.
Du ſchoͤnes Baͤchlein, du ſcheineſt ruͤhrend, indem
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