Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
neue an, aber keines fiel auf den Hühnerwinkel un-
ter der Treppe, man wußte also nicht was man
denken sollte. Margarethe wollte sich davon ma-
chen, aber theils aus Mitleiden, theils der ge-
nauern Untersuchung wegen, gab es mein Vater
nicht zu, sondern ließ sie unter der Versicherung,
daß er sie nach Befinden der Umstände, so wie auch
bis sie sich entwickelt hätten, in Schutz nehmen
wollte, in eine entfernte Stube gehen. Meine
Mutter lag im Bette, und weinte, schimpfte,
muthmaßte; Madalen kam herein, die jetzt bei den
Mägden residirte, aber die Mutter hieß sie sich
gleich wieder fortpacken, und rief ihr nach: du häß-
licher Balg, wärest du dafür weg, aber dich wird
der Tenfel nicht holen.

Endlich, da man doch nicht immer in Auf-
ruhr sein konnte, und es Zeit zum Abendessen war,
gieng jedes an seine Geschäfte; ich fühlte, daß mich
hungerte, und da ich die Teller klingen hörte,
schlich ich abermals unvermerkt aus meinem Win-
kel hervor, gieng zu meiner Mutter und lachte aus
vollem Halse. Sie war wie neugebohren, fuhr aus
dem Bette, schloß mich in ihre Arme, küßte mich
unzähligemal, und gab mir die zärtlichsten Namen.
Das Mädchen, welches in der Stube gewesen war,
lief heraus und schrie: er ist wieder da! Alles kam,
um
neue an, aber keines fiel auf den Huͤhnerwinkel un-
ter der Treppe, man wußte alſo nicht was man
denken ſollte. Margarethe wollte ſich davon ma-
chen, aber theils aus Mitleiden, theils der ge-
nauern Unterſuchung wegen, gab es mein Vater
nicht zu, ſondern ließ ſie unter der Verſicherung,
daß er ſie nach Befinden der Umſtaͤnde, ſo wie auch
bis ſie ſich entwickelt haͤtten, in Schutz nehmen
wollte, in eine entfernte Stube gehen. Meine
Mutter lag im Bette, und weinte, ſchimpfte,
muthmaßte; Madalen kam herein, die jetzt bei den
Maͤgden reſidirte, aber die Mutter hieß ſie ſich
gleich wieder fortpacken, und rief ihr nach: du haͤß-
licher Balg, waͤreſt du dafuͤr weg, aber dich wird
der Tenfel nicht holen.

Endlich, da man doch nicht immer in Auf-
ruhr ſein konnte, und es Zeit zum Abendeſſen war,
gieng jedes an ſeine Geſchaͤfte; ich fuͤhlte, daß mich
hungerte, und da ich die Teller klingen hoͤrte,
ſchlich ich abermals unvermerkt aus meinem Win-
kel hervor, gieng zu meiner Mutter und lachte aus
vollem Halſe. Sie war wie neugebohren, fuhr aus
dem Bette, ſchloß mich in ihre Arme, kuͤßte mich
unzaͤhligemal, und gab mir die zaͤrtlichſten Namen.
Das Maͤdchen, welches in der Stube geweſen war,
lief heraus und ſchrie: er iſt wieder da! Alles kam,
um
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SUS">
          <p><pb facs="#f0034" n="30"/>
neue an, aber keines fiel auf den Hu&#x0364;hnerwinkel un-<lb/>
ter der Treppe, man wußte al&#x017F;o nicht was man<lb/>
denken &#x017F;ollte. Margarethe wollte &#x017F;ich davon ma-<lb/>
chen, aber theils aus Mitleiden, theils der ge-<lb/>
nauern Unter&#x017F;uchung wegen, gab es mein Vater<lb/>
nicht zu, &#x017F;ondern ließ &#x017F;ie unter der Ver&#x017F;icherung,<lb/>
daß er &#x017F;ie nach Befinden der Um&#x017F;ta&#x0364;nde, &#x017F;o wie auch<lb/>
bis &#x017F;ie &#x017F;ich entwickelt ha&#x0364;tten, in Schutz nehmen<lb/>
wollte, in eine entfernte Stube gehen. Meine<lb/>
Mutter lag im Bette, und weinte, &#x017F;chimpfte,<lb/>
muthmaßte; Madalen kam herein, die jetzt bei den<lb/>
Ma&#x0364;gden re&#x017F;idirte, aber die Mutter hieß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
gleich wieder fortpacken, und rief ihr nach: du ha&#x0364;ß-<lb/>
licher Balg, wa&#x0364;re&#x017F;t du dafu&#x0364;r weg, aber dich wird<lb/>
der Tenfel nicht holen.</p><lb/>
          <p>Endlich, da man doch nicht immer in Auf-<lb/>
ruhr &#x017F;ein konnte, und es Zeit zum Abende&#x017F;&#x017F;en war,<lb/>
gieng jedes an &#x017F;eine Ge&#x017F;cha&#x0364;fte; ich fu&#x0364;hlte, daß mich<lb/>
hungerte, und da ich die Teller klingen ho&#x0364;rte,<lb/>
&#x017F;chlich ich abermals unvermerkt aus meinem Win-<lb/>
kel hervor, gieng zu meiner Mutter und lachte aus<lb/>
vollem Hal&#x017F;e. Sie war wie neugebohren, fuhr aus<lb/>
dem Bette, &#x017F;chloß mich in ihre Arme, ku&#x0364;ßte mich<lb/>
unza&#x0364;hligemal, und gab mir die za&#x0364;rtlich&#x017F;ten Namen.<lb/>
Das Ma&#x0364;dchen, welches in der Stube gewe&#x017F;en war,<lb/>
lief heraus und &#x017F;chrie: er i&#x017F;t wieder da! Alles kam,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">um</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0034] neue an, aber keines fiel auf den Huͤhnerwinkel un- ter der Treppe, man wußte alſo nicht was man denken ſollte. Margarethe wollte ſich davon ma- chen, aber theils aus Mitleiden, theils der ge- nauern Unterſuchung wegen, gab es mein Vater nicht zu, ſondern ließ ſie unter der Verſicherung, daß er ſie nach Befinden der Umſtaͤnde, ſo wie auch bis ſie ſich entwickelt haͤtten, in Schutz nehmen wollte, in eine entfernte Stube gehen. Meine Mutter lag im Bette, und weinte, ſchimpfte, muthmaßte; Madalen kam herein, die jetzt bei den Maͤgden reſidirte, aber die Mutter hieß ſie ſich gleich wieder fortpacken, und rief ihr nach: du haͤß- licher Balg, waͤreſt du dafuͤr weg, aber dich wird der Tenfel nicht holen. Endlich, da man doch nicht immer in Auf- ruhr ſein konnte, und es Zeit zum Abendeſſen war, gieng jedes an ſeine Geſchaͤfte; ich fuͤhlte, daß mich hungerte, und da ich die Teller klingen hoͤrte, ſchlich ich abermals unvermerkt aus meinem Win- kel hervor, gieng zu meiner Mutter und lachte aus vollem Halſe. Sie war wie neugebohren, fuhr aus dem Bette, ſchloß mich in ihre Arme, kuͤßte mich unzaͤhligemal, und gab mir die zaͤrtlichſten Namen. Das Maͤdchen, welches in der Stube geweſen war, lief heraus und ſchrie: er iſt wieder da! Alles kam, um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/34
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/34>, abgerufen am 29.04.2024.