Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

mir zu behalten, verlangte er also nichts von mir,
was ich nicht selbst vornehmen wollte. Er besas
einige Bücher, die meinen Beifall hatten, es waren
obscöne, schlüpfrige Werke, diese nun wurden gele-
sen, und was ich nicht verstand, erklärte mir Pelz.
Zuweilen wechselte diese Lectüre mit einem Vademe-
cum ab, und waren wir des Lesens überdrüßig, so
spielten wir mit Karten, was sich nur unter zweien
spielen läßt, oder bereiteten etwas zu, womit auf
den Abend jemand angeführt oder erschreckt wer-
den sollte.

Bei so bewandten Umständen konnte ich mir
keinen bessern Hofmeister wünschen. Meine Mutter
war auch vollkommen mit ihm zufrieden, es schien
ihr sogar, als ob ich sittiger und eingezogener wür-
de; die Wahrheit war aber, daß ich meine Streiche,
da Pelz sie ausführen half, mehr verheimlichen
lernte, weil er mich diese Kunst und die Nothwen-
digkeit davon gelehrt hatte, und ich es begriff, man
könne sich durch Behutsamkeit ungestörter ergötzen.
Außerdem war Pelz gegen seine Prinzipalinn nicht
der gefälligste, sondern der unterworfenste Mensch
unter Gottes Sonne, ein Mensch, der neben dem
Hofmeister den Bedienten, den Knecht, die Magd
spielte, wenn und wie sie es verlangte, sich alle
ihre Launen und Unhöflichkeiten gefallen ließ, und

ihr

mir zu behalten, verlangte er alſo nichts von mir,
was ich nicht ſelbſt vornehmen wollte. Er beſas
einige Buͤcher, die meinen Beifall hatten, es waren
obſcoͤne, ſchluͤpfrige Werke, dieſe nun wurden gele-
ſen, und was ich nicht verſtand, erklaͤrte mir Pelz.
Zuweilen wechſelte dieſe Lectuͤre mit einem Vademe-
cum ab, und waren wir des Leſens uͤberdruͤßig, ſo
ſpielten wir mit Karten, was ſich nur unter zweien
ſpielen laͤßt, oder bereiteten etwas zu, womit auf
den Abend jemand angefuͤhrt oder erſchreckt wer-
den ſollte.

Bei ſo bewandten Umſtaͤnden konnte ich mir
keinen beſſern Hofmeiſter wuͤnſchen. Meine Mutter
war auch vollkommen mit ihm zufrieden, es ſchien
ihr ſogar, als ob ich ſittiger und eingezogener wuͤr-
de; die Wahrheit war aber, daß ich meine Streiche,
da Pelz ſie ausfuͤhren half, mehr verheimlichen
lernte, weil er mich dieſe Kunſt und die Nothwen-
digkeit davon gelehrt hatte, und ich es begriff, man
koͤnne ſich durch Behutſamkeit ungeſtoͤrter ergoͤtzen.
Außerdem war Pelz gegen ſeine Prinzipalinn nicht
der gefaͤlligſte, ſondern der unterworfenſte Menſch
unter Gottes Sonne, ein Menſch, der neben dem
Hofmeiſter den Bedienten, den Knecht, die Magd
ſpielte, wenn und wie ſie es verlangte, ſich alle
ihre Launen und Unhoͤflichkeiten gefallen ließ, und

ihr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="168"/>
mir zu behalten, verlangte er al&#x017F;o nichts von mir,<lb/>
was ich nicht &#x017F;elb&#x017F;t vornehmen wollte. Er be&#x017F;as<lb/>
einige Bu&#x0364;cher, die meinen Beifall hatten, es waren<lb/>
ob&#x017F;co&#x0364;ne, &#x017F;chlu&#x0364;pfrige Werke, die&#x017F;e nun wurden gele-<lb/>
&#x017F;en, und was ich nicht ver&#x017F;tand, erkla&#x0364;rte mir Pelz.<lb/>
Zuweilen wech&#x017F;elte die&#x017F;e Lectu&#x0364;re mit einem Vademe-<lb/>
cum ab, und waren wir des Le&#x017F;ens u&#x0364;berdru&#x0364;ßig, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;pielten wir mit Karten, was &#x017F;ich nur unter zweien<lb/>
&#x017F;pielen la&#x0364;ßt, oder bereiteten etwas zu, womit auf<lb/>
den Abend jemand angefu&#x0364;hrt oder er&#x017F;chreckt wer-<lb/>
den &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Bei &#x017F;o bewandten Um&#x017F;ta&#x0364;nden konnte ich mir<lb/>
keinen be&#x017F;&#x017F;ern Hofmei&#x017F;ter wu&#x0364;n&#x017F;chen. Meine Mutter<lb/>
war auch vollkommen mit ihm zufrieden, es &#x017F;chien<lb/>
ihr &#x017F;ogar, als ob ich &#x017F;ittiger und eingezogener wu&#x0364;r-<lb/>
de; die Wahrheit war aber, daß ich meine Streiche,<lb/>
da Pelz &#x017F;ie ausfu&#x0364;hren half, mehr verheimlichen<lb/>
lernte, weil er mich die&#x017F;e Kun&#x017F;t und die Nothwen-<lb/>
digkeit davon gelehrt hatte, und ich es begriff, man<lb/>
ko&#x0364;nne &#x017F;ich durch Behut&#x017F;amkeit unge&#x017F;to&#x0364;rter ergo&#x0364;tzen.<lb/>
Außerdem war Pelz gegen &#x017F;eine Prinzipalinn nicht<lb/>
der gefa&#x0364;llig&#x017F;te, &#x017F;ondern der unterworfen&#x017F;te Men&#x017F;ch<lb/>
unter Gottes Sonne, ein Men&#x017F;ch, der neben dem<lb/>
Hofmei&#x017F;ter den Bedienten, den Knecht, die Magd<lb/>
&#x017F;pielte, wenn und wie &#x017F;ie es verlangte, &#x017F;ich alle<lb/>
ihre Launen und Unho&#x0364;flichkeiten gefallen ließ, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihr</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0172] mir zu behalten, verlangte er alſo nichts von mir, was ich nicht ſelbſt vornehmen wollte. Er beſas einige Buͤcher, die meinen Beifall hatten, es waren obſcoͤne, ſchluͤpfrige Werke, dieſe nun wurden gele- ſen, und was ich nicht verſtand, erklaͤrte mir Pelz. Zuweilen wechſelte dieſe Lectuͤre mit einem Vademe- cum ab, und waren wir des Leſens uͤberdruͤßig, ſo ſpielten wir mit Karten, was ſich nur unter zweien ſpielen laͤßt, oder bereiteten etwas zu, womit auf den Abend jemand angefuͤhrt oder erſchreckt wer- den ſollte. Bei ſo bewandten Umſtaͤnden konnte ich mir keinen beſſern Hofmeiſter wuͤnſchen. Meine Mutter war auch vollkommen mit ihm zufrieden, es ſchien ihr ſogar, als ob ich ſittiger und eingezogener wuͤr- de; die Wahrheit war aber, daß ich meine Streiche, da Pelz ſie ausfuͤhren half, mehr verheimlichen lernte, weil er mich dieſe Kunſt und die Nothwen- digkeit davon gelehrt hatte, und ich es begriff, man koͤnne ſich durch Behutſamkeit ungeſtoͤrter ergoͤtzen. Außerdem war Pelz gegen ſeine Prinzipalinn nicht der gefaͤlligſte, ſondern der unterworfenſte Menſch unter Gottes Sonne, ein Menſch, der neben dem Hofmeiſter den Bedienten, den Knecht, die Magd ſpielte, wenn und wie ſie es verlangte, ſich alle ihre Launen und Unhoͤflichkeiten gefallen ließ, und ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/172
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/172>, abgerufen am 24.11.2024.