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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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sie die Regierungsräthinn, zuckte mit den Achseln,
wenn Peter nicht hinsah, oder lächelte verächtlich.

Peter versah sich dieses Misfallens gar nicht,
er gab sich alle Mühe affable zu sein. Es fiel ihm
unter andern ein, den Gevatter-Schmatz, wie ers
nannte, von der Frau Regierungsräthinn zu for-
dern, und so stand er auf, wischte sich das Maul
und nahm sie ohne weiteres beym Kopf. Die
Dame war nicht so unfreundlich, einem artigen
Mann auch etliche Duzend Küße und was manch-
mal darauf folgt, zu gewähren; aber wie konnte
sich ein plumper Kornhändler, der auf dem Lande
wohnte und außer seinen rauhen Sitten auch einen
schwarzen Bart hatte, unterfangen, einen Kuß,
noch dazu auf eine so unmanierliche Art rauben zu
wollen? Jndem nun mein Oncle Peter eine solche
Vermessenheit begieng, konnte die Frau Regierungs-
räthin nicht anders, als laut ausschrepen, und
sich mit Ungestüm und einer zornigen Miene los-
reißen. Nu! nu! nu! sagte Peter, fahren Sie
nur nicht gar aus der Haut, 's kann bleiben, 's
kann bleiben, ob ich ihre gemahlten Backen küsse
oder nicht, habe wohl zum Spas hübschre Gesich-
ter geküßt.

Mein Vater, der viel höflicher war, als sein
Bruder, gerieth über die Grobheit des letzten in

nicht

ſie die Regierungsraͤthinn, zuckte mit den Achſeln,
wenn Peter nicht hinſah, oder laͤchelte veraͤchtlich.

Peter verſah ſich dieſes Misfallens gar nicht,
er gab ſich alle Muͤhe affable zu ſein. Es fiel ihm
unter andern ein, den Gevatter-Schmatz, wie ers
nannte, von der Frau Regierungsraͤthinn zu for-
dern, und ſo ſtand er auf, wiſchte ſich das Maul
und nahm ſie ohne weiteres beym Kopf. Die
Dame war nicht ſo unfreundlich, einem artigen
Mann auch etliche Duzend Kuͤße und was manch-
mal darauf folgt, zu gewaͤhren; aber wie konnte
ſich ein plumper Kornhaͤndler, der auf dem Lande
wohnte und außer ſeinen rauhen Sitten auch einen
ſchwarzen Bart hatte, unterfangen, einen Kuß,
noch dazu auf eine ſo unmanierliche Art rauben zu
wollen? Jndem nun mein Oncle Peter eine ſolche
Vermeſſenheit begieng, konnte die Frau Regierungs-
raͤthin nicht anders, als laut ausſchrepen, und
ſich mit Ungeſtuͤm und einer zornigen Miene los-
reißen. Nu! nu! nu! ſagte Peter, fahren Sie
nur nicht gar aus der Haut, ’s kann bleiben, ’s
kann bleiben, ob ich ihre gemahlten Backen kuͤſſe
oder nicht, habe wohl zum Spas huͤbſchre Geſich-
ter gekuͤßt.

Mein Vater, der viel hoͤflicher war, als ſein
Bruder, gerieth uͤber die Grobheit des letzten in

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[12/0016] ſie die Regierungsraͤthinn, zuckte mit den Achſeln, wenn Peter nicht hinſah, oder laͤchelte veraͤchtlich. Peter verſah ſich dieſes Misfallens gar nicht, er gab ſich alle Muͤhe affable zu ſein. Es fiel ihm unter andern ein, den Gevatter-Schmatz, wie ers nannte, von der Frau Regierungsraͤthinn zu for- dern, und ſo ſtand er auf, wiſchte ſich das Maul und nahm ſie ohne weiteres beym Kopf. Die Dame war nicht ſo unfreundlich, einem artigen Mann auch etliche Duzend Kuͤße und was manch- mal darauf folgt, zu gewaͤhren; aber wie konnte ſich ein plumper Kornhaͤndler, der auf dem Lande wohnte und außer ſeinen rauhen Sitten auch einen ſchwarzen Bart hatte, unterfangen, einen Kuß, noch dazu auf eine ſo unmanierliche Art rauben zu wollen? Jndem nun mein Oncle Peter eine ſolche Vermeſſenheit begieng, konnte die Frau Regierungs- raͤthin nicht anders, als laut ausſchrepen, und ſich mit Ungeſtuͤm und einer zornigen Miene los- reißen. Nu! nu! nu! ſagte Peter, fahren Sie nur nicht gar aus der Haut, ’s kann bleiben, ’s kann bleiben, ob ich ihre gemahlten Backen kuͤſſe oder nicht, habe wohl zum Spas huͤbſchre Geſich- ter gekuͤßt. Mein Vater, der viel hoͤflicher war, als ſein Bruder, gerieth uͤber die Grobheit des letzten in nicht

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/16>, abgerufen am 29.04.2024.