wenn er lobte oder tadelte, oder widersprachen ihm, je nachdem der Magister es that. Eben so machte er ihnen begreiflich, wie jeder politische Artikel in den Zeitungen zu nehmen sey, entweder er witterte in einem Artikel geheime Absichten die- ses oder jenes Hofes; oder er widersprach manchem Artikel gänzlich, und gab wohl gar vor, Briefe zu haben, welche das Gegentheil besagten. Mit ei- nem Worte, der kleine Mann machte bei allem seine politischen und gelehrten Anmerkungen, durch welche er denn in den Augen der Gesellschaft als ein Mann von großen Einsichten erschien, der von al- len Dingen den rechten Grund wüßte. Dabei be- fand sich nun Herr Magister Confuselius sehr wohl: denn jeder anwesende Gast drängte sich zu seiner Freundschaft, und schätzte sichs zur Ehre, wenn sich der Herr Magister von seinem Tabak die Pfeife stopfte, von seinem Bier oder Wein trank, und sonst mit ihm vorwillen nahm. Er konnte also immer ohne zu Mittage gespeist zu haben, in diese Versammlung gehn, weil er da alles Ver- säumte nachholte, und bey der Trennung überge- sättigt, auch wohl zuweilen mit einem halben Räuschchen, nach Hause gieng.
Sonach war auf vier Tage in der Woche für ihn gesorgt: und wann der ehrliche Mann ja die
übri-
wenn er lobte oder tadelte, oder widerſprachen ihm, je nachdem der Magiſter es that. Eben ſo machte er ihnen begreiflich, wie jeder politiſche Artikel in den Zeitungen zu nehmen ſey, entweder er witterte in einem Artikel geheime Abſichten die- ſes oder jenes Hofes; oder er widerſprach manchem Artikel gaͤnzlich, und gab wohl gar vor, Briefe zu haben, welche das Gegentheil beſagten. Mit ei- nem Worte, der kleine Mann machte bei allem ſeine politiſchen und gelehrten Anmerkungen, durch welche er denn in den Augen der Geſellſchaft als ein Mann von großen Einſichten erſchien, der von al- len Dingen den rechten Grund wuͤßte. Dabei be- fand ſich nun Herr Magiſter Confuſelius ſehr wohl: denn jeder anweſende Gaſt draͤngte ſich zu ſeiner Freundſchaft, und ſchaͤtzte ſichs zur Ehre, wenn ſich der Herr Magiſter von ſeinem Tabak die Pfeife ſtopfte, von ſeinem Bier oder Wein trank, und ſonſt mit ihm vorwillen nahm. Er konnte alſo immer ohne zu Mittage geſpeiſt zu haben, in dieſe Verſammlung gehn, weil er da alles Ver- ſaͤumte nachholte, und bey der Trennung uͤberge- ſaͤttigt, auch wohl zuweilen mit einem halben Raͤuſchchen, nach Hauſe gieng.
Sonach war auf vier Tage in der Woche fuͤr ihn geſorgt: und wann der ehrliche Mann ja die
uͤbri-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0018"n="12"/>
wenn er lobte oder tadelte, oder widerſprachen<lb/>
ihm, je nachdem der Magiſter es that. Eben ſo<lb/>
machte er ihnen begreiflich, wie jeder politiſche<lb/>
Artikel in den Zeitungen zu nehmen ſey, entweder<lb/>
er witterte in einem Artikel geheime Abſichten die-<lb/>ſes oder jenes Hofes; oder er widerſprach manchem<lb/>
Artikel gaͤnzlich, und gab wohl gar vor, Briefe zu<lb/>
haben, welche das Gegentheil beſagten. Mit ei-<lb/>
nem Worte, der kleine Mann machte bei allem<lb/>ſeine politiſchen und gelehrten Anmerkungen, durch<lb/>
welche er denn in den Augen der Geſellſchaft als ein<lb/>
Mann von großen Einſichten erſchien, der von al-<lb/>
len Dingen den rechten Grund wuͤßte. Dabei be-<lb/>
fand ſich nun Herr Magiſter Confuſelius ſehr<lb/>
wohl: denn jeder anweſende Gaſt draͤngte ſich zu<lb/>ſeiner Freundſchaft, und ſchaͤtzte ſichs zur Ehre,<lb/>
wenn ſich der Herr Magiſter von ſeinem Tabak die<lb/>
Pfeife ſtopfte, von ſeinem Bier oder Wein trank,<lb/>
und ſonſt mit ihm vorwillen nahm. Er konnte<lb/>
alſo immer ohne zu Mittage geſpeiſt zu haben, in<lb/>
dieſe Verſammlung gehn, weil er da alles Ver-<lb/>ſaͤumte nachholte, und bey der Trennung uͤberge-<lb/>ſaͤttigt, auch wohl zuweilen mit einem halben<lb/>
Raͤuſchchen, nach Hauſe gieng.</p><lb/><p>Sonach war auf vier Tage in der Woche fuͤr<lb/>
ihn geſorgt: und wann der ehrliche Mann ja die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">uͤbri-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[12/0018]
wenn er lobte oder tadelte, oder widerſprachen
ihm, je nachdem der Magiſter es that. Eben ſo
machte er ihnen begreiflich, wie jeder politiſche
Artikel in den Zeitungen zu nehmen ſey, entweder
er witterte in einem Artikel geheime Abſichten die-
ſes oder jenes Hofes; oder er widerſprach manchem
Artikel gaͤnzlich, und gab wohl gar vor, Briefe zu
haben, welche das Gegentheil beſagten. Mit ei-
nem Worte, der kleine Mann machte bei allem
ſeine politiſchen und gelehrten Anmerkungen, durch
welche er denn in den Augen der Geſellſchaft als ein
Mann von großen Einſichten erſchien, der von al-
len Dingen den rechten Grund wuͤßte. Dabei be-
fand ſich nun Herr Magiſter Confuſelius ſehr
wohl: denn jeder anweſende Gaſt draͤngte ſich zu
ſeiner Freundſchaft, und ſchaͤtzte ſichs zur Ehre,
wenn ſich der Herr Magiſter von ſeinem Tabak die
Pfeife ſtopfte, von ſeinem Bier oder Wein trank,
und ſonſt mit ihm vorwillen nahm. Er konnte
alſo immer ohne zu Mittage geſpeiſt zu haben, in
dieſe Verſammlung gehn, weil er da alles Ver-
ſaͤumte nachholte, und bey der Trennung uͤberge-
ſaͤttigt, auch wohl zuweilen mit einem halben
Raͤuſchchen, nach Hauſe gieng.
Sonach war auf vier Tage in der Woche fuͤr
ihn geſorgt: und wann der ehrliche Mann ja die
uͤbri-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/18>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.