Jch kam sehr geschwind in eine höhere Klasse, begann aber, des Zwanges überdrüßig, Thorheiten, Bosheiten und Stänkereien in derselben auszuüben und anzustiften. Doch nur selten ward ich darüber in Anspruch genommen, denn der Rektor und die Schulherren, mit denen ichs zu thun hatte, liebten mich als ein Genie, und zwar als ein solches, des- sen Mutter für die Lobeserhebungen, welche sie mir ertheilten, erkenntlich war. Jch machte aber auch würklich in allen Wissenschaften zusehends Fort- schritte, den mächtigsten Sporn reichte mir die Freude, ältere Schüler beschämen zu können. Um hierzu immer Gelegenheit zu haben, stellte ich mich freundschaftlich und dienstfertig gegen die Trägen und die armen Teufel mit schweren Begriffen, welche ich unter dem Vorwand ihnen nachzuhelfen und sie zurechte zu führen noch confuser machte, und sie in allem ganz falsch belehrte. Wenn sie es denn auf diese Art vorbrachten, genoß ich im Stillen den Jubel, sie auslachen oder aushunzen zu hören, sie durften nicht sagen, daß ich sie unterrichter hätte, und wenn sie es mir unter vier Augen vorhielten, mußten sie mich unrecht verstanden haben. Kam es aber auch einmal ans Licht, daß ich die armen Wichte so zum besten hätte, so war ein leichter Ver- weis von den Lehrern alles, was ich dafür hinneh- men mußte.
Gern
Jch kam ſehr geſchwind in eine hoͤhere Klaſſe, begann aber, des Zwanges uͤberdruͤßig, Thorheiten, Bosheiten und Staͤnkereien in derſelben auszuuͤben und anzuſtiften. Doch nur ſelten ward ich daruͤber in Anſpruch genommen, denn der Rektor und die Schulherren, mit denen ichs zu thun hatte, liebten mich als ein Genie, und zwar als ein ſolches, des- ſen Mutter fuͤr die Lobeserhebungen, welche ſie mir ertheilten, erkenntlich war. Jch machte aber auch wuͤrklich in allen Wiſſenſchaften zuſehends Fort- ſchritte, den maͤchtigſten Sporn reichte mir die Freude, aͤltere Schuͤler beſchaͤmen zu koͤnnen. Um hierzu immer Gelegenheit zu haben, ſtellte ich mich freundſchaftlich und dienſtfertig gegen die Traͤgen und die armen Teufel mit ſchweren Begriffen, welche ich unter dem Vorwand ihnen nachzuhelfen und ſie zurechte zu fuͤhren noch confuſer machte, und ſie in allem ganz falſch belehrte. Wenn ſie es denn auf dieſe Art vorbrachten, genoß ich im Stillen den Jubel, ſie auslachen oder aushunzen zu hoͤren, ſie durften nicht ſagen, daß ich ſie unterrichter haͤtte, und wenn ſie es mir unter vier Augen vorhielten, mußten ſie mich unrecht verſtanden haben. Kam es aber auch einmal ans Licht, daß ich die armen Wichte ſo zum beſten haͤtte, ſo war ein leichter Ver- weis von den Lehrern alles, was ich dafuͤr hinneh- men mußte.
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Jch kam ſehr geſchwind in eine hoͤhere Klaſſe,
begann aber, des Zwanges uͤberdruͤßig, Thorheiten,
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und anzuſtiften. Doch nur ſelten ward ich daruͤber
in Anſpruch genommen, denn der Rektor und die
Schulherren, mit denen ichs zu thun hatte, liebten
mich als ein Genie, und zwar als ein ſolches, des-
ſen Mutter fuͤr die Lobeserhebungen, welche ſie mir
ertheilten, erkenntlich war. Jch machte aber auch
wuͤrklich in allen Wiſſenſchaften zuſehends Fort-
ſchritte, den maͤchtigſten Sporn reichte mir die
Freude, aͤltere Schuͤler beſchaͤmen zu koͤnnen. Um
hierzu immer Gelegenheit zu haben, ſtellte ich mich
freundſchaftlich und dienſtfertig gegen die Traͤgen
und die armen Teufel mit ſchweren Begriffen, welche
ich unter dem Vorwand ihnen nachzuhelfen und ſie
zurechte zu fuͤhren noch confuſer machte, und ſie in
allem ganz falſch belehrte. Wenn ſie es denn auf
dieſe Art vorbrachten, genoß ich im Stillen den
Jubel, ſie auslachen oder aushunzen zu hoͤren, ſie
durften nicht ſagen, daß ich ſie unterrichter haͤtte,
und wenn ſie es mir unter vier Augen vorhielten,
mußten ſie mich unrecht verſtanden haben. Kam
es aber auch einmal ans Licht, daß ich die armen
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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