ten. Noch ist es lange nicht Abend, lassen Sie uns in diesem Häuschen ein wenig ruhen." Auch dies verweigerte sie nicht, ich ließ die Thür ge- flissentlich offen stehen, wir setzten uns, ich schlang den Arm um sie und schmiegte mich an ihren Bu- fen. Aber, sagte ich und fuhr plötzlich auf, es sollen auch nicht vorübergehende Gaffer mein Glück beneiden, ein halbes Stündchen haben wir Zeit hier zu verweilen, es soll ungestört genossen werden. So machte ich die Thür zu, und eilte meine vorige Lage wieder einzunehmen. Klaus stand ungesehen draußen auf der Wache, ich aber ward von Minute zu Minute feuriger.
Doch ihr werdet nicht wünschen, lieben Leser, die Scene, welche jetzt vorfiel, ganz ausgemahlt zu sehen, ich will also alles überschlagen; und nur be- richten, daß Dorothea halb betäubt und halb ge- zwungen meine Beute ward.
Sie sank nach vollbrachter That nicht in Ohn- macht, aber in ein stilles Hinstarren, in Reue und traurige Ahndung; kein Vorwurf, kein Ach entging ihr, allein Thränen stürzten ihre Wangen herab; sie zitterte und schien nur ungern mir ihren Arm zu geben, um sich zurück in die Stadt führen zu lassen; ohne zu sprechen, still weinend, und immer beklommner, wankte sie neben mir hin. Jch wollte
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ten. Noch iſt es lange nicht Abend, laſſen Sie uns in dieſem Haͤuschen ein wenig ruhen.“ Auch dies verweigerte ſie nicht, ich ließ die Thuͤr ge- fliſſentlich offen ſtehen, wir ſetzten uns, ich ſchlang den Arm um ſie und ſchmiegte mich an ihren Bu- fen. Aber, ſagte ich und fuhr ploͤtzlich auf, es ſollen auch nicht voruͤbergehende Gaffer mein Gluͤck beneiden, ein halbes Stuͤndchen haben wir Zeit hier zu verweilen, es ſoll ungeſtoͤrt genoſſen werden. So machte ich die Thuͤr zu, und eilte meine vorige Lage wieder einzunehmen. Klaus ſtand ungeſehen draußen auf der Wache, ich aber ward von Minute zu Minute feuriger.
Doch ihr werdet nicht wuͤnſchen, lieben Leſer, die Scene, welche jetzt vorfiel, ganz ausgemahlt zu ſehen, ich will alſo alles uͤberſchlagen; und nur be- richten, daß Dorothea halb betaͤubt und halb ge- zwungen meine Beute ward.
Sie ſank nach vollbrachter That nicht in Ohn- macht, aber in ein ſtilles Hinſtarren, in Reue und traurige Ahndung; kein Vorwurf, kein Ach entging ihr, allein Thraͤnen ſtuͤrzten ihre Wangen herab; ſie zitterte und ſchien nur ungern mir ihren Arm zu geben, um ſich zuruͤck in die Stadt fuͤhren zu laſſen; ohne zu ſprechen, ſtill weinend, und immer beklommner, wankte ſie neben mir hin. Jch wollte
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ten. Noch iſt es lange nicht Abend, laſſen Sie
uns in dieſem Haͤuschen ein wenig ruhen.“ Auch
dies verweigerte ſie nicht, ich ließ die Thuͤr ge-
fliſſentlich offen ſtehen, wir ſetzten uns, ich ſchlang
den Arm um ſie und ſchmiegte mich an ihren Bu-
fen. Aber, ſagte ich und fuhr ploͤtzlich auf, es
ſollen auch nicht voruͤbergehende Gaffer mein
Gluͤck beneiden, ein halbes Stuͤndchen haben wir
Zeit hier zu verweilen, es ſoll ungeſtoͤrt genoſſen
werden. So machte ich die Thuͤr zu, und eilte
meine vorige Lage wieder einzunehmen. Klaus
ſtand ungeſehen draußen auf der Wache, ich aber
ward von Minute zu Minute feuriger.
Doch ihr werdet nicht wuͤnſchen, lieben Leſer,
die Scene, welche jetzt vorfiel, ganz ausgemahlt zu
ſehen, ich will alſo alles uͤberſchlagen; und nur be-
richten, daß Dorothea halb betaͤubt und halb ge-
zwungen meine Beute ward.
Sie ſank nach vollbrachter That nicht in Ohn-
macht, aber in ein ſtilles Hinſtarren, in Reue und
traurige Ahndung; kein Vorwurf, kein Ach entging
ihr, allein Thraͤnen ſtuͤrzten ihre Wangen herab;
ſie zitterte und ſchien nur ungern mir ihren Arm
zu geben, um ſich zuruͤck in die Stadt fuͤhren zu
laſſen; ohne zu ſprechen, ſtill weinend, und immer
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/329>, abgerufen am 22.11.2024.
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