nicht geringe Verlegenheit und Angst; meine Mut- ter erschrak ebenfalls darüber, es entstand eine ge- wisse betroffene Stille in der Gesellschaft, während welcher sich Peter wieder gesetzt hatte und immer noch heimlich brummte. Mein Pathe, der Cavalier wuste diese Mistöne zu unterbrechen, wie denn Leute, welche Große Welt haben, so was immer am besten verstehn, er ergriff ein unterhaltendes Thema, und wandte sich damit an die beleidigte Dame, sein Witz machte, daß sie die ungehobelten Reden meines Oncles bald wieder zu vergessen schien. Da das Gespräch aufs neue allgemein zu werden begann, benutzte meine Mutter das Geräusch, um der Frau Gevatterinn, die ihr zunächst saß, ihr Mis- fallen über Petern und ihren Verdruß ihn mit sei- nem unsittlichen Betragen dulden zu müssen, leise sprechend mitzutheilen; aber, sagte sie, er ist reich und heirathet nicht, also thut mans um der Zu- kunft willen, auch ist er erstaunend freigebig. Das ist auch die Ursach, weswegen man ihn schon mit zu Gevattern bitten muste, sonst hätte man sich wohl gehütet, einen Mann, der noch so viel ge- meines an sich hat, in die Gesellschaft zu bringen.
Die Regierungsräthin ärgerte sich, daß sie den Punct wegen des Reich- und Freigebigseins nicht eher gewußt hatte, weil sie sonst den Kuß des Korn-
händlers
nicht geringe Verlegenheit und Angſt; meine Mut- ter erſchrak ebenfalls daruͤber, es entſtand eine ge- wiſſe betroffene Stille in der Geſellſchaft, waͤhrend welcher ſich Peter wieder geſetzt hatte und immer noch heimlich brummte. Mein Pathe, der Cavalier wuſte dieſe Mistoͤne zu unterbrechen, wie denn Leute, welche Große Welt haben, ſo was immer am beſten verſtehn, er ergriff ein unterhaltendes Thema, und wandte ſich damit an die beleidigte Dame, ſein Witz machte, daß ſie die ungehobelten Reden meines Oncles bald wieder zu vergeſſen ſchien. Da das Geſpraͤch aufs neue allgemein zu werden begann, benutzte meine Mutter das Geraͤuſch, um der Frau Gevatterinn, die ihr zunaͤchſt ſaß, ihr Mis- fallen uͤber Petern und ihren Verdruß ihn mit ſei- nem unſittlichen Betragen dulden zu muͤſſen, leiſe ſprechend mitzutheilen; aber, ſagte ſie, er iſt reich und heirathet nicht, alſo thut mans um der Zu- kunft willen, auch iſt er erſtaunend freigebig. Das iſt auch die Urſach, weswegen man ihn ſchon mit zu Gevattern bitten muſte, ſonſt haͤtte man ſich wohl gehuͤtet, einen Mann, der noch ſo viel ge- meines an ſich hat, in die Geſellſchaft zu bringen.
Die Regierungsraͤthin aͤrgerte ſich, daß ſie den Punct wegen des Reich- und Freigebigſeins nicht eher gewußt hatte, weil ſie ſonſt den Kuß des Korn-
haͤndlers
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nicht geringe Verlegenheit und Angſt; meine Mut-
ter erſchrak ebenfalls daruͤber, es entſtand eine ge-
wiſſe betroffene Stille in der Geſellſchaft, waͤhrend
welcher ſich Peter wieder geſetzt hatte und immer
noch heimlich brummte. Mein Pathe, der Cavalier
wuſte dieſe Mistoͤne zu unterbrechen, wie denn
Leute, welche Große Welt haben, ſo was immer
am beſten verſtehn, er ergriff ein unterhaltendes
Thema, und wandte ſich damit an die beleidigte
Dame, ſein Witz machte, daß ſie die ungehobelten
Reden meines Oncles bald wieder zu vergeſſen ſchien.
Da das Geſpraͤch aufs neue allgemein zu werden
begann, benutzte meine Mutter das Geraͤuſch, um
der Frau Gevatterinn, die ihr zunaͤchſt ſaß, ihr Mis-
fallen uͤber Petern und ihren Verdruß ihn mit ſei-
nem unſittlichen Betragen dulden zu muͤſſen, leiſe
ſprechend mitzutheilen; aber, ſagte ſie, er iſt reich
und heirathet nicht, alſo thut mans um der Zu-
kunft willen, auch iſt er erſtaunend freigebig. Das
iſt auch die Urſach, weswegen man ihn ſchon mit
zu Gevattern bitten muſte, ſonſt haͤtte man ſich
wohl gehuͤtet, einen Mann, der noch ſo viel ge-
meines an ſich hat, in die Geſellſchaft zu bringen.
Die Regierungsraͤthin aͤrgerte ſich, daß ſie den
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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