händlers gar wohl ertragen hätte, der dann gewiß auch ein ansehnliches Gevatter-Präsent eingebracht haben würde. Sie nahm sich vor, den Fehler noch zu verbessern, und billigte es in dieser geänderten Stimmung, daß Madam Schnitzer dem Mann alle mögliche Ausmerksamkeit erzeigte. Diese vergrößerte nun seinen Reichthum nicht um ein geringes, so wie auch die Geschenke, welche er seit seiner An- kunft ihrem Mann, und besonders ihr ins Wochen- bette gebracht hätte. Und jene, welche vorhin, da sie böse war, beschlossen hatte, bald wegzugehen, wurde durch das, was sie hörte, noch mehr gereizt, sich mit Petern zu versöhnen, also noch eine Weile zu bleiben. Sie wurde wieder ganz heiter und scherzte viel mit dem adelichen Herrn Gevatter. Jn diesem Scherz sprach sie halb leise mit ihm von Pe- ters Unart; eigentlich, sagte sie, erschrak ich nur weil er so gestürzt kam, und über mich herfiel, be- leidigen wollt' ich den ehrlichen Mann nicht, denn er hat nach seiner Art gedacht, sehr galant zu sein; es ist auf dem Lande und in kleinen Städten Brauch, daß die Frauenzimmer ihre männliche Mitgevattern küssen müssen. Der junge Herr hätte nicht müssen Drei zählen können, wenn er nicht geantwortet hätte, daß er diesen Brauch allerliebst fände, und man eine löbliche Sache nachahmen müsse, wes-
wegen
haͤndlers gar wohl ertragen haͤtte, der dann gewiß auch ein anſehnliches Gevatter-Praͤſent eingebracht haben wuͤrde. Sie nahm ſich vor, den Fehler noch zu verbeſſern, und billigte es in dieſer geaͤnderten Stimmung, daß Madam Schnitzer dem Mann alle moͤgliche Auſmerkſamkeit erzeigte. Dieſe vergroͤßerte nun ſeinen Reichthum nicht um ein geringes, ſo wie auch die Geſchenke, welche er ſeit ſeiner An- kunft ihrem Mann, und beſonders ihr ins Wochen- bette gebracht haͤtte. Und jene, welche vorhin, da ſie boͤſe war, beſchloſſen hatte, bald wegzugehen, wurde durch das, was ſie hoͤrte, noch mehr gereizt, ſich mit Petern zu verſoͤhnen, alſo noch eine Weile zu bleiben. Sie wurde wieder ganz heiter und ſcherzte viel mit dem adelichen Herrn Gevatter. Jn dieſem Scherz ſprach ſie halb leiſe mit ihm von Pe- ters Unart; eigentlich, ſagte ſie, erſchrak ich nur weil er ſo geſtuͤrzt kam, und uͤber mich herfiel, be- leidigen wollt’ ich den ehrlichen Mann nicht, denn er hat nach ſeiner Art gedacht, ſehr galant zu ſein; es iſt auf dem Lande und in kleinen Staͤdten Brauch, daß die Frauenzimmer ihre maͤnnliche Mitgevattern kuͤſſen muͤſſen. Der junge Herr haͤtte nicht muͤſſen Drei zaͤhlen koͤnnen, wenn er nicht geantwortet haͤtte, daß er dieſen Brauch allerliebſt faͤnde, und man eine loͤbliche Sache nachahmen muͤſſe, wes-
wegen
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[14/0018]
haͤndlers gar wohl ertragen haͤtte, der dann gewiß
auch ein anſehnliches Gevatter-Praͤſent eingebracht
haben wuͤrde. Sie nahm ſich vor, den Fehler noch
zu verbeſſern, und billigte es in dieſer geaͤnderten
Stimmung, daß Madam Schnitzer dem Mann alle
moͤgliche Auſmerkſamkeit erzeigte. Dieſe vergroͤßerte
nun ſeinen Reichthum nicht um ein geringes, ſo
wie auch die Geſchenke, welche er ſeit ſeiner An-
kunft ihrem Mann, und beſonders ihr ins Wochen-
bette gebracht haͤtte. Und jene, welche vorhin, da
ſie boͤſe war, beſchloſſen hatte, bald wegzugehen,
wurde durch das, was ſie hoͤrte, noch mehr gereizt,
ſich mit Petern zu verſoͤhnen, alſo noch eine Weile
zu bleiben. Sie wurde wieder ganz heiter und
ſcherzte viel mit dem adelichen Herrn Gevatter. Jn
dieſem Scherz ſprach ſie halb leiſe mit ihm von Pe-
ters Unart; eigentlich, ſagte ſie, erſchrak ich nur
weil er ſo geſtuͤrzt kam, und uͤber mich herfiel, be-
leidigen wollt’ ich den ehrlichen Mann nicht, denn
er hat nach ſeiner Art gedacht, ſehr galant zu ſein;
es iſt auf dem Lande und in kleinen Staͤdten Brauch,
daß die Frauenzimmer ihre maͤnnliche Mitgevattern
kuͤſſen muͤſſen. Der junge Herr haͤtte nicht muͤſſen
Drei zaͤhlen koͤnnen, wenn er nicht geantwortet
haͤtte, daß er dieſen Brauch allerliebſt faͤnde, und
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/18>, abgerufen am 03.12.2024.
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