daß er bereits mit einem Fräulein, die ihm von Kindheit auf zur Frau zugedacht gewesen wäre, förmlich verlobt sei. Weiter besagte dieses Schrei- ben, daß er in die Garnison zurückkommen werde, um von da aus den Abschied nachzusuchen und ihn da abzuwarten; so könnte er denn noch die Ehre haben Madam Schnitzer zu sehen, und sich für ihre ihm erwiesene Freundschaft, der er sich ferner be- stens empföhle, zu bedanken.
Man überlege sich, wie bei diesem Brief Sus- chens Empfindungen ohngefähr sein konnten. Zit- tern und Entsetzen, Beben und Wuth überfiel sie, aber mitten durch diese Folterer brach der Ent- schluß, Einspruch zu thun, hieß sie weichen, und quartirte sich mit der Standhaftigkeit und der Hoff- nung zu siegen an ihrer Statt in Suschens Köpf und Herzen ein. Ohne sich länger zu besinnen, ließ sie anspannen und fuhr in die Stadt zu einem Rechtsgelehrten, von dem sie gehört, er hätte noch keinen Prozeß verlohren und könne alles durch- setzen.
Herr D. Siegmund ließ sich ihr Anliegen vor- tragen, und fragte nach dem schriftlichen Ehever- sprechen? Dies war nicht aufzuweisen, ja nicht ein- mal war ein solches Versprechen mündlich mit ge- höriger Deutlichkeit vorgefallen. Was sie nun auch
vor-
daß er bereits mit einem Fraͤulein, die ihm von Kindheit auf zur Frau zugedacht geweſen waͤre, foͤrmlich verlobt ſei. Weiter beſagte dieſes Schrei- ben, daß er in die Garniſon zuruͤckkommen werde, um von da aus den Abſchied nachzuſuchen und ihn da abzuwarten; ſo koͤnnte er denn noch die Ehre haben Madam Schnitzer zu ſehen, und ſich fuͤr ihre ihm erwieſene Freundſchaft, der er ſich ferner be- ſtens empfoͤhle, zu bedanken.
Man uͤberlege ſich, wie bei dieſem Brief Sus- chens Empfindungen ohngefaͤhr ſein konnten. Zit- tern und Entſetzen, Beben und Wuth uͤberfiel ſie, aber mitten durch dieſe Folterer brach der Ent- ſchluß, Einſpruch zu thun, hieß ſie weichen, und quartirte ſich mit der Standhaftigkeit und der Hoff- nung zu ſiegen an ihrer Statt in Suschens Koͤpf und Herzen ein. Ohne ſich laͤnger zu beſinnen, ließ ſie anſpannen und fuhr in die Stadt zu einem Rechtsgelehrten, von dem ſie gehoͤrt, er haͤtte noch keinen Prozeß verlohren und koͤnne alles durch- ſetzen.
Herr D. Siegmund ließ ſich ihr Anliegen vor- tragen, und fragte nach dem ſchriftlichen Ehever- ſprechen? Dies war nicht aufzuweiſen, ja nicht ein- mal war ein ſolches Verſprechen muͤndlich mit ge- hoͤriger Deutlichkeit vorgefallen. Was ſie nun auch
vor-
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daß er bereits mit einem Fraͤulein, die ihm von
Kindheit auf zur Frau zugedacht geweſen waͤre,
foͤrmlich verlobt ſei. Weiter beſagte dieſes Schrei-
ben, daß er in die Garniſon zuruͤckkommen werde,
um von da aus den Abſchied nachzuſuchen und ihn
da abzuwarten; ſo koͤnnte er denn noch die Ehre
haben Madam Schnitzer zu ſehen, und ſich fuͤr ihre
ihm erwieſene Freundſchaft, der er ſich ferner be-
ſtens empfoͤhle, zu bedanken.
Man uͤberlege ſich, wie bei dieſem Brief Sus-
chens Empfindungen ohngefaͤhr ſein konnten. Zit-
tern und Entſetzen, Beben und Wuth uͤberfiel ſie,
aber mitten durch dieſe Folterer brach der Ent-
ſchluß, Einſpruch zu thun, hieß ſie weichen, und
quartirte ſich mit der Standhaftigkeit und der Hoff-
nung zu ſiegen an ihrer Statt in Suschens Koͤpf
und Herzen ein. Ohne ſich laͤnger zu beſinnen,
ließ ſie anſpannen und fuhr in die Stadt zu einem
Rechtsgelehrten, von dem ſie gehoͤrt, er haͤtte noch
keinen Prozeß verlohren und koͤnne alles durch-
ſetzen.
Herr D. Siegmund ließ ſich ihr Anliegen vor-
tragen, und fragte nach dem ſchriftlichen Ehever-
ſprechen? Dies war nicht aufzuweiſen, ja nicht ein-
mal war ein ſolches Verſprechen muͤndlich mit ge-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/202>, abgerufen am 21.11.2024.
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