Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Zu diesem Ende suchte er vors erste mit Wil-
helm Robert bekannt zu werden, und glaubte an
ihm einen guten Jüngling zu finden. Er lud ihn
zu sich, brachte ihn auf die verdrüßliche Geschich-
te und bemerkte in seinen Erzählungen so viel
Aufrichtigkeit, daß er Albrechten ganz in Jrrthum
glaubte. Wilhelms znrückempfangener Brief, den
dieser ihm auf seine Bitte überbrachte, machte es
ihm noch gewisser, daß nichts strafbares zwischen
ihm und Sophien vorgefallen sei und von dieser
Stunde an beschloß er, Albrechten Vernunft zu
predigen.

Ein wenig war dieser schon mehr geneigt, sol-
chen Vorstellungen Gehör zu geben, Sophiens Brie-
fe hatten nicht ganz den Zweck verfehlt, er begann
zu wünschen, daß er sie unschuldig finden möchte
und spürte ein zärtliches Verlangen nach ihr. Nur
die vorgefaßte üble Meinung des Publikums von
ihr, hielt ihn noch zurück, sich auf Erklärungen,
welche denn bei seinen Wunsche, sie unschuldig zu
finden, leicht zur Aussöhnung führen konnten, ein-
zulassen.

Felß begab sich zu ihm, und vergaß nicht
Wilhelms Brief mitzunehmen. "Sie müssen mir,
sagte er, eine Stunde schenken, die wir ungestört
in ihrer Stube verplaudern wollen, ich hoffe, daß

ich

Zu dieſem Ende ſuchte er vors erſte mit Wil-
helm Robert bekannt zu werden, und glaubte an
ihm einen guten Juͤngling zu finden. Er lud ihn
zu ſich, brachte ihn auf die verdruͤßliche Geſchich-
te und bemerkte in ſeinen Erzaͤhlungen ſo viel
Aufrichtigkeit, daß er Albrechten ganz in Jrrthum
glaubte. Wilhelms znruͤckempfangener Brief, den
dieſer ihm auf ſeine Bitte uͤberbrachte, machte es
ihm noch gewiſſer, daß nichts ſtrafbares zwiſchen
ihm und Sophien vorgefallen ſei und von dieſer
Stunde an beſchloß er, Albrechten Vernunft zu
predigen.

Ein wenig war dieſer ſchon mehr geneigt, ſol-
chen Vorſtellungen Gehoͤr zu geben, Sophiens Brie-
fe hatten nicht ganz den Zweck verfehlt, er begann
zu wuͤnſchen, daß er ſie unſchuldig finden moͤchte
und ſpuͤrte ein zaͤrtliches Verlangen nach ihr. Nur
die vorgefaßte uͤble Meinung des Publikums von
ihr, hielt ihn noch zuruͤck, ſich auf Erklaͤrungen,
welche denn bei ſeinen Wunſche, ſie unſchuldig zu
finden, leicht zur Ausſoͤhnung fuͤhren konnten, ein-
zulaſſen.

Felß begab ſich zu ihm, und vergaß nicht
Wilhelms Brief mitzunehmen. „Sie muͤſſen mir,
ſagte er, eine Stunde ſchenken, die wir ungeſtoͤrt
in ihrer Stube verplaudern wollen, ich hoffe, daß

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0387" n="381"/>
        <p>Zu die&#x017F;em Ende &#x017F;uchte er vors er&#x017F;te mit Wil-<lb/>
helm Robert bekannt zu werden, und glaubte an<lb/>
ihm einen guten Ju&#x0364;ngling zu finden. Er lud ihn<lb/>
zu &#x017F;ich, brachte ihn auf die verdru&#x0364;ßliche Ge&#x017F;chich-<lb/>
te und bemerkte in &#x017F;einen Erza&#x0364;hlungen &#x017F;o viel<lb/>
Aufrichtigkeit, daß er Albrechten ganz in Jrrthum<lb/>
glaubte. Wilhelms znru&#x0364;ckempfangener Brief, den<lb/>
die&#x017F;er ihm auf &#x017F;eine Bitte u&#x0364;berbrachte, machte es<lb/>
ihm noch gewi&#x017F;&#x017F;er, daß nichts &#x017F;trafbares zwi&#x017F;chen<lb/>
ihm und Sophien vorgefallen &#x017F;ei und von die&#x017F;er<lb/>
Stunde an be&#x017F;chloß er, Albrechten Vernunft zu<lb/>
predigen.</p><lb/>
        <p>Ein wenig war die&#x017F;er &#x017F;chon mehr geneigt, &#x017F;ol-<lb/>
chen Vor&#x017F;tellungen Geho&#x0364;r zu geben, Sophiens Brie-<lb/>
fe hatten nicht ganz den Zweck verfehlt, er begann<lb/>
zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß er &#x017F;ie un&#x017F;chuldig finden mo&#x0364;chte<lb/>
und &#x017F;pu&#x0364;rte ein za&#x0364;rtliches Verlangen nach ihr. Nur<lb/>
die vorgefaßte u&#x0364;ble Meinung des Publikums von<lb/>
ihr, hielt ihn noch zuru&#x0364;ck, &#x017F;ich auf Erkla&#x0364;rungen,<lb/>
welche denn bei &#x017F;einen Wun&#x017F;che, &#x017F;ie un&#x017F;chuldig zu<lb/>
finden, leicht zur Aus&#x017F;o&#x0364;hnung fu&#x0364;hren konnten, ein-<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Felß begab &#x017F;ich zu ihm, und vergaß nicht<lb/>
Wilhelms Brief mitzunehmen. &#x201E;Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mir,<lb/>
&#x017F;agte er, eine Stunde &#x017F;chenken, die wir unge&#x017F;to&#x0364;rt<lb/>
in ihrer Stube verplaudern wollen, ich hoffe, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0387] Zu dieſem Ende ſuchte er vors erſte mit Wil- helm Robert bekannt zu werden, und glaubte an ihm einen guten Juͤngling zu finden. Er lud ihn zu ſich, brachte ihn auf die verdruͤßliche Geſchich- te und bemerkte in ſeinen Erzaͤhlungen ſo viel Aufrichtigkeit, daß er Albrechten ganz in Jrrthum glaubte. Wilhelms znruͤckempfangener Brief, den dieſer ihm auf ſeine Bitte uͤberbrachte, machte es ihm noch gewiſſer, daß nichts ſtrafbares zwiſchen ihm und Sophien vorgefallen ſei und von dieſer Stunde an beſchloß er, Albrechten Vernunft zu predigen. Ein wenig war dieſer ſchon mehr geneigt, ſol- chen Vorſtellungen Gehoͤr zu geben, Sophiens Brie- fe hatten nicht ganz den Zweck verfehlt, er begann zu wuͤnſchen, daß er ſie unſchuldig finden moͤchte und ſpuͤrte ein zaͤrtliches Verlangen nach ihr. Nur die vorgefaßte uͤble Meinung des Publikums von ihr, hielt ihn noch zuruͤck, ſich auf Erklaͤrungen, welche denn bei ſeinen Wunſche, ſie unſchuldig zu finden, leicht zur Ausſoͤhnung fuͤhren konnten, ein- zulaſſen. Felß begab ſich zu ihm, und vergaß nicht Wilhelms Brief mitzunehmen. „Sie muͤſſen mir, ſagte er, eine Stunde ſchenken, die wir ungeſtoͤrt in ihrer Stube verplaudern wollen, ich hoffe, daß ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/387
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/387>, abgerufen am 28.11.2024.