Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch dachte bey mir selbst: welche Verwegenheit
macht dich so unglücklich? Ein Abbild der höchsten
Schönheit hast du erkannt in ihr und du denkst an
irdischen Besitz?

Da erinnert' ich mich an alle jene Stunden, wo
ihr Herz sich mir geöffnet, wo sie mein war, ganz
sich mir gab, in mich verschwamm, mich küsste.

Und dieses heisse Herz in meinem Busen ...
dieses Verlangen, und doch diß Versagen ....
diese Sehnsucht und doch diese Treue ....
o alles, alles webte zusammen; ein unendlich tiefes
Selbstvertrauen stärkte meine Seele!

Jetzt hört' ich ferne den Klang einer Laute, und
leise verhallende Stimmen klangen durch die Wellen
der Lüfte.

Auf die drey Säulen gieng ich zu: stille schob ich
die Rosengebüsche von einander und ... Atalanta
saß auf einem Trümmer, die Laute in der Hand,
ihr gegenüber Caton, die Arme stützend auf das Knie.

Der Säulen eine barg mich ihrem Auge. Es
herrschte eine fürchterliche Stille. Da liefen ihre
Finger wieder durch die Saiten: sie sang:

Jch dachte bey mir ſelbſt: welche Verwegenheit
macht dich ſo ungluͤcklich? Ein Abbild der hoͤchſten
Schoͤnheit haſt du erkannt in ihr und du denkſt an
irdiſchen Beſitz?

Da erinnert’ ich mich an alle jene Stunden, wo
ihr Herz ſich mir geoͤffnet, wo ſie mein war, ganz
ſich mir gab, in mich verſchwamm, mich kuͤſſte.

Und dieſes heiſſe Herz in meinem Buſen …
dieſes Verlangen, und doch diß Verſagen ....
dieſe Sehnſucht und doch dieſe Treue ....
o alles, alles webte zuſammen; ein unendlich tiefes
Selbſtvertrauen ſtaͤrkte meine Seele!

Jetzt hoͤrt’ ich ferne den Klang einer Laute, und
leiſe verhallende Stimmen klangen durch die Wellen
der Luͤfte.

Auf die drey Saͤulen gieng ich zu: ſtille ſchob ich
die Roſengebuͤſche von einander und … Atalanta
ſaß auf einem Truͤmmer, die Laute in der Hand,
ihr gegenuͤber Caton, die Arme ſtuͤtzend auf das Knie.

Der Saͤulen eine barg mich ihrem Auge. Es
herrſchte eine fuͤrchterliche Stille. Da liefen ihre
Finger wieder durch die Saiten: ſie ſang:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0005" n="5"/>
        <p>Jch dachte bey mir &#x017F;elb&#x017F;t: welche Verwegenheit<lb/>
macht dich &#x017F;o unglu&#x0364;cklich? Ein Abbild der ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Scho&#x0364;nheit ha&#x017F;t du erkannt in ihr und du denk&#x017F;t an<lb/>
irdi&#x017F;chen Be&#x017F;itz?</p><lb/>
        <p>Da erinnert&#x2019; ich mich an alle jene Stunden, wo<lb/>
ihr Herz &#x017F;ich mir geo&#x0364;ffnet, wo &#x017F;ie mein war, ganz<lb/>
&#x017F;ich mir gab, in mich ver&#x017F;chwamm, mich ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;te.</p><lb/>
        <p>Und die&#x017F;es hei&#x017F;&#x017F;e Herz in meinem Bu&#x017F;en &#x2026;<lb/>
die&#x017F;es Verlangen, und doch diß Ver&#x017F;agen ....<lb/>
die&#x017F;e Sehn&#x017F;ucht und doch die&#x017F;e Treue ....<lb/>
o alles, alles webte zu&#x017F;ammen; ein unendlich tiefes<lb/>
Selb&#x017F;tvertrauen &#x017F;ta&#x0364;rkte meine Seele!</p><lb/>
        <p>Jetzt ho&#x0364;rt&#x2019; ich ferne den Klang einer Laute, und<lb/>
lei&#x017F;e verhallende Stimmen klangen durch die Wellen<lb/>
der Lu&#x0364;fte.</p><lb/>
        <p>Auf die drey Sa&#x0364;ulen gieng ich zu: &#x017F;tille &#x017F;chob ich<lb/>
die Ro&#x017F;engebu&#x0364;&#x017F;che von einander und &#x2026; Atalanta<lb/>
&#x017F;aß auf einem Tru&#x0364;mmer, die Laute in der Hand,<lb/>
ihr gegenu&#x0364;ber Caton, die Arme &#x017F;tu&#x0364;tzend auf das Knie.</p><lb/>
        <p>Der Sa&#x0364;ulen eine barg mich ihrem Auge. Es<lb/>
herr&#x017F;chte eine fu&#x0364;rchterliche Stille. Da liefen ihre<lb/>
Finger wieder durch die Saiten: &#x017F;ie &#x017F;ang:</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0005] Jch dachte bey mir ſelbſt: welche Verwegenheit macht dich ſo ungluͤcklich? Ein Abbild der hoͤchſten Schoͤnheit haſt du erkannt in ihr und du denkſt an irdiſchen Beſitz? Da erinnert’ ich mich an alle jene Stunden, wo ihr Herz ſich mir geoͤffnet, wo ſie mein war, ganz ſich mir gab, in mich verſchwamm, mich kuͤſſte. Und dieſes heiſſe Herz in meinem Buſen … dieſes Verlangen, und doch diß Verſagen .... dieſe Sehnſucht und doch dieſe Treue .... o alles, alles webte zuſammen; ein unendlich tiefes Selbſtvertrauen ſtaͤrkte meine Seele! Jetzt hoͤrt’ ich ferne den Klang einer Laute, und leiſe verhallende Stimmen klangen durch die Wellen der Luͤfte. Auf die drey Saͤulen gieng ich zu: ſtille ſchob ich die Roſengebuͤſche von einander und … Atalanta ſaß auf einem Truͤmmer, die Laute in der Hand, ihr gegenuͤber Caton, die Arme ſtuͤtzend auf das Knie. Der Saͤulen eine barg mich ihrem Auge. Es herrſchte eine fuͤrchterliche Stille. Da liefen ihre Finger wieder durch die Saiten: ſie ſang:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/5
Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/5>, abgerufen am 21.11.2024.