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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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ther; meine Mutter hätte ihn gern artig und höf-
lich gegen sie gesehen, um der Gesellschaft bemerken
zu lassen, daß er den Platz einnehmen werde, wel-
chen sie vorher Turnern zugedacht hatte, aber er
war gegen alle übrigen höflicher, ja er machte bei
den weiblichen Gästen den Galanten, indessen er
die Frau vom Hause kalt und trocken behandelte.
Er reizte sie sogar, indem er sich in eine junge
Frau verliebt stellte, zur Eifersucht bis dahin, daß
sie ihren Unmuth nicht bergen konnte; und nach-
dem ihn die Gesellschaft hinlänglich bemerkt hatte,
ging sie in ihr Kämmerlein, und weinte die Kräu-
kung aus.

Länger als drei Monate setzte Treff sein ar-
tiges Betragen so fort, meine Mutter wußte nicht
wie sie mit ihm daran war, er dachte nicht ans
abreisen, etablirte sich vielmehr mit aller Bequem-
lichkeit, spielte den Herrn, tadelte seine Frau Wir-
thinn bei allen Gelegenheiten, und verkaufte ihr
seine Gunstbezeugungen auf jede Art so hoch als
möglich. Nicht ein Wort von Werbung um ihre
Hand war noch vorgekommen, und als endlich
Umstände vorhanden waren, welche meine Mutter
nöthigten, den Borschlag der Trauung zu thun, ließ
er sich lange bitten, bewilligte ihn auch nicht eher,
bis sie ihm die Hälfte ihres Vermögens verschrieb,
und
2 r Theil. Q
ther; meine Mutter haͤtte ihn gern artig und hoͤf-
lich gegen ſie geſehen, um der Geſellſchaft bemerken
zu laſſen, daß er den Platz einnehmen werde, wel-
chen ſie vorher Turnern zugedacht hatte, aber er
war gegen alle uͤbrigen hoͤflicher, ja er machte bei
den weiblichen Gaͤſten den Galanten, indeſſen er
die Frau vom Hauſe kalt und trocken behandelte.
Er reizte ſie ſogar, indem er ſich in eine junge
Frau verliebt ſtellte, zur Eiferſucht bis dahin, daß
ſie ihren Unmuth nicht bergen konnte; und nach-
dem ihn die Geſellſchaft hinlaͤnglich bemerkt hatte,
ging ſie in ihr Kaͤmmerlein, und weinte die Kraͤu-
kung aus.

Laͤnger als drei Monate ſetzte Treff ſein ar-
tiges Betragen ſo fort, meine Mutter wußte nicht
wie ſie mit ihm daran war, er dachte nicht ans
abreiſen, etablirte ſich vielmehr mit aller Bequem-
lichkeit, ſpielte den Herrn, tadelte ſeine Frau Wir-
thinn bei allen Gelegenheiten, und verkaufte ihr
ſeine Gunſtbezeugungen auf jede Art ſo hoch als
moͤglich. Nicht ein Wort von Werbung um ihre
Hand war noch vorgekommen, und als endlich
Umſtaͤnde vorhanden waren, welche meine Mutter
noͤthigten, den Borſchlag der Trauung zu thun, ließ
er ſich lange bitten, bewilligte ihn auch nicht eher,
bis ſie ihm die Haͤlfte ihres Vermoͤgens verſchrieb,
und
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[241/0245] ther; meine Mutter haͤtte ihn gern artig und hoͤf- lich gegen ſie geſehen, um der Geſellſchaft bemerken zu laſſen, daß er den Platz einnehmen werde, wel- chen ſie vorher Turnern zugedacht hatte, aber er war gegen alle uͤbrigen hoͤflicher, ja er machte bei den weiblichen Gaͤſten den Galanten, indeſſen er die Frau vom Hauſe kalt und trocken behandelte. Er reizte ſie ſogar, indem er ſich in eine junge Frau verliebt ſtellte, zur Eiferſucht bis dahin, daß ſie ihren Unmuth nicht bergen konnte; und nach- dem ihn die Geſellſchaft hinlaͤnglich bemerkt hatte, ging ſie in ihr Kaͤmmerlein, und weinte die Kraͤu- kung aus. Laͤnger als drei Monate ſetzte Treff ſein ar- tiges Betragen ſo fort, meine Mutter wußte nicht wie ſie mit ihm daran war, er dachte nicht ans abreiſen, etablirte ſich vielmehr mit aller Bequem- lichkeit, ſpielte den Herrn, tadelte ſeine Frau Wir- thinn bei allen Gelegenheiten, und verkaufte ihr ſeine Gunſtbezeugungen auf jede Art ſo hoch als moͤglich. Nicht ein Wort von Werbung um ihre Hand war noch vorgekommen, und als endlich Umſtaͤnde vorhanden waren, welche meine Mutter noͤthigten, den Borſchlag der Trauung zu thun, ließ er ſich lange bitten, bewilligte ihn auch nicht eher, bis ſie ihm die Haͤlfte ihres Vermoͤgens verſchrieb, und 2 r Theil. Q

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/245>, abgerufen am 15.05.2024.