Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er bereits mit einem Fräulein, die ihm von
Kindheit auf zur Frau zugedacht gewesen wäre,
förmlich verlobt sei. Weiter besagte dieses Schrei-
ben, daß er in die Garnison zurückkommen werde,
um von da aus den Abschied nachzusuchen und ihn
da abzuwarten; so könnte er denn noch die Ehre
haben Madam Schnitzer zu sehen, und sich für ihre
ihm erwiesene Freundschaft, der er sich ferner be-
stens empföhle, zu bedanken.

Man überlege sich, wie bei diesem Brief Sus-
chens Empfindungen ohngefähr sein konnten. Zit-
tern und Entsetzen, Beben und Wuth überfiel sie,
aber mitten durch diese Folterer brach der Ent-
schluß, Einspruch zu thun, hieß sie weichen, und
quartirte sich mit der Standhaftigkeit und der Hoff-
nung zu siegen an ihrer Statt in Suschens Köpf
und Herzen ein. Ohne sich länger zu besinnen,
ließ sie anspannen und fuhr in die Stadt zu einem
Rechtsgelehrten, von dem sie gehört, er hätte noch
keinen Prozeß verlohren und könne alles durch-
setzen.

Herr D. Siegmund ließ sich ihr Anliegen vor-
tragen, und fragte nach dem schriftlichen Ehever-
sprechen? Dies war nicht aufzuweisen, ja nicht ein-
mal war ein solches Versprechen mündlich mit ge-
höriger Deutlichkeit vorgefallen. Was sie nun auch

vor-

daß er bereits mit einem Fraͤulein, die ihm von
Kindheit auf zur Frau zugedacht geweſen waͤre,
foͤrmlich verlobt ſei. Weiter beſagte dieſes Schrei-
ben, daß er in die Garniſon zuruͤckkommen werde,
um von da aus den Abſchied nachzuſuchen und ihn
da abzuwarten; ſo koͤnnte er denn noch die Ehre
haben Madam Schnitzer zu ſehen, und ſich fuͤr ihre
ihm erwieſene Freundſchaft, der er ſich ferner be-
ſtens empfoͤhle, zu bedanken.

Man uͤberlege ſich, wie bei dieſem Brief Sus-
chens Empfindungen ohngefaͤhr ſein konnten. Zit-
tern und Entſetzen, Beben und Wuth uͤberfiel ſie,
aber mitten durch dieſe Folterer brach der Ent-
ſchluß, Einſpruch zu thun, hieß ſie weichen, und
quartirte ſich mit der Standhaftigkeit und der Hoff-
nung zu ſiegen an ihrer Statt in Suschens Koͤpf
und Herzen ein. Ohne ſich laͤnger zu beſinnen,
ließ ſie anſpannen und fuhr in die Stadt zu einem
Rechtsgelehrten, von dem ſie gehoͤrt, er haͤtte noch
keinen Prozeß verlohren und koͤnne alles durch-
ſetzen.

Herr D. Siegmund ließ ſich ihr Anliegen vor-
tragen, und fragte nach dem ſchriftlichen Ehever-
ſprechen? Dies war nicht aufzuweiſen, ja nicht ein-
mal war ein ſolches Verſprechen muͤndlich mit ge-
hoͤriger Deutlichkeit vorgefallen. Was ſie nun auch

vor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0202" n="198"/>
daß er bereits mit einem Fra&#x0364;ulein, die ihm von<lb/>
Kindheit auf zur Frau zugedacht gewe&#x017F;en wa&#x0364;re,<lb/>
fo&#x0364;rmlich verlobt &#x017F;ei. Weiter be&#x017F;agte die&#x017F;es Schrei-<lb/>
ben, daß er in die Garni&#x017F;on zuru&#x0364;ckkommen werde,<lb/>
um von da aus den Ab&#x017F;chied nachzu&#x017F;uchen und ihn<lb/>
da abzuwarten; &#x017F;o ko&#x0364;nnte er denn noch die Ehre<lb/>
haben Madam Schnitzer zu &#x017F;ehen, und &#x017F;ich fu&#x0364;r ihre<lb/>
ihm erwie&#x017F;ene Freund&#x017F;chaft, der er &#x017F;ich ferner be-<lb/>
&#x017F;tens empfo&#x0364;hle, zu bedanken.</p><lb/>
        <p>Man u&#x0364;berlege &#x017F;ich, wie bei die&#x017F;em Brief Sus-<lb/>
chens Empfindungen ohngefa&#x0364;hr &#x017F;ein konnten. Zit-<lb/>
tern und Ent&#x017F;etzen, Beben und Wuth u&#x0364;berfiel &#x017F;ie,<lb/>
aber mitten durch die&#x017F;e Folterer brach der Ent-<lb/>
&#x017F;chluß, Ein&#x017F;pruch zu thun, hieß &#x017F;ie weichen, und<lb/>
quartirte &#x017F;ich mit der Standhaftigkeit und der Hoff-<lb/>
nung zu &#x017F;iegen an ihrer Statt in Suschens Ko&#x0364;pf<lb/>
und Herzen ein. Ohne &#x017F;ich la&#x0364;nger zu be&#x017F;innen,<lb/>
ließ &#x017F;ie an&#x017F;pannen und fuhr in die Stadt zu einem<lb/>
Rechtsgelehrten, von dem &#x017F;ie geho&#x0364;rt, er ha&#x0364;tte noch<lb/>
keinen Prozeß verlohren und ko&#x0364;nne alles durch-<lb/>
&#x017F;etzen.</p><lb/>
        <p>Herr D. Siegmund ließ &#x017F;ich ihr Anliegen vor-<lb/>
tragen, und fragte nach dem &#x017F;chriftlichen Ehever-<lb/>
&#x017F;prechen? Dies war nicht aufzuwei&#x017F;en, ja nicht ein-<lb/>
mal war ein &#x017F;olches Ver&#x017F;prechen mu&#x0364;ndlich mit ge-<lb/>
ho&#x0364;riger Deutlichkeit vorgefallen. Was &#x017F;ie nun auch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vor-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0202] daß er bereits mit einem Fraͤulein, die ihm von Kindheit auf zur Frau zugedacht geweſen waͤre, foͤrmlich verlobt ſei. Weiter beſagte dieſes Schrei- ben, daß er in die Garniſon zuruͤckkommen werde, um von da aus den Abſchied nachzuſuchen und ihn da abzuwarten; ſo koͤnnte er denn noch die Ehre haben Madam Schnitzer zu ſehen, und ſich fuͤr ihre ihm erwieſene Freundſchaft, der er ſich ferner be- ſtens empfoͤhle, zu bedanken. Man uͤberlege ſich, wie bei dieſem Brief Sus- chens Empfindungen ohngefaͤhr ſein konnten. Zit- tern und Entſetzen, Beben und Wuth uͤberfiel ſie, aber mitten durch dieſe Folterer brach der Ent- ſchluß, Einſpruch zu thun, hieß ſie weichen, und quartirte ſich mit der Standhaftigkeit und der Hoff- nung zu ſiegen an ihrer Statt in Suschens Koͤpf und Herzen ein. Ohne ſich laͤnger zu beſinnen, ließ ſie anſpannen und fuhr in die Stadt zu einem Rechtsgelehrten, von dem ſie gehoͤrt, er haͤtte noch keinen Prozeß verlohren und koͤnne alles durch- ſetzen. Herr D. Siegmund ließ ſich ihr Anliegen vor- tragen, und fragte nach dem ſchriftlichen Ehever- ſprechen? Dies war nicht aufzuweiſen, ja nicht ein- mal war ein ſolches Verſprechen muͤndlich mit ge- hoͤriger Deutlichkeit vorgefallen. Was ſie nun auch vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/202
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/202>, abgerufen am 15.05.2024.