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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Jch blicke dann in mich selbst zurück, ver-
schwimme trunken in meiner eigenen Tiefe, fühl' aus
der ersten Quelle mein Jch, mein Seyn, fühl' es im
Anschau'n einer selbstgeschaffenen Welt, im Busen.
Das, Bruder, das ist so etwas Riesenhaftes, die-
ses in sich schauen, dieses in sich verschwimmen,
das muß die Wonne der Gottheit seyn.

Jch kann's nicht leugnen, ich bin stolz. Jch
fühle lebhaft in mir etwas Ursprüngliches, Unge-
schaffenes, Unzerstörbares, etwas Unabhängiges,
das sich genug ist in seiner eigenen Fülle, waltet
und herrscht, etwas das ewig anstrebt, voll Kraft
und innerer Stärke, etwas .... Göttliches.

Das fühlen alle die Vielen nicht, die sich weg-
werfen und krümmen, sey es vor Gott oder Men-
schen.

Jch lasse alle Kräfte meines Jnnern wogen
und walten, sich anstrengen und erneuern. Aber
ich gesteh' es mir selbst, ich halte sie nicht in
Zucht,
im Gleichmaaß.

Meine Seele hat Freyheit, kann wählen nach
Gefallen, und richten, unmittelbar, aus eigener
Quelle, über Seyn und Nichtseyn. Das ist das

Jch blicke dann in mich ſelbſt zuruͤck, ver-
ſchwimme trunken in meiner eigenen Tiefe, fuͤhl’ aus
der erſten Quelle mein Jch, mein Seyn, fuͤhl’ es im
Anſchau’n einer ſelbſtgeſchaffenen Welt, im Buſen.
Das, Bruder, das iſt ſo etwas Rieſenhaftes, die-
ſes in ſich ſchauen, dieſes in ſich verſchwimmen,
das muß die Wonne der Gottheit ſeyn.

Jch kann’s nicht leugnen, ich bin ſtolz. Jch
fuͤhle lebhaft in mir etwas Urſpruͤngliches, Unge-
ſchaffenes, Unzerſtoͤrbares, etwas Unabhaͤngiges,
das ſich genug iſt in ſeiner eigenen Fuͤlle, waltet
und herrſcht, etwas das ewig anſtrebt, voll Kraft
und innerer Staͤrke, etwas .... Goͤttliches.

Das fuͤhlen alle die Vielen nicht, die ſich weg-
werfen und kruͤmmen, ſey es vor Gott oder Men-
ſchen.

Jch laſſe alle Kraͤfte meines Jnnern wogen
und walten, ſich anſtrengen und erneuern. Aber
ich geſteh’ es mir ſelbſt, ich halte ſie nicht in
Zucht,
im Gleichmaaß.

Meine Seele hat Freyheit, kann waͤhlen nach
Gefallen, und richten, unmittelbar, aus eigener
Quelle, uͤber Seyn und Nichtſeyn. Das iſt das

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[90/0090] Jch blicke dann in mich ſelbſt zuruͤck, ver- ſchwimme trunken in meiner eigenen Tiefe, fuͤhl’ aus der erſten Quelle mein Jch, mein Seyn, fuͤhl’ es im Anſchau’n einer ſelbſtgeſchaffenen Welt, im Buſen. Das, Bruder, das iſt ſo etwas Rieſenhaftes, die- ſes in ſich ſchauen, dieſes in ſich verſchwimmen, das muß die Wonne der Gottheit ſeyn. Jch kann’s nicht leugnen, ich bin ſtolz. Jch fuͤhle lebhaft in mir etwas Urſpruͤngliches, Unge- ſchaffenes, Unzerſtoͤrbares, etwas Unabhaͤngiges, das ſich genug iſt in ſeiner eigenen Fuͤlle, waltet und herrſcht, etwas das ewig anſtrebt, voll Kraft und innerer Staͤrke, etwas .... Goͤttliches. Das fuͤhlen alle die Vielen nicht, die ſich weg- werfen und kruͤmmen, ſey es vor Gott oder Men- ſchen. Jch laſſe alle Kraͤfte meines Jnnern wogen und walten, ſich anſtrengen und erneuern. Aber ich geſteh’ es mir ſelbſt, ich halte ſie nicht in Zucht, im Gleichmaaß. Meine Seele hat Freyheit, kann waͤhlen nach Gefallen, und richten, unmittelbar, aus eigener Quelle, uͤber Seyn und Nichtſeyn. Das iſt das

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/90>, abgerufen am 21.11.2024.