Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese hier beschriebenen jungen Leute sind in
den großen Städten, wo sie erzogen worden, wenig
geachtet, man weis kaum, daß sie da sind, und
wer es weis, behauptet, daß sie einfältig wären,
nicht das mindeste gefällige an sich hätten, und
zu nichts taugten. Dennoch gehören, wie Kenner
und Liebhaber der Geistmenschen sagen, ihre Eltern
zu dieser Gattung, sind vortreffliche, achtungs-
werthe, in ihrem Beruf thätige und nützliche Leute;
zu alle dem sind auch ihre Kinder erzogen, und ich
selbst muß gestehen, daß es geschickte, talentvolle
und liebenswürdige Personen sind. Aber sie wer-
den, wie gesagt, gering geschätzt, ausgelacht, und
schwerlich werden sie jemals glänzende Rollen
spielen.

Wem ist es nun zu verdenken, wenn er an
dem Urtheil der Welt über dergleichen Sonderlinge
lernt mit dem großen Strom fortzuschwimmen,
um etwas zu gelten, und daß es die meisten für
eine Pflicht halten, ihre Kinder, nach dem gewöhn-
lichen Ausdruck, für die große Welt zu erziehen,
damit sie überall fortkommen und für scharmante
Leute gelten? Solche Eltern halten hernach die
Früchte dieser eleganten Erziehung, welche aus
Schulden machen, Ausschweifungen, Connexionen
aller Art, oft sehr erniedrigenden Streichen und

Verlust

Dieſe hier beſchriebenen jungen Leute ſind in
den großen Staͤdten, wo ſie erzogen worden, wenig
geachtet, man weis kaum, daß ſie da ſind, und
wer es weis, behauptet, daß ſie einfaͤltig waͤren,
nicht das mindeſte gefaͤllige an ſich haͤtten, und
zu nichts taugten. Dennoch gehoͤren, wie Kenner
und Liebhaber der Geiſtmenſchen ſagen, ihre Eltern
zu dieſer Gattung, ſind vortreffliche, achtungs-
werthe, in ihrem Beruf thaͤtige und nuͤtzliche Leute;
zu alle dem ſind auch ihre Kinder erzogen, und ich
ſelbſt muß geſtehen, daß es geſchickte, talentvolle
und liebenswuͤrdige Perſonen ſind. Aber ſie wer-
den, wie geſagt, gering geſchaͤtzt, ausgelacht, und
ſchwerlich werden ſie jemals glaͤnzende Rollen
ſpielen.

Wem iſt es nun zu verdenken, wenn er an
dem Urtheil der Welt uͤber dergleichen Sonderlinge
lernt mit dem großen Strom fortzuſchwimmen,
um etwas zu gelten, und daß es die meiſten fuͤr
eine Pflicht halten, ihre Kinder, nach dem gewoͤhn-
lichen Ausdruck, fuͤr die große Welt zu erziehen,
damit ſie uͤberall fortkommen und fuͤr ſcharmante
Leute gelten? Solche Eltern halten hernach die
Fruͤchte dieſer eleganten Erziehung, welche aus
Schulden machen, Ausſchweifungen, Connexionen
aller Art, oft ſehr erniedrigenden Streichen und

Verluſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0111" n="107"/>
        <p>Die&#x017F;e hier be&#x017F;chriebenen jungen Leute &#x017F;ind in<lb/>
den großen Sta&#x0364;dten, wo &#x017F;ie erzogen worden, wenig<lb/>
geachtet, man weis kaum, daß &#x017F;ie da &#x017F;ind, und<lb/>
wer es weis, behauptet, daß &#x017F;ie einfa&#x0364;ltig wa&#x0364;ren,<lb/>
nicht das minde&#x017F;te gefa&#x0364;llige an &#x017F;ich ha&#x0364;tten, und<lb/>
zu nichts taugten. Dennoch geho&#x0364;ren, wie Kenner<lb/>
und Liebhaber der Gei&#x017F;tmen&#x017F;chen &#x017F;agen, ihre Eltern<lb/>
zu die&#x017F;er Gattung, &#x017F;ind vortreffliche, achtungs-<lb/>
werthe, in ihrem Beruf tha&#x0364;tige und nu&#x0364;tzliche Leute;<lb/>
zu alle dem &#x017F;ind auch ihre Kinder erzogen, und ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t muß ge&#x017F;tehen, daß es ge&#x017F;chickte, talentvolle<lb/>
und liebenswu&#x0364;rdige Per&#x017F;onen &#x017F;ind. Aber &#x017F;ie wer-<lb/>
den, wie ge&#x017F;agt, gering ge&#x017F;cha&#x0364;tzt, ausgelacht, und<lb/>
&#x017F;chwerlich werden &#x017F;ie jemals gla&#x0364;nzende Rollen<lb/>
&#x017F;pielen.</p><lb/>
        <p>Wem i&#x017F;t es nun zu verdenken, wenn er an<lb/>
dem Urtheil der Welt u&#x0364;ber dergleichen Sonderlinge<lb/>
lernt mit dem großen Strom fortzu&#x017F;chwimmen,<lb/>
um etwas zu gelten, und daß es die mei&#x017F;ten fu&#x0364;r<lb/>
eine Pflicht halten, ihre Kinder, nach dem gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen Ausdruck, fu&#x0364;r die große Welt zu erziehen,<lb/>
damit &#x017F;ie u&#x0364;berall fortkommen und fu&#x0364;r &#x017F;charmante<lb/>
Leute gelten? Solche Eltern halten hernach die<lb/>
Fru&#x0364;chte die&#x017F;er eleganten Erziehung, welche aus<lb/>
Schulden machen, Aus&#x017F;chweifungen, Connexionen<lb/>
aller Art, oft &#x017F;ehr erniedrigenden Streichen und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Verlu&#x017F;t</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0111] Dieſe hier beſchriebenen jungen Leute ſind in den großen Staͤdten, wo ſie erzogen worden, wenig geachtet, man weis kaum, daß ſie da ſind, und wer es weis, behauptet, daß ſie einfaͤltig waͤren, nicht das mindeſte gefaͤllige an ſich haͤtten, und zu nichts taugten. Dennoch gehoͤren, wie Kenner und Liebhaber der Geiſtmenſchen ſagen, ihre Eltern zu dieſer Gattung, ſind vortreffliche, achtungs- werthe, in ihrem Beruf thaͤtige und nuͤtzliche Leute; zu alle dem ſind auch ihre Kinder erzogen, und ich ſelbſt muß geſtehen, daß es geſchickte, talentvolle und liebenswuͤrdige Perſonen ſind. Aber ſie wer- den, wie geſagt, gering geſchaͤtzt, ausgelacht, und ſchwerlich werden ſie jemals glaͤnzende Rollen ſpielen. Wem iſt es nun zu verdenken, wenn er an dem Urtheil der Welt uͤber dergleichen Sonderlinge lernt mit dem großen Strom fortzuſchwimmen, um etwas zu gelten, und daß es die meiſten fuͤr eine Pflicht halten, ihre Kinder, nach dem gewoͤhn- lichen Ausdruck, fuͤr die große Welt zu erziehen, damit ſie uͤberall fortkommen und fuͤr ſcharmante Leute gelten? Solche Eltern halten hernach die Fruͤchte dieſer eleganten Erziehung, welche aus Schulden machen, Ausſchweifungen, Connexionen aller Art, oft ſehr erniedrigenden Streichen und Verluſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/111
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/111>, abgerufen am 13.05.2024.