Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

die jetzt unnöthige, sehr gut abgeschriebene Klage
in Natura, und nächst ihr eine Liquidation über
die gehabte Unterredung, über die Mühe bei Ab-
fassung der Klage, und über die Schreibegebüh-
ren. -- Jch habe, so oft ich meine Mutter von
dieser Finte des Herrn Advokat Lungerhart, die sie
Schnellerei nannte, erzählen hörte, den Erfinder
gelobt, und ihn jederzeit für einen Mann gehalten,
der nichts ganz verloren gab, sondern von allem,
was einmal in seine juristischen Hände fiel, den
immer möglichen Nutzen zog. Das ist billig, man
nahe sich keinem Diener der göttlichen Themis in
der Absicht, ihren Altären ein Opfer zu bringen,
und glaube dann dies Opfer wieder zurücknehmen
zu können, wenigstens muß dann doch etwas da-
von abgeliefert werden, wenn wir auch den Schutz
dieser Göttinn nun nicht mehr nöthig zu haben
glauben.

Sobald mit Advokat Lungerharten alles be-
richtigt war, vergaß Madam Schnitzer den treulo-
sen Flatterfeld, oder dachte wenigstens nicht anders
an ihn, als bei Gelegenheiten, wo sie ihre bisheri-
gen Ausgaben überrechnete. Da verwünschte sie ihn
aber blos, und studierte allemal aufs neue auf den
kräftigen Brief, welchen sie ihm schreiben wollte,
sobald sie seine Ankunft in der Stadt erfahren ha-

ben

die jetzt unnoͤthige, ſehr gut abgeſchriebene Klage
in Natura, und naͤchſt ihr eine Liquidation uͤber
die gehabte Unterredung, uͤber die Muͤhe bei Ab-
faſſung der Klage, und uͤber die Schreibegebuͤh-
ren. — Jch habe, ſo oft ich meine Mutter von
dieſer Finte des Herrn Advokat Lungerhart, die ſie
Schnellerei nannte, erzaͤhlen hoͤrte, den Erfinder
gelobt, und ihn jederzeit fuͤr einen Mann gehalten,
der nichts ganz verloren gab, ſondern von allem,
was einmal in ſeine juriſtiſchen Haͤnde fiel, den
immer moͤglichen Nutzen zog. Das iſt billig, man
nahe ſich keinem Diener der goͤttlichen Themis in
der Abſicht, ihren Altaͤren ein Opfer zu bringen,
und glaube dann dies Opfer wieder zuruͤcknehmen
zu koͤnnen, wenigſtens muß dann doch etwas da-
von abgeliefert werden, wenn wir auch den Schutz
dieſer Goͤttinn nun nicht mehr noͤthig zu haben
glauben.

Sobald mit Advokat Lungerharten alles be-
richtigt war, vergaß Madam Schnitzer den treulo-
ſen Flatterfeld, oder dachte wenigſtens nicht anders
an ihn, als bei Gelegenheiten, wo ſie ihre bisheri-
gen Ausgaben uͤberrechnete. Da verwuͤnſchte ſie ihn
aber blos, und ſtudierte allemal aufs neue auf den
kraͤftigen Brief, welchen ſie ihm ſchreiben wollte,
ſobald ſie ſeine Ankunft in der Stadt erfahren ha-

ben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="202"/>
die jetzt unno&#x0364;thige, &#x017F;ehr gut abge&#x017F;chriebene Klage<lb/>
in Natura, und na&#x0364;ch&#x017F;t ihr eine Liquidation u&#x0364;ber<lb/>
die gehabte Unterredung, u&#x0364;ber die Mu&#x0364;he bei Ab-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung der Klage, und u&#x0364;ber die Schreibegebu&#x0364;h-<lb/>
ren. &#x2014; Jch habe, &#x017F;o oft ich meine Mutter von<lb/>
die&#x017F;er Finte des Herrn Advokat Lungerhart, die &#x017F;ie<lb/>
Schnellerei nannte, erza&#x0364;hlen ho&#x0364;rte, den Erfinder<lb/>
gelobt, und ihn jederzeit fu&#x0364;r einen Mann gehalten,<lb/>
der nichts ganz verloren gab, &#x017F;ondern von allem,<lb/>
was einmal in &#x017F;eine juri&#x017F;ti&#x017F;chen Ha&#x0364;nde fiel, den<lb/>
immer mo&#x0364;glichen Nutzen zog. Das i&#x017F;t billig, man<lb/>
nahe &#x017F;ich keinem Diener der go&#x0364;ttlichen Themis in<lb/>
der Ab&#x017F;icht, ihren Alta&#x0364;ren ein Opfer zu bringen,<lb/>
und glaube dann dies Opfer wieder zuru&#x0364;cknehmen<lb/>
zu ko&#x0364;nnen, wenig&#x017F;tens muß dann doch etwas da-<lb/>
von abgeliefert werden, wenn wir auch den Schutz<lb/>
die&#x017F;er Go&#x0364;ttinn nun nicht mehr no&#x0364;thig zu haben<lb/>
glauben.</p><lb/>
        <p>Sobald mit Advokat Lungerharten alles be-<lb/>
richtigt war, vergaß Madam Schnitzer den treulo-<lb/>
&#x017F;en Flatterfeld, oder dachte wenig&#x017F;tens nicht anders<lb/>
an ihn, als bei Gelegenheiten, wo &#x017F;ie ihre bisheri-<lb/>
gen Ausgaben u&#x0364;berrechnete. Da verwu&#x0364;n&#x017F;chte &#x017F;ie ihn<lb/>
aber blos, und &#x017F;tudierte allemal aufs neue auf den<lb/>
kra&#x0364;ftigen Brief, welchen &#x017F;ie ihm &#x017F;chreiben wollte,<lb/>
&#x017F;obald &#x017F;ie &#x017F;eine Ankunft in der Stadt erfahren ha-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0206] die jetzt unnoͤthige, ſehr gut abgeſchriebene Klage in Natura, und naͤchſt ihr eine Liquidation uͤber die gehabte Unterredung, uͤber die Muͤhe bei Ab- faſſung der Klage, und uͤber die Schreibegebuͤh- ren. — Jch habe, ſo oft ich meine Mutter von dieſer Finte des Herrn Advokat Lungerhart, die ſie Schnellerei nannte, erzaͤhlen hoͤrte, den Erfinder gelobt, und ihn jederzeit fuͤr einen Mann gehalten, der nichts ganz verloren gab, ſondern von allem, was einmal in ſeine juriſtiſchen Haͤnde fiel, den immer moͤglichen Nutzen zog. Das iſt billig, man nahe ſich keinem Diener der goͤttlichen Themis in der Abſicht, ihren Altaͤren ein Opfer zu bringen, und glaube dann dies Opfer wieder zuruͤcknehmen zu koͤnnen, wenigſtens muß dann doch etwas da- von abgeliefert werden, wenn wir auch den Schutz dieſer Goͤttinn nun nicht mehr noͤthig zu haben glauben. Sobald mit Advokat Lungerharten alles be- richtigt war, vergaß Madam Schnitzer den treulo- ſen Flatterfeld, oder dachte wenigſtens nicht anders an ihn, als bei Gelegenheiten, wo ſie ihre bisheri- gen Ausgaben uͤberrechnete. Da verwuͤnſchte ſie ihn aber blos, und ſtudierte allemal aufs neue auf den kraͤftigen Brief, welchen ſie ihm ſchreiben wollte, ſobald ſie ſeine Ankunft in der Stadt erfahren ha- ben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/206
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/206>, abgerufen am 21.11.2024.