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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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nicht dulden, bis der abgehende Schreiber ihm Platz
machte, sondern lieber diese einigen Monate für
sich leben, und wartete den ersten hinlänglichen
Anlaß ab, um sich mit mir und meiner Mutter zu
entzweien, und seinen Abschied zu fordern.

Jch ließ ihn auf diesen Anlaß nicht warten;
es war mitten in einem der strengsten Winter, in
welchem ich ihm den letzten Streich spielte, der
auch zu seiner Absicht hinreichend war.

Für meine zarte Person stand ein weiches Bett
in der Schlafstube meiner Mutter, die mich aus
zärtlicher Besorgniß des Nachts selbst in Schutz ha-
ben wollte, aber Herr Null mußte in der Kammer
schlafen, die neben seiner Wohn- und unserer
Schulstube war. Oft schon hatte ich ihm Nadeln,
Kletten oder Frösche ins Bette practicirt, er wußte
es immer sehr gewiß, daß ich der Thäter solcher
Stückchen war, hatte aber, wie wir wissen, seine
Gründe, zu thun, als hätte er mich nicht in Ver-
dacht. Jetzt bot mir der harte Winterfrost Gele-
genheit an, meinem lieben Mentor einen Spas zu
machen, der alle die vorigen übertraf, und den
Werth der Neuheit hatte. Jch ließ mir durch
einen Bauerjungen, den ich dafür bezahlte, (denn
zu Erkaufung solcher Gefälligkeiten verwendete ich
alles Geld, was ich der Mutter abpochte,) insge-

heim

nicht dulden, bis der abgehende Schreiber ihm Platz
machte, ſondern lieber dieſe einigen Monate fuͤr
ſich leben, und wartete den erſten hinlaͤnglichen
Anlaß ab, um ſich mit mir und meiner Mutter zu
entzweien, und ſeinen Abſchied zu fordern.

Jch ließ ihn auf dieſen Anlaß nicht warten;
es war mitten in einem der ſtrengſten Winter, in
welchem ich ihm den letzten Streich ſpielte, der
auch zu ſeiner Abſicht hinreichend war.

Fuͤr meine zarte Perſon ſtand ein weiches Bett
in der Schlafſtube meiner Mutter, die mich aus
zaͤrtlicher Beſorgniß des Nachts ſelbſt in Schutz ha-
ben wollte, aber Herr Null mußte in der Kammer
ſchlafen, die neben ſeiner Wohn- und unſerer
Schulſtube war. Oft ſchon hatte ich ihm Nadeln,
Kletten oder Froͤſche ins Bette practicirt, er wußte
es immer ſehr gewiß, daß ich der Thaͤter ſolcher
Stuͤckchen war, hatte aber, wie wir wiſſen, ſeine
Gruͤnde, zu thun, als haͤtte er mich nicht in Ver-
dacht. Jetzt bot mir der harte Winterfroſt Gele-
genheit an, meinem lieben Mentor einen Spas zu
machen, der alle die vorigen uͤbertraf, und den
Werth der Neuheit hatte. Jch ließ mir durch
einen Bauerjungen, den ich dafuͤr bezahlte, (denn
zu Erkaufung ſolcher Gefaͤlligkeiten verwendete ich
alles Geld, was ich der Mutter abpochte,) insge-

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[138/0142] nicht dulden, bis der abgehende Schreiber ihm Platz machte, ſondern lieber dieſe einigen Monate fuͤr ſich leben, und wartete den erſten hinlaͤnglichen Anlaß ab, um ſich mit mir und meiner Mutter zu entzweien, und ſeinen Abſchied zu fordern. Jch ließ ihn auf dieſen Anlaß nicht warten; es war mitten in einem der ſtrengſten Winter, in welchem ich ihm den letzten Streich ſpielte, der auch zu ſeiner Abſicht hinreichend war. Fuͤr meine zarte Perſon ſtand ein weiches Bett in der Schlafſtube meiner Mutter, die mich aus zaͤrtlicher Beſorgniß des Nachts ſelbſt in Schutz ha- ben wollte, aber Herr Null mußte in der Kammer ſchlafen, die neben ſeiner Wohn- und unſerer Schulſtube war. Oft ſchon hatte ich ihm Nadeln, Kletten oder Froͤſche ins Bette practicirt, er wußte es immer ſehr gewiß, daß ich der Thaͤter ſolcher Stuͤckchen war, hatte aber, wie wir wiſſen, ſeine Gruͤnde, zu thun, als haͤtte er mich nicht in Ver- dacht. Jetzt bot mir der harte Winterfroſt Gele- genheit an, meinem lieben Mentor einen Spas zu machen, der alle die vorigen uͤbertraf, und den Werth der Neuheit hatte. Jch ließ mir durch einen Bauerjungen, den ich dafuͤr bezahlte, (denn zu Erkaufung ſolcher Gefaͤlligkeiten verwendete ich alles Geld, was ich der Mutter abpochte,) insge- heim

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/142>, abgerufen am 14.05.2024.