Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Felß, bestärkte aber auch meinen Vater in dem Vor-
satz, mich zu strafen, weil man den Kindern tückische
Streiche und überhaupt die Neigung zu beleidigen
und zu beschädigen, abgewöhnen müßte.

Jch hatte bis hieher vor der Thür zugehört;
jetzt wartete ich nicht ab, daß mein Vater heraus-
kam, sondern lief die Treppe hinunter und fand
glücklich den Weg nach Hause. Nun eilte ich zur
Mutter, und heulte ihr mit aller einem vierjähri-
gen Knaben möglichen Verstellung vor, was sich
der Vater vorgenommen hätte, weil ich ihren Auf-
trag ausgerichtet. -- Man schließe hieraus, welch ein
kluges Kind ich war, da ich schon verstand, mein
Verdienst bei der auf ihren Befehl vollbrachten
Handlung dadurch zu erhöhen, daß ich fürchtete von
meinem Vater gestraft zu werden. -- Sie nahm
mich auf den Arm, bat mich zu schweigen, und
brachte mich in ihre Schlafstube, wo sie mich so-
gleich auszog und zu Bette legte, dann mich ein
Glas Wein austrinken ließ, und mir die versproche-
ne Dorte dazu gab. Sei still, mein Herzchen,
sagte sie, ich will dich schon schützen, und Nach-
mittage bekommst du die schönen Sachen, welche
ich dir versprochen habe, jetzt schlafe nur ein, ich
will dem Vater, wenn er kommt, sagen, du wärest
krank. Sie hatte die Thür verriegelt, um bei den
Anstal-
Felß, beſtaͤrkte aber auch meinen Vater in dem Vor-
ſatz, mich zu ſtrafen, weil man den Kindern tuͤckiſche
Streiche und uͤberhaupt die Neigung zu beleidigen
und zu beſchaͤdigen, abgewoͤhnen muͤßte.

Jch hatte bis hieher vor der Thuͤr zugehoͤrt;
jetzt wartete ich nicht ab, daß mein Vater heraus-
kam, ſondern lief die Treppe hinunter und fand
gluͤcklich den Weg nach Hauſe. Nun eilte ich zur
Mutter, und heulte ihr mit aller einem vierjaͤhri-
gen Knaben moͤglichen Verſtellung vor, was ſich
der Vater vorgenommen haͤtte, weil ich ihren Auf-
trag ausgerichtet. — Man ſchließe hieraus, welch ein
kluges Kind ich war, da ich ſchon verſtand, mein
Verdienſt bei der auf ihren Befehl vollbrachten
Handlung dadurch zu erhoͤhen, daß ich fuͤrchtete von
meinem Vater geſtraft zu werden. — Sie nahm
mich auf den Arm, bat mich zu ſchweigen, und
brachte mich in ihre Schlafſtube, wo ſie mich ſo-
gleich auszog und zu Bette legte, dann mich ein
Glas Wein austrinken ließ, und mir die verſproche-
ne Dorte dazu gab. Sei ſtill, mein Herzchen,
ſagte ſie, ich will dich ſchon ſchuͤtzen, und Nach-
mittage bekommſt du die ſchoͤnen Sachen, welche
ich dir verſprochen habe, jetzt ſchlafe nur ein, ich
will dem Vater, wenn er kommt, ſagen, du waͤreſt
krank. Sie hatte die Thuͤr verriegelt, um bei den
Anſtal-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SUS">
          <p><pb facs="#f0045" n="41"/>
Felß, be&#x017F;ta&#x0364;rkte aber auch meinen Vater in dem Vor-<lb/>
&#x017F;atz, mich zu &#x017F;trafen, weil man den Kindern tu&#x0364;cki&#x017F;che<lb/>
Streiche und u&#x0364;berhaupt die Neigung zu beleidigen<lb/>
und zu be&#x017F;cha&#x0364;digen, abgewo&#x0364;hnen mu&#x0364;ßte.</p><lb/>
          <p>Jch hatte bis hieher vor der Thu&#x0364;r zugeho&#x0364;rt;<lb/>
jetzt wartete ich nicht ab, daß mein Vater heraus-<lb/>
kam, &#x017F;ondern lief die Treppe hinunter und fand<lb/>
glu&#x0364;cklich den Weg nach Hau&#x017F;e. Nun eilte ich zur<lb/>
Mutter, und heulte ihr mit aller einem vierja&#x0364;hri-<lb/>
gen Knaben mo&#x0364;glichen Ver&#x017F;tellung vor, was &#x017F;ich<lb/>
der Vater vorgenommen ha&#x0364;tte, weil ich ihren Auf-<lb/>
trag ausgerichtet. &#x2014; Man &#x017F;chließe hieraus, welch ein<lb/>
kluges Kind ich war, da ich &#x017F;chon ver&#x017F;tand, mein<lb/>
Verdien&#x017F;t bei der auf ihren Befehl vollbrachten<lb/>
Handlung dadurch zu erho&#x0364;hen, daß ich fu&#x0364;rchtete von<lb/>
meinem Vater ge&#x017F;traft zu werden. &#x2014; Sie nahm<lb/>
mich auf den Arm, bat mich zu &#x017F;chweigen, und<lb/>
brachte mich in ihre Schlaf&#x017F;tube, wo &#x017F;ie mich &#x017F;o-<lb/>
gleich auszog und zu Bette legte, dann mich ein<lb/>
Glas Wein austrinken ließ, und mir die ver&#x017F;proche-<lb/>
ne Dorte dazu gab. Sei &#x017F;till, mein Herzchen,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, ich will dich &#x017F;chon &#x017F;chu&#x0364;tzen, und Nach-<lb/>
mittage bekomm&#x017F;t du die &#x017F;cho&#x0364;nen Sachen, welche<lb/>
ich dir ver&#x017F;prochen habe, jetzt &#x017F;chlafe nur ein, ich<lb/>
will dem Vater, wenn er kommt, &#x017F;agen, du wa&#x0364;re&#x017F;t<lb/>
krank. Sie hatte die Thu&#x0364;r verriegelt, um bei den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">An&#x017F;tal-</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0045] Felß, beſtaͤrkte aber auch meinen Vater in dem Vor- ſatz, mich zu ſtrafen, weil man den Kindern tuͤckiſche Streiche und uͤberhaupt die Neigung zu beleidigen und zu beſchaͤdigen, abgewoͤhnen muͤßte. Jch hatte bis hieher vor der Thuͤr zugehoͤrt; jetzt wartete ich nicht ab, daß mein Vater heraus- kam, ſondern lief die Treppe hinunter und fand gluͤcklich den Weg nach Hauſe. Nun eilte ich zur Mutter, und heulte ihr mit aller einem vierjaͤhri- gen Knaben moͤglichen Verſtellung vor, was ſich der Vater vorgenommen haͤtte, weil ich ihren Auf- trag ausgerichtet. — Man ſchließe hieraus, welch ein kluges Kind ich war, da ich ſchon verſtand, mein Verdienſt bei der auf ihren Befehl vollbrachten Handlung dadurch zu erhoͤhen, daß ich fuͤrchtete von meinem Vater geſtraft zu werden. — Sie nahm mich auf den Arm, bat mich zu ſchweigen, und brachte mich in ihre Schlafſtube, wo ſie mich ſo- gleich auszog und zu Bette legte, dann mich ein Glas Wein austrinken ließ, und mir die verſproche- ne Dorte dazu gab. Sei ſtill, mein Herzchen, ſagte ſie, ich will dich ſchon ſchuͤtzen, und Nach- mittage bekommſt du die ſchoͤnen Sachen, welche ich dir verſprochen habe, jetzt ſchlafe nur ein, ich will dem Vater, wenn er kommt, ſagen, du waͤreſt krank. Sie hatte die Thuͤr verriegelt, um bei den Anſtal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/45
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/45>, abgerufen am 03.12.2024.