Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Dir anzufangen, daß Du ordentlich und exact bist,
wird man Dich schon als Secretair an einen Herrn
empfehlen, oder willst Du sonst was anfangen, will
ich Dir auch forthelfen, da kannst Du allemal auf
meine Unterstützung rechnen. Doch erß muß ich
Dich prüfen, verstehst Du mich, prüfen muß ich Dich,
wie Du denkst, was Du für Grundsätze hast, ob Du
weißt, daß ein Gott im Himmel ist und was der
Mensch für Pflichten auf sich hat. Du bist mein
Pathe, ich bin für Dein Seelenheil verantwortlich.
Jch aber habe nicht Zeit, die Prüfung [anz]ustellen,
wie sichs gehört und gebührt, verstehs auch nicht
recht, und Du könntest mir was vorheucheln; drum
hab ich eine andre Absicht mit Dir. Jn H. welches,
wie Du wissen wirst, nur zwei Meilen von hier ist,
wohnt ein trefflicher Geistlicher der Doctor Celestin,
der hat schon manchen jungen rohen Menschen auf
die rechte Bahn gebracht. Der Mann macht sich
Geschäfte dieser Art zum Vergnügen, er ist mein
Freund, und wird mir schon die Biitte gewähren,
Dich auf ein Jahr zu sich zu nehmen, ich will ihn
dafür gut bezahlen und auch Dir ein Taschengeld ge-
ben, wobei Du nicht wie ein Lumpenhund bestehn
sollst. Doctor Celestin ist auch ein sehr gelehrter
Mann, Du kannst Dich bei ihm in Deinen Studien
üben und er wird Dir dabei manch anständiges Ver-
gnügen machen -- morgen reisen wir nach H.

Dieser angekündigte Plan meines Oncle war
so wenig nach meinem Sinn, daß ich den Verdruß
kaum bergen konnte. Welcher Vorschlag! Jch soll-
te ein Jahr lang Garantaine halten. Peter, der
Widerspruch von mir weder erwartete noch sich auf

Kapitu-

Dir anzufangen, daß Du ordentlich und exact biſt,
wird man Dich ſchon als Secretair an einen Herrn
empfehlen, oder willſt Du ſonſt was anfangen, will
ich Dir auch forthelfen, da kannſt Du allemal auf
meine Unterſtuͤtzung rechnen. Doch erß muß ich
Dich pruͤfen, verſtehſt Du mich, pruͤfen muß ich Dich,
wie Du denkſt, was Du fuͤr Grundſaͤtze haſt, ob Du
weißt, daß ein Gott im Himmel iſt und was der
Menſch fuͤr Pflichten auf ſich hat. Du biſt mein
Pathe, ich bin fuͤr Dein Seelenheil verantwortlich.
Jch aber habe nicht Zeit, die Pruͤfung [anz]uſtellen,
wie ſichs gehoͤrt und gebuͤhrt, verſtehs auch nicht
recht, und Du koͤnnteſt mir was vorheucheln; drum
hab ich eine andre Abſicht mit Dir. Jn H. welches,
wie Du wiſſen wirſt, nur zwei Meilen von hier iſt,
wohnt ein trefflicher Geiſtlicher der Doctor Celeſtin,
der hat ſchon manchen jungen rohen Menſchen auf
die rechte Bahn gebracht. Der Mann macht ſich
Geſchaͤfte dieſer Art zum Vergnuͤgen, er iſt mein
Freund, und wird mir ſchon die Biitte gewaͤhren,
Dich auf ein Jahr zu ſich zu nehmen, ich will ihn
dafuͤr gut bezahlen und auch Dir ein Taſchengeld ge-
ben, wobei Du nicht wie ein Lumpenhund beſtehn
ſollſt. Doctor Celeſtin iſt auch ein ſehr gelehrter
Mann, Du kannſt Dich bei ihm in Deinen Studien
uͤben und er wird Dir dabei manch anſtaͤndiges Ver-
gnuͤgen machen — morgen reiſen wir nach H.

Dieſer angekuͤndigte Plan meines Oncle war
ſo wenig nach meinem Sinn, daß ich den Verdruß
kaum bergen konnte. Welcher Vorſchlag! Jch ſoll-
te ein Jahr lang Garantaine halten. Peter, der
Widerſpruch von mir weder erwartete noch ſich auf

Kapitu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0465" n="461"/>
Dir anzufangen, daß Du ordentlich und exact bi&#x017F;t,<lb/>
wird man Dich &#x017F;chon als Secretair an einen Herrn<lb/>
empfehlen, oder will&#x017F;t Du &#x017F;on&#x017F;t was anfangen, will<lb/>
ich Dir auch forthelfen, da kann&#x017F;t Du allemal auf<lb/>
meine Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung rechnen. Doch erß muß ich<lb/>
Dich pru&#x0364;fen, ver&#x017F;teh&#x017F;t Du mich, pru&#x0364;fen muß ich Dich,<lb/>
wie Du denk&#x017F;t, was Du fu&#x0364;r Grund&#x017F;a&#x0364;tze ha&#x017F;t, ob Du<lb/>
weißt, daß ein Gott im Himmel i&#x017F;t und was der<lb/>
Men&#x017F;ch fu&#x0364;r Pflichten auf &#x017F;ich hat. Du bi&#x017F;t mein<lb/>
Pathe, ich bin fu&#x0364;r Dein Seelenheil verantwortlich.<lb/>
Jch aber habe nicht Zeit, die Pru&#x0364;fung <supplied>anz</supplied>u&#x017F;tellen,<lb/>
wie &#x017F;ichs geho&#x0364;rt und gebu&#x0364;hrt, ver&#x017F;tehs auch nicht<lb/>
recht, und Du ko&#x0364;nnte&#x017F;t mir was vorheucheln; drum<lb/>
hab ich eine andre Ab&#x017F;icht mit Dir. Jn H. welches,<lb/>
wie Du wi&#x017F;&#x017F;en wir&#x017F;t, nur zwei Meilen von hier i&#x017F;t,<lb/>
wohnt ein trefflicher Gei&#x017F;tlicher der Doctor Cele&#x017F;tin,<lb/>
der hat &#x017F;chon manchen jungen rohen Men&#x017F;chen auf<lb/>
die rechte Bahn gebracht. Der Mann macht &#x017F;ich<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;fte die&#x017F;er Art zum Vergnu&#x0364;gen, er i&#x017F;t mein<lb/>
Freund, und wird mir &#x017F;chon die Biitte gewa&#x0364;hren,<lb/>
Dich auf ein Jahr zu &#x017F;ich zu nehmen, ich will ihn<lb/>
dafu&#x0364;r gut bezahlen und auch Dir ein Ta&#x017F;chengeld ge-<lb/>
ben, wobei Du nicht wie ein Lumpenhund be&#x017F;tehn<lb/>
&#x017F;oll&#x017F;t. Doctor Cele&#x017F;tin i&#x017F;t auch ein &#x017F;ehr gelehrter<lb/>
Mann, Du kann&#x017F;t Dich bei ihm in Deinen Studien<lb/>
u&#x0364;ben und er wird Dir dabei manch an&#x017F;ta&#x0364;ndiges Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen machen &#x2014; morgen rei&#x017F;en wir nach H.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er angeku&#x0364;ndigte Plan meines Oncle war<lb/>
&#x017F;o wenig nach meinem Sinn, daß ich den Verdruß<lb/>
kaum bergen konnte. Welcher Vor&#x017F;chlag! Jch &#x017F;oll-<lb/>
te ein Jahr lang Garantaine halten. Peter, der<lb/>
Wider&#x017F;pruch von mir weder erwartete noch &#x017F;ich auf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kapitu-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[461/0465] Dir anzufangen, daß Du ordentlich und exact biſt, wird man Dich ſchon als Secretair an einen Herrn empfehlen, oder willſt Du ſonſt was anfangen, will ich Dir auch forthelfen, da kannſt Du allemal auf meine Unterſtuͤtzung rechnen. Doch erß muß ich Dich pruͤfen, verſtehſt Du mich, pruͤfen muß ich Dich, wie Du denkſt, was Du fuͤr Grundſaͤtze haſt, ob Du weißt, daß ein Gott im Himmel iſt und was der Menſch fuͤr Pflichten auf ſich hat. Du biſt mein Pathe, ich bin fuͤr Dein Seelenheil verantwortlich. Jch aber habe nicht Zeit, die Pruͤfung anzuſtellen, wie ſichs gehoͤrt und gebuͤhrt, verſtehs auch nicht recht, und Du koͤnnteſt mir was vorheucheln; drum hab ich eine andre Abſicht mit Dir. Jn H. welches, wie Du wiſſen wirſt, nur zwei Meilen von hier iſt, wohnt ein trefflicher Geiſtlicher der Doctor Celeſtin, der hat ſchon manchen jungen rohen Menſchen auf die rechte Bahn gebracht. Der Mann macht ſich Geſchaͤfte dieſer Art zum Vergnuͤgen, er iſt mein Freund, und wird mir ſchon die Biitte gewaͤhren, Dich auf ein Jahr zu ſich zu nehmen, ich will ihn dafuͤr gut bezahlen und auch Dir ein Taſchengeld ge- ben, wobei Du nicht wie ein Lumpenhund beſtehn ſollſt. Doctor Celeſtin iſt auch ein ſehr gelehrter Mann, Du kannſt Dich bei ihm in Deinen Studien uͤben und er wird Dir dabei manch anſtaͤndiges Ver- gnuͤgen machen — morgen reiſen wir nach H. Dieſer angekuͤndigte Plan meines Oncle war ſo wenig nach meinem Sinn, daß ich den Verdruß kaum bergen konnte. Welcher Vorſchlag! Jch ſoll- te ein Jahr lang Garantaine halten. Peter, der Widerſpruch von mir weder erwartete noch ſich auf Kapitu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/465
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/465>, abgerufen am 02.06.2024.