Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.wenn unser Auge sich trifft und unser Verlangen Wir müssen uns trennen, Geliebter. Aber wenn unſer Auge ſich trifft und unſer Verlangen Wir muͤſſen uns trennen, Geliebter. Aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="74"/> wenn unſer Auge ſich trifft und unſer Verlangen<lb/> ſich ſtillt: Dann ahnen wir ihn nicht mehr: wir<lb/> ſehen ihn in ſeinem innigſten, gluͤhendſten Weben.<lb/> Er iſt’s, wenn unſere Lippen im Kuß an einander<lb/> beben, er iſt der Kuß ſelbſt. Er iſt die Thraͤne,<lb/> die in unſerm Auge zittert, wann wir fuͤhlen, wie<lb/> wir uns lieben.</p><lb/> <p>Wir muͤſſen uns trennen, Geliebter. Aber<lb/> wir lieben uns ja in Gott: wir finden uns auch<lb/> wieder in ihm. Darum iſt unſere Trennung nur<lb/> ſcheinbar, wir ſind ewig in einander, ewig Eins,<lb/> wir ſind Eins in Gott! Wenn du des Nachts durch<lb/> die ſchweigenden Fluren wandelſt und den Mond<lb/> am Himmel blinken ſieheſt, und die heilige Stille<lb/> dich umwaltet, dann denk’, auch ihr Auge blickt ja<lb/> empor, voll Thraͤnen, auch um ihre Lippen ſpielt<lb/> ſein beſcheidenes Licht, wie um die deinigen: dann<lb/> wirſt du mich finden im Licht des Mondes: wir<lb/> werden Eins ſeyn in ihm: unſer Sehnen wird ſich<lb/> kuͤhlen und ſtillen in ihm, und du wirſt deine Liebe<lb/> erkennen im Geiſte der Natur, die um dich liegt,<lb/> zu der ich gehoͤre, wie du, und du wirſt dann ſtille<lb/> werden und die Thraͤnen trocknen und glauben, ich<lb/> lieg’ an deinem Buſen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [74/0074]
wenn unſer Auge ſich trifft und unſer Verlangen
ſich ſtillt: Dann ahnen wir ihn nicht mehr: wir
ſehen ihn in ſeinem innigſten, gluͤhendſten Weben.
Er iſt’s, wenn unſere Lippen im Kuß an einander
beben, er iſt der Kuß ſelbſt. Er iſt die Thraͤne,
die in unſerm Auge zittert, wann wir fuͤhlen, wie
wir uns lieben.
Wir muͤſſen uns trennen, Geliebter. Aber
wir lieben uns ja in Gott: wir finden uns auch
wieder in ihm. Darum iſt unſere Trennung nur
ſcheinbar, wir ſind ewig in einander, ewig Eins,
wir ſind Eins in Gott! Wenn du des Nachts durch
die ſchweigenden Fluren wandelſt und den Mond
am Himmel blinken ſieheſt, und die heilige Stille
dich umwaltet, dann denk’, auch ihr Auge blickt ja
empor, voll Thraͤnen, auch um ihre Lippen ſpielt
ſein beſcheidenes Licht, wie um die deinigen: dann
wirſt du mich finden im Licht des Mondes: wir
werden Eins ſeyn in ihm: unſer Sehnen wird ſich
kuͤhlen und ſtillen in ihm, und du wirſt deine Liebe
erkennen im Geiſte der Natur, die um dich liegt,
zu der ich gehoͤre, wie du, und du wirſt dann ſtille
werden und die Thraͤnen trocknen und glauben, ich
lieg’ an deinem Buſen.
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