ausstudirten Eigensinn, den sie doch immer re- spectirte; zugleich war sie viel zu zärtlich, mir we- gen des Stichs in Hannsens Hinterfleisch nur den geringsten Verweis zu geben, vielmehr suchte sie mich, wenn ich weinte und über Schmerz klagte, dadurch zu trösten, daß sie sagte: der abscheuliche boshafte Kerl, die Canaille, wart nur, mein Gold- fritzel, er soll schon noch gezüchtigt werden. Wenn ich mich aber auch auf diese, Hannsen versprochene Züchtigung freute, und gewissermaßen stolz darauf war, daß die Mutter einen Menschen, den ich doch gröblich beleidigt hatte, wegen der mir angethanen Strafe ausschimpfte und ihm Gegensirafe zuerkann- te, so hatte ich doch auch einige Lehre empfangen, forthin war ich behutsamer, und hüthete mich, es mit unsern Leuten aufzunehmen. Doch mit der Zeit verlohr sich das Andenken des Schillings im Holz- stall, und ich nahm in der mir angestammten und so wohl gepflegten Dreustigkeit desto mehr zu.
Bald war ich auch nicht mehr ein Gastwirths- Sohn, denn drei Monate nach Vater Schnitzers Hinscheiden wurde der Gasthof glücklich verpachtet. Madam Suschen wußte ihrem Schwager Peter in einem Briefe die Nothwendigkeit dieser Verände- rung so einleuchtend zu beweisen, daß er sie so- gar billigte, und außer ihm hatte sie keinem Men-
schen
ausſtudirten Eigenſinn, den ſie doch immer re- ſpectirte; zugleich war ſie viel zu zaͤrtlich, mir we- gen des Stichs in Hannſens Hinterfleiſch nur den geringſten Verweis zu geben, vielmehr ſuchte ſie mich, wenn ich weinte und uͤber Schmerz klagte, dadurch zu troͤſten, daß ſie ſagte: der abſcheuliche boshafte Kerl, die Canaille, wart nur, mein Gold- fritzel, er ſoll ſchon noch gezuͤchtigt werden. Wenn ich mich aber auch auf dieſe, Hannſen verſprochene Zuͤchtigung freute, und gewiſſermaßen ſtolz darauf war, daß die Mutter einen Menſchen, den ich doch groͤblich beleidigt hatte, wegen der mir angethanen Strafe ausſchimpfte und ihm Gegenſirafe zuerkann- te, ſo hatte ich doch auch einige Lehre empfangen, forthin war ich behutſamer, und huͤthete mich, es mit unſern Leuten aufzunehmen. Doch mit der Zeit verlohr ſich das Andenken des Schillings im Holz- ſtall, und ich nahm in der mir angeſtammten und ſo wohl gepflegten Dreuſtigkeit deſto mehr zu.
Bald war ich auch nicht mehr ein Gaſtwirths- Sohn, denn drei Monate nach Vater Schnitzers Hinſcheiden wurde der Gaſthof gluͤcklich verpachtet. Madam Suschen wußte ihrem Schwager Peter in einem Briefe die Nothwendigkeit dieſer Veraͤnde- rung ſo einleuchtend zu beweiſen, daß er ſie ſo- gar billigte, und außer ihm hatte ſie keinem Men-
ſchen
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ausſtudirten Eigenſinn, den ſie doch immer re-
ſpectirte; zugleich war ſie viel zu zaͤrtlich, mir we-
gen des Stichs in Hannſens Hinterfleiſch nur den
geringſten Verweis zu geben, vielmehr ſuchte ſie
mich, wenn ich weinte und uͤber Schmerz klagte,
dadurch zu troͤſten, daß ſie ſagte: der abſcheuliche
boshafte Kerl, die Canaille, wart nur, mein Gold-
fritzel, er ſoll ſchon noch gezuͤchtigt werden. Wenn
ich mich aber auch auf dieſe, Hannſen verſprochene
Zuͤchtigung freute, und gewiſſermaßen ſtolz darauf
war, daß die Mutter einen Menſchen, den ich doch
groͤblich beleidigt hatte, wegen der mir angethanen
Strafe ausſchimpfte und ihm Gegenſirafe zuerkann-
te, ſo hatte ich doch auch einige Lehre empfangen,
forthin war ich behutſamer, und huͤthete mich, es
mit unſern Leuten aufzunehmen. Doch mit der Zeit
verlohr ſich das Andenken des Schillings im Holz-
ſtall, und ich nahm in der mir angeſtammten und
ſo wohl gepflegten Dreuſtigkeit deſto mehr zu.
Bald war ich auch nicht mehr ein Gaſtwirths-
Sohn, denn drei Monate nach Vater Schnitzers
Hinſcheiden wurde der Gaſthof gluͤcklich verpachtet.
Madam Suschen wußte ihrem Schwager Peter in
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/96>, abgerufen am 22.11.2024.
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