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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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pörte, ward durch den Gedanken niedergeschlagen,
daß sie in kurzem Frau Obristlieutenantinn von Tur-
ner, also von eben dem Rang als die vornehmen
Damen der Nachbarschaft sein würde, und Reit-
manns dann mit der größten Berechtigung über die
Ach el ansehen könnte, welches sie auch bei aller Ge-
legeuheit auf das ausgezeichnetste zu thun in ihrem
Herzen beschwor. Was das rauhe und gebietherische
Wesen des Obristlieutenants betraf, so hoffte sie es
ihm bald abzugewöhnen, er kennt mich, dachte sie,
noch nicht, und meint vielleicht eine feige Gans an
mir zu finden, die sich einschrecken läßt, aber ich
will ihm zeigen, daß ich eben so viel Courage habe,
als er, und ich hoffe noch dazu Siegerinn zu wer-
den, sobald es zum ersten Streit unter uns kommt,
dann aber verfolge ich diesen Sieg auch so, daß er
gern für immer unter meinen Zopter kriecht.

Jch bin der Meinung, daß meine Mutter sich
Wort gehalten, und den alten Herrn, wo nicht
ganz so geduldig als den seligen Johann Jacob,
doch sehr nachgebend gemacht hätte, denn wie ich
von Leuten, die ihn kannten, vernahm, so war sein
Herz weit sanfter als sein Ton; nicht nur beleidig-
te er keinen Menschen, war frohsinnig und gut-
müthig, sondern er liebte auch den Frieden, und
soll oft gesagt haben, daß der Soldat, wenn ers

nicht
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poͤrte, ward durch den Gedanken niedergeſchlagen,
daß ſie in kurzem Frau Obriſtlieutenantinn von Tur-
ner, alſo von eben dem Rang als die vornehmen
Damen der Nachbarſchaft ſein wuͤrde, und Reit-
manns dann mit der groͤßten Berechtigung uͤber die
Ach el anſehen koͤnnte, welches ſie auch bei aller Ge-
legeuheit auf das ausgezeichnetſte zu thun in ihrem
Herzen beſchwor. Was das rauhe und gebietheriſche
Weſen des Obriſtlieutenants betraf, ſo hoffte ſie es
ihm bald abzugewoͤhnen, er kennt mich, dachte ſie,
noch nicht, und meint vielleicht eine feige Gans an
mir zu finden, die ſich einſchrecken laͤßt, aber ich
will ihm zeigen, daß ich eben ſo viel Courage habe,
als er, und ich hoffe noch dazu Siegerinn zu wer-
den, ſobald es zum erſten Streit unter uns kommt,
dann aber verfolge ich dieſen Sieg auch ſo, daß er
gern fuͤr immer unter meinen Zopter kriecht.

Jch bin der Meinung, daß meine Mutter ſich
Wort gehalten, und den alten Herrn, wo nicht
ganz ſo geduldig als den ſeligen Johann Jacob,
doch ſehr nachgebend gemacht haͤtte, denn wie ich
von Leuten, die ihn kannten, vernahm, ſo war ſein
Herz weit ſanfter als ſein Ton; nicht nur beleidig-
te er keinen Menſchen, war frohſinnig und gut-
muͤthig, ſondern er liebte auch den Frieden, und
ſoll oft geſagt haben, daß der Soldat, wenn ers

nicht
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[215/0219] poͤrte, ward durch den Gedanken niedergeſchlagen, daß ſie in kurzem Frau Obriſtlieutenantinn von Tur- ner, alſo von eben dem Rang als die vornehmen Damen der Nachbarſchaft ſein wuͤrde, und Reit- manns dann mit der groͤßten Berechtigung uͤber die Ach el anſehen koͤnnte, welches ſie auch bei aller Ge- legeuheit auf das ausgezeichnetſte zu thun in ihrem Herzen beſchwor. Was das rauhe und gebietheriſche Weſen des Obriſtlieutenants betraf, ſo hoffte ſie es ihm bald abzugewoͤhnen, er kennt mich, dachte ſie, noch nicht, und meint vielleicht eine feige Gans an mir zu finden, die ſich einſchrecken laͤßt, aber ich will ihm zeigen, daß ich eben ſo viel Courage habe, als er, und ich hoffe noch dazu Siegerinn zu wer- den, ſobald es zum erſten Streit unter uns kommt, dann aber verfolge ich dieſen Sieg auch ſo, daß er gern fuͤr immer unter meinen Zopter kriecht. Jch bin der Meinung, daß meine Mutter ſich Wort gehalten, und den alten Herrn, wo nicht ganz ſo geduldig als den ſeligen Johann Jacob, doch ſehr nachgebend gemacht haͤtte, denn wie ich von Leuten, die ihn kannten, vernahm, ſo war ſein Herz weit ſanfter als ſein Ton; nicht nur beleidig- te er keinen Menſchen, war frohſinnig und gut- muͤthig, ſondern er liebte auch den Frieden, und ſoll oft geſagt haben, daß der Soldat, wenn ers nicht O 4

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/219>, abgerufen am 21.11.2024.