Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
sie jede Bedenklichkeit in ihren Handlungen, die
ihr vielleicht jemand, der was auf die dumme
Fratze Moral hält, angerathen hätte, ver-
bannte.

Schnitzer, welcher bald über jedes Wort, so
angefahren ward, daß er gern in nichts mehr re-
dete, seufzte oft heimlich und wünschte seine selige
Frau zurück, bei der alles still und sittlich zuge-
gangen war und es auch nie an einkehrenden oft
großen Herrschaften gefehlt hatte, auch war täg-
lich sein Tisch mit hübschen Gästen besetzt, von
denen jetzt die meisten wegblieben. Es mangelte
zwar nicht an Einnahme, wenn er auch selbst nichts
davon dekam, so sah er sie doch in der Pracht sei-
nes Suschens, übrigens war Fülle im Hause, und
ihm gieng nichts ab, auch gab Suschen die Herren
und Damen, die bei ihr einkehrten, für sehr vor-
nehm aus, aber ihm wollte dünken, daß dieser
Glanz, dieser Vollauf und Jubel seinem guten
Ruf nachtheilig wäre, deswegen war ihm gar nicht
wohl zu Muthe. Jnider Tabagie gab man ihm so
viel verblümt anzuhören, daß er in dieser hypo-
chondrischen Grille immer mehr bestärkt ward, und
Confuselins der die Ausübung seiner Rache nur
verschoben hatte, um destomehr im Verborgenen
zu wirken, kränkte ihn noch mehr.

Seit
ſie jede Bedenklichkeit in ihren Handlungen, die
ihr vielleicht jemand, der was auf die dumme
Fratze Moral haͤlt, angerathen haͤtte, ver-
bannte.

Schnitzer, welcher bald uͤber jedes Wort, ſo
angefahren ward, daß er gern in nichts mehr re-
dete, ſeufzte oft heimlich und wuͤnſchte ſeine ſelige
Frau zuruͤck, bei der alles ſtill und ſittlich zuge-
gangen war und es auch nie an einkehrenden oft
großen Herrſchaften gefehlt hatte, auch war taͤg-
lich ſein Tiſch mit huͤbſchen Gaͤſten beſetzt, von
denen jetzt die meiſten wegblieben. Es mangelte
zwar nicht an Einnahme, wenn er auch ſelbſt nichts
davon dekam, ſo ſah er ſie doch in der Pracht ſei-
nes Suschens, uͤbrigens war Fuͤlle im Hauſe, und
ihm gieng nichts ab, auch gab Suschen die Herren
und Damen, die bei ihr einkehrten, fuͤr ſehr vor-
nehm aus, aber ihm wollte duͤnken, daß dieſer
Glanz, dieſer Vollauf und Jubel ſeinem guten
Ruf nachtheilig waͤre, deswegen war ihm gar nicht
wohl zu Muthe. Jnider Tabagie gab man ihm ſo
viel verbluͤmt anzuhoͤren, daß er in dieſer hypo-
chondriſchen Grille immer mehr beſtaͤrkt ward, und
Confuſelins der die Ausuͤbung ſeiner Rache nur
verſchoben hatte, um deſtomehr im Verborgenen
zu wirken, kraͤnkte ihn noch mehr.

Seit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SCHNITZ">
          <p><pb facs="#f0197" n="191"/>
&#x017F;ie jede Bedenklichkeit in ihren Handlungen, die<lb/>
ihr vielleicht jemand, der was auf die dumme<lb/>
Fratze Moral ha&#x0364;lt, angerathen ha&#x0364;tte, ver-<lb/>
bannte.</p><lb/>
          <p>Schnitzer, welcher bald u&#x0364;ber jedes Wort, &#x017F;o<lb/>
angefahren ward, daß er gern in nichts mehr re-<lb/>
dete, &#x017F;eufzte oft heimlich und wu&#x0364;n&#x017F;chte &#x017F;eine &#x017F;elige<lb/>
Frau zuru&#x0364;ck, bei der alles &#x017F;till und &#x017F;ittlich zuge-<lb/>
gangen war und es auch nie an einkehrenden oft<lb/>
großen Herr&#x017F;chaften gefehlt hatte, auch war ta&#x0364;g-<lb/>
lich &#x017F;ein Ti&#x017F;ch mit hu&#x0364;b&#x017F;chen Ga&#x0364;&#x017F;ten be&#x017F;etzt, von<lb/>
denen jetzt die mei&#x017F;ten wegblieben. Es mangelte<lb/>
zwar nicht an Einnahme, wenn er auch &#x017F;elb&#x017F;t nichts<lb/>
davon dekam, &#x017F;o &#x017F;ah er &#x017F;ie doch in der Pracht &#x017F;ei-<lb/>
nes Suschens, u&#x0364;brigens war Fu&#x0364;lle im Hau&#x017F;e, und<lb/>
ihm gieng nichts ab, auch gab Suschen die Herren<lb/>
und Damen, die bei ihr einkehrten, fu&#x0364;r &#x017F;ehr vor-<lb/>
nehm aus, aber ihm wollte du&#x0364;nken, daß die&#x017F;er<lb/>
Glanz, die&#x017F;er Vollauf und Jubel &#x017F;einem guten<lb/>
Ruf nachtheilig wa&#x0364;re, deswegen war ihm gar nicht<lb/>
wohl zu Muthe. Jnider Tabagie gab man ihm &#x017F;o<lb/>
viel verblu&#x0364;mt anzuho&#x0364;ren, daß er in die&#x017F;er hypo-<lb/>
chondri&#x017F;chen Grille immer mehr be&#x017F;ta&#x0364;rkt ward, und<lb/>
Confu&#x017F;elins der die Ausu&#x0364;bung &#x017F;einer Rache nur<lb/>
ver&#x017F;choben hatte, um de&#x017F;tomehr im Verborgenen<lb/>
zu wirken, kra&#x0364;nkte ihn noch mehr.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Seit</fw><lb/>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0197] ſie jede Bedenklichkeit in ihren Handlungen, die ihr vielleicht jemand, der was auf die dumme Fratze Moral haͤlt, angerathen haͤtte, ver- bannte. Schnitzer, welcher bald uͤber jedes Wort, ſo angefahren ward, daß er gern in nichts mehr re- dete, ſeufzte oft heimlich und wuͤnſchte ſeine ſelige Frau zuruͤck, bei der alles ſtill und ſittlich zuge- gangen war und es auch nie an einkehrenden oft großen Herrſchaften gefehlt hatte, auch war taͤg- lich ſein Tiſch mit huͤbſchen Gaͤſten beſetzt, von denen jetzt die meiſten wegblieben. Es mangelte zwar nicht an Einnahme, wenn er auch ſelbſt nichts davon dekam, ſo ſah er ſie doch in der Pracht ſei- nes Suschens, uͤbrigens war Fuͤlle im Hauſe, und ihm gieng nichts ab, auch gab Suschen die Herren und Damen, die bei ihr einkehrten, fuͤr ſehr vor- nehm aus, aber ihm wollte duͤnken, daß dieſer Glanz, dieſer Vollauf und Jubel ſeinem guten Ruf nachtheilig waͤre, deswegen war ihm gar nicht wohl zu Muthe. Jnider Tabagie gab man ihm ſo viel verbluͤmt anzuhoͤren, daß er in dieſer hypo- chondriſchen Grille immer mehr beſtaͤrkt ward, und Confuſelins der die Ausuͤbung ſeiner Rache nur verſchoben hatte, um deſtomehr im Verborgenen zu wirken, kraͤnkte ihn noch mehr. Seit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/197
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/197>, abgerufen am 21.11.2024.