und es nach willkührlichen kühnen Jdeen auszu- mahlen. Daran dachte Sophie mit keinem Wor- te, unbekümmert um Ausdeutungen befriedigte sie das Verlangen nach ihrem Vetter, welches bei jungen und lebhaften weiblichen Geschöpfen, beson- ders dann so heftig wirkt, wenn der Gegenstand des Vergnügens noch neu ist. Jede Veränderung, jeder Zeitvertreib mußte in Wilhelms Gesellschaft genossen werden, sie hatten so viel Gärten und andre Plätze zu besuchen, wo sie als Kinder Krän- ze gewunden, einen kleinen Muthwillen ausgeübt, sich veruneinigt hatten, gefallen oder von den El- tern über einem Spiele ertappt worden waren, wobei sie die Kleider beschmutzt oder sonst einen Schaden angerichtet hatten, und dann tüchtig aus- gescholten oder gar verurtheilt wurden, nicht mehr mitgenommen zu werden etc. Wilhelm hatte neue Lieder mitgebracht, die er Sophien mußte singen oder auf dem Clavier spielen lehren, sie theilte ihm ihren Vorrath dagegen mit, sie lasen die Stammbücher eins des andern durch und lieferten einander die Schilderungen der indessen gemach- ten Bekanntschaften, welche sich eingeschrieben hat- ten, aus. Sophie hatte die Geschichte der Bekannt- schaft mit ihrem Albrecht zu erzählen, wie sie sich dann einander genähert und bald einig geworden
wären,
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und es nach willkuͤhrlichen kuͤhnen Jdeen auszu- mahlen. Daran dachte Sophie mit keinem Wor- te, unbekuͤmmert um Ausdeutungen befriedigte ſie das Verlangen nach ihrem Vetter, welches bei jungen und lebhaften weiblichen Geſchoͤpfen, beſon- ders dann ſo heftig wirkt, wenn der Gegenſtand des Vergnuͤgens noch neu iſt. Jede Veraͤnderung, jeder Zeitvertreib mußte in Wilhelms Geſellſchaft genoſſen werden, ſie hatten ſo viel Gaͤrten und andre Plaͤtze zu beſuchen, wo ſie als Kinder Kraͤn- ze gewunden, einen kleinen Muthwillen ausgeuͤbt, ſich veruneinigt hatten, gefallen oder von den El- tern uͤber einem Spiele ertappt worden waren, wobei ſie die Kleider beſchmutzt oder ſonſt einen Schaden angerichtet hatten, und dann tuͤchtig aus- geſcholten oder gar verurtheilt wurden, nicht mehr mitgenommen zu werden ꝛc. Wilhelm hatte neue Lieder mitgebracht, die er Sophien mußte ſingen oder auf dem Clavier ſpielen lehren, ſie theilte ihm ihren Vorrath dagegen mit, ſie laſen die Stammbuͤcher eins des andern durch und lieferten einander die Schilderungen der indeſſen gemach- ten Bekanntſchaften, welche ſich eingeſchrieben hat- ten, aus. Sophie hatte die Geſchichte der Bekannt- ſchaft mit ihrem Albrecht zu erzaͤhlen, wie ſie ſich dann einander genaͤhert und bald einig geworden
waͤren,
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und es nach willkuͤhrlichen kuͤhnen Jdeen auszu-
mahlen. Daran dachte Sophie mit keinem Wor-
te, unbekuͤmmert um Ausdeutungen befriedigte ſie
das Verlangen nach ihrem Vetter, welches bei
jungen und lebhaften weiblichen Geſchoͤpfen, beſon-
ders dann ſo heftig wirkt, wenn der Gegenſtand
des Vergnuͤgens noch neu iſt. Jede Veraͤnderung,
jeder Zeitvertreib mußte in Wilhelms Geſellſchaft
genoſſen werden, ſie hatten ſo viel Gaͤrten und
andre Plaͤtze zu beſuchen, wo ſie als Kinder Kraͤn-
ze gewunden, einen kleinen Muthwillen ausgeuͤbt,
ſich veruneinigt hatten, gefallen oder von den El-
tern uͤber einem Spiele ertappt worden waren,
wobei ſie die Kleider beſchmutzt oder ſonſt einen
Schaden angerichtet hatten, und dann tuͤchtig aus-
geſcholten oder gar verurtheilt wurden, nicht mehr
mitgenommen zu werden ꝛc. Wilhelm hatte neue
Lieder mitgebracht, die er Sophien mußte ſingen
oder auf dem Clavier ſpielen lehren, ſie theilte
ihm ihren Vorrath dagegen mit, ſie laſen die
Stammbuͤcher eins des andern durch und lieferten
einander die Schilderungen der indeſſen gemach-
ten Bekanntſchaften, welche ſich eingeſchrieben hat-
ten, aus. Sophie hatte die Geſchichte der Bekannt-
ſchaft mit ihrem Albrecht zu erzaͤhlen, wie ſie ſich
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/349>, abgerufen am 21.11.2024.
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