schen Rechenschaft zu geben, denn alles gehörte ihr ja allein, und sie hatte jede Maaßregel genommen, um durchaus keine Einrede in irgend etwas gewär- tig sein zu müssen. Johann Jacob hätte gern sei- nen Bruder Peter zum Vormund über uns Kin- der gesetzt, aber das ließ sich zu Suschens Trost wegen der Entfernung seines Wohnorts nicht füg- lich thun. Nun konnte er über der Wahl eines andern Gegenstandes nicht einig werden, keiner von denen, die er in Vorschlag brachte, stand meiner Mutter an, und so wollte er sich den Kopf nicht weiter zerbrechen, sondern auch diesen Punkt ihrer Verfügung überlassen. Sie erwählte, da sie, wie sie anfangs immer sagte, eine betrübte und ver- lassene Wittwe, und ihre Kinder eben solche Wai- sen waren, einen etwas trägen, zugleich aber eigen- nützigen Mann zu unserm Vormund und ihrem Cu- rator, und hatte sich und ihre Absichten auch durch diese kluge Handlung nun für die Zukunft völlig gedeckt.
Die Zeit der Trauer gieng in unserm zweiten Hause meist ruhig hin, die ersten Wochen wurden mit Einrichtungen zugebracht. Die sogenannte belle etage, die wir jetzt bewohnten, ward ganz neu und herrlich meublirt, es wurden zwei weib- liche Bedienungen und ein Bedienter angenommen;
meine
ſchen Rechenſchaft zu geben, denn alles gehoͤrte ihr ja allein, und ſie hatte jede Maaßregel genommen, um durchaus keine Einrede in irgend etwas gewaͤr- tig ſein zu muͤſſen. Johann Jacob haͤtte gern ſei- nen Bruder Peter zum Vormund uͤber uns Kin- der geſetzt, aber das ließ ſich zu Suschens Troſt wegen der Entfernung ſeines Wohnorts nicht fuͤg- lich thun. Nun konnte er uͤber der Wahl eines andern Gegenſtandes nicht einig werden, keiner von denen, die er in Vorſchlag brachte, ſtand meiner Mutter an, und ſo wollte er ſich den Kopf nicht weiter zerbrechen, ſondern auch dieſen Punkt ihrer Verfuͤgung uͤberlaſſen. Sie erwaͤhlte, da ſie, wie ſie anfangs immer ſagte, eine betruͤbte und ver- laſſene Wittwe, und ihre Kinder eben ſolche Wai- ſen waren, einen etwas traͤgen, zugleich aber eigen- nuͤtzigen Mann zu unſerm Vormund und ihrem Cu- rator, und hatte ſich und ihre Abſichten auch durch dieſe kluge Handlung nun fuͤr die Zukunft voͤllig gedeckt.
Die Zeit der Trauer gieng in unſerm zweiten Hauſe meiſt ruhig hin, die erſten Wochen wurden mit Einrichtungen zugebracht. Die ſogenannte belle étage, die wir jetzt bewohnten, ward ganz neu und herrlich meublirt, es wurden zwei weib- liche Bedienungen und ein Bedienter angenommen;
meine
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ſchen Rechenſchaft zu geben, denn alles gehoͤrte ihr
ja allein, und ſie hatte jede Maaßregel genommen,
um durchaus keine Einrede in irgend etwas gewaͤr-
tig ſein zu muͤſſen. Johann Jacob haͤtte gern ſei-
nen Bruder Peter zum Vormund uͤber uns Kin-
der geſetzt, aber das ließ ſich zu Suschens Troſt
wegen der Entfernung ſeines Wohnorts nicht fuͤg-
lich thun. Nun konnte er uͤber der Wahl eines
andern Gegenſtandes nicht einig werden, keiner von
denen, die er in Vorſchlag brachte, ſtand meiner
Mutter an, und ſo wollte er ſich den Kopf nicht
weiter zerbrechen, ſondern auch dieſen Punkt ihrer
Verfuͤgung uͤberlaſſen. Sie erwaͤhlte, da ſie, wie
ſie anfangs immer ſagte, eine betruͤbte und ver-
laſſene Wittwe, und ihre Kinder eben ſolche Wai-
ſen waren, einen etwas traͤgen, zugleich aber eigen-
nuͤtzigen Mann zu unſerm Vormund und ihrem Cu-
rator, und hatte ſich und ihre Abſichten auch durch
dieſe kluge Handlung nun fuͤr die Zukunft voͤllig
gedeckt.
Die Zeit der Trauer gieng in unſerm zweiten
Hauſe meiſt ruhig hin, die erſten Wochen wurden
mit Einrichtungen zugebracht. Die ſogenannte
belle étage, die wir jetzt bewohnten, ward ganz
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/97>, abgerufen am 22.11.2024.
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