Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.[Spaltenumbruch] 56 Man muss oft vom Rock abschneiden, um an den Latz anzusetzen. Die Böhmen schneiden von den Ohren ab und setzen an den Bauch oder umgekehrt, um so aus der Noth eine Tugend zu machen. Böhm.: Urez ucha, nastav brucha. (Celakovsky, 178.) 57 Man sieht wol auf den Rock, aber nicht auf den Bauch. (S. Arm 16.) Dän.: Alle see hans bolde arm, ingen seer hans slunkne tarm. (Bohn II, 347.) 58 Man soll den alten Rock nicht eher wegwerffen, man hab denn ein newen. - Luther's Tischr., 440a. Lat.: V non mutabis, donec plurale videbis. (Latendorf, II, 45.) "Dieser lateinischen Vers", bemerkt Sandvoss (Sprichwörterlese, 92), "hat keine Schwierigkeit, wenn man daran denkt, dass das Plurale des V (römische 5), X = X, d. i. 10 ist, der Sinn also: Gib das Geringere nicht fort, bevor du das Werthvollere hast." 59 Mit weissem Rock muss man nicht zum Köhler gehen. Die Russen: Je weisser der Rock, je eher erkennt man den Köhler. (Altmann VI, 405.) 60 Nicht in allen deutschen Röcken steckt ein deutsches Herz. 61 Niemand wolt gern Rock vnd Ermel zugleich verlieren. - Lehmann, 793, 13. 62 Nimmst' me (nimmst du mir) mein Rock, so mach' i de (dir) koan Kopf. (Unterinnthal.) - Frommann, VI, 34, 7. So sagt der Kopfkohl, um die Schädlichkeit anzudeuten, ihm die äussern Blätter zu frühzeitig zur Fütterung zu nehmen. 63 Rock, dreh' dich, ich habe zu Hause noch vier. Sagen die tanzenden Mädchen Litauens. 64 Rock verdeckt manch groben Plock. Lat.: Ut cuculla non facit monachum, ita nec vestis Gallum. (Chaos, 1080.) 65 Röcke und bracculae verdecken manche maculae. - Tobler, 285. 66 Schlechter Rock und weiser Kopf vertragen sich wohl miteinander. Lat.: Sub laceris crebro virtus latet aurea pannis. (Binder II, 3221.) 67 Schlechter Rock verbirgt ein gutes Hemde. 68 Tom Rock kep di Wand, denn blöfst bi Verstand, to Hose kop di Ledder, denn krögst din Göld wedder. (Königsberg.) 69 Unter dem Rock eines armen Mannes verdirbt viel Weisheit. 70 Unter einem grauen Rock wohnt auch Weisheit. Holl.: Onder een' graauwen rok schuilt dikwijls groote wijsheid. (Harrebomee, II, 1.) 71 Unter einem schlechten (schlichten) Rock wohnt oft ein gutes Herz. 72 Verdienter Rock wärmt mehr als ein geliehener Mantel. - Gubitz, Volkskalender, 1858. 73 Vor einem schlechten Rocke macht man keine Reverenzen. Lat.: In vili veste nemo tractatur honeste. (Gaal, 1020.) 74 Wem der Rock nicht passt, der ziehe ihn nicht an. 75 Wend den Rock umb, so hastu ein anders Spiel. - Lehmann, 176, 22. 76 Wenn der rock ist erbeten, so than die Jungfraw nicht hoch tretten. - Henisch, 909, 34; Petri, II, 637. 77 Wenn der Rock zugeschnitten ist, muss er auch genäht werden. Holl.: Is de rok gesneden, hij moet genaaid worden. (Harrebomee, II, 226b.) 78 Wenn du den Rock schenkst, so gib auch den Knopf. 79 Wenn einen macht gelehrt sein Rock, leicht Dokter wird ein Ziegenbock. - Petri, II, 650. 80 Wenn ich den rock schütte, so fellet alles ab. - Agricola I, 171; Gruter, I, 78. Sprache des Schuldlosen oder gegen Vorwürfe Gleichgültigen. 81 Wenn man den rock ausskehert, so geht immer Haar mit. - Lehmann, 580, 1. 82 Wer den Rock macht, trägt ihn nicht. 83 Wer den Rock verliert, verliert auch den Freund. [Spaltenumbruch] 84 Wer dir den Rock bürstet, dem kehre den Mantel. - Sprichwörtergarten, 106. Für einen freundlichen Dienst grösserer Gegendienst. Frz.: Comme il te fait, fais-lui. - Un barbier rase l'autre. 85 Wer in geborgtem (gestohlenem) Rock ausgeht, kommt in Hemdsärmeln nach Hause. Span.: Quien se viste de lo ajeno, en la calle lo desnudan. (Cahier, 3187.) 86 Wer keinen Rock trägt, braucht keinen zu knöpfen. Die Russen: Die ohne Kleider gehen, brauchen sich nicht zu gürten. (Altmann VI, 495.) 87 Wer nicht ein newen rock kan machen, der soll den alten flicken. - Lehmann, 85, 32 u. 657, 55. 88 Wer nur Einen Rock hat, kann ihn nicht verleihen. Span.: Quien no tiene mas de un sayo, no puede prestarlo. (Bohn III, 251.) 89 Were mirs am rock, so wolt ichs wol abwaschen. - Luther's Ms., S. 3. 90 Zerrissener Rock macht keinen Gelehrten. *91 A hot nich me enn Rok und enn Got. (Schles.) - Frommann, III, 410. In Wien: Er hoat an Rock und an Gott. *92 Dabei ist ein neuer Rock zu verdienen. *93 Dar mutt de Rock bi ut. - Kern, 1066. Das ist keine gewöhnliche, sondern eine Arbeit, die grosse Anstrengung erfordert. *94 De Rock is bi de Gaten noch hel. - Kern, 1065. Spott auf ein zerlöchertes Kleidungsstück, das neben den Löchern noch ganz ist. *95 De Rok is er ut de Folen. (Hamburg.) - Schütze, I, 330. Ihr Rock ist aus den Falten; sie ist keine Jungfer mehr. *96 Den blauen Rock anziehen. Soldat werden. *97 Den Rock der Eule anziehen. (Lit.) *98 Den Rock des Kaisers für ein paar Pfennige (Kreuzer) im Lande herumtragen. Für eine sehr kärgliche Besoldung in kaiserlichen (königlichen, Staats-) Diensten stehen. *99 Den Rock nach dem Wind kheren. - Hock, 25a. *100 Den Rock schütteln und davongehen. - Eiselein, 530. *101 Der Rock geht aus dem Leime. (Grünberg.) Die Sache zerfällt. *102 Der Rock passt ihm nicht. *103 Du hast einen rothen Rock verdient. (Elsass.) - Klein, II, 91. Zu jemand, der andern gern etwas zuträgt, verräth. *104 Ea hod an waissn Rouk kriagg (Rock gekriegt). (Steiermark.) - Firmenich, II, 767, 66. Er ist Soldat geworden. *105 Einem auf den Rock treten. - Mathesy, I, 55b. *106 Einem den Rock abschneiden. So liess Peter der Grosse den Russen, um sie allmählich an die deutsche Tracht zu gewöhnen, die langen Röcke, so weit sie beim Niederknien den Boden bedeckten, abschneiden. Die Redensart ist ursprünglich französisch: Couper la jupe, und heisst dort soviel als jemand in entehrender Weise, nicht durch Brandmal, nicht unmittelbar am Leibe, sondern an seiner Umhüllung kennzeichnen. Der Ausdruck kommt von der früher geübten Sitte her, leichtfertigen Frauenzimmern, um sie äusserlich von andern ehrbaren ihres Geschlechts zu unterscheiden, die Kleider abzuschneiden. In ähnlicher Weise verfuhr auch Toussaint-Louverture auf San-Domingo gegen die müssig gehenden und liederlichen Negerinnen. Er liess sie in Haufen zusammentreiben und ihnen auf dem Platz die Röcke sammt den Hemden abschneiden, um sie arbeitsfähiger zu machen. (Vgl. Wurzbach III, 70.) *107 Einem den Rock anziehen (wollen, helfen). *108 Einem den Rock zerreissen. - Suringar, CCIII, 7. *109 Einen beim Rock fassen (oder: am Rock zausen). "Nie hat sich eine Grossmacht so ungestraft am Rocke zausen lassen, als in diesem Falle Oesterreich." (Schles. Zeitung, 1872, Nr. 41.) Holl.: Men heeft hem bij zijn kleed. (Harrebomee, I, 412b.) *110 (Sich) Einen Grawen Rock verdienen. - Eiselein, 530; Körte, 5085b. Von schwatz- und klatschhaften Dienstboten, die Uneinigkeit befördern und Feindschaft nähren, von Wohldienern [Spaltenumbruch] 56 Man muss oft vom Rock abschneiden, um an den Latz anzusetzen. Die Böhmen schneiden von den Ohren ab und setzen an den Bauch oder umgekehrt, um so aus der Noth eine Tugend zu machen. Böhm.: Uřež ucha, nastav břucha. (Čelakovsky, 178.) 57 Man sieht wol auf den Rock, aber nicht auf den Bauch. (S. Arm 16.) Dän.: Alle see hans bolde arm, ingen seer hans slunkne tarm. (Bohn II, 347.) 58 Man soll den alten Rock nicht eher wegwerffen, man hab denn ein newen. – Luther's Tischr., 440a. Lat.: V non mutabis, donec plurale videbis. 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56 Man muss oft vom Rock abschneiden, um an den Latz anzusetzen.
Die Böhmen schneiden von den Ohren ab und setzen an den Bauch oder umgekehrt, um so aus der Noth eine Tugend zu machen.
Böhm.: Uřež ucha, nastav břucha. (Čelakovsky, 178.)
57 Man sieht wol auf den Rock, aber nicht auf den Bauch. (S. Arm 16.)
Dän.: Alle see hans bolde arm, ingen seer hans slunkne tarm. (Bohn II, 347.)
58 Man soll den alten Rock nicht eher wegwerffen, man hab denn ein newen. – Luther's Tischr., 440a.
Lat.: V non mutabis, donec plurale videbis. (Latendorf, II, 45.)
„Dieser lateinischen Vers“, bemerkt Sandvoss (Sprichwörterlese, 92), „hat keine Schwierigkeit, wenn man daran denkt, dass das Plurale des V (römische 5), X = X, d. i. 10 ist, der Sinn also: Gib das Geringere nicht fort, bevor du das Werthvollere hast.“
59 Mit weissem Rock muss man nicht zum Köhler gehen.
Die Russen: Je weisser der Rock, je eher erkennt man den Köhler. (Altmann VI, 405.)
60 Nicht in allen deutschen Röcken steckt ein deutsches Herz.
61 Niemand wolt gern Rock vnd Ermel zugleich verlieren. – Lehmann, 793, 13.
62 Nimmst' me (nimmst du mir) mein Rock, so mach' i de (dir) koan Kopf. (Unterinnthal.) – Frommann, VI, 34, 7.
So sagt der Kopfkohl, um die Schädlichkeit anzudeuten, ihm die äussern Blätter zu frühzeitig zur Fütterung zu nehmen.
63 Rock, dreh' dich, ich habe zu Hause noch vier.
Sagen die tanzenden Mädchen Litauens.
64 Rock verdeckt manch groben Plock.
Lat.: Ut cuculla non facit monachum, ita nec vestis Gallum. (Chaos, 1080.)
65 Röcke und bracculae verdecken manche maculae. – Tobler, 285.
66 Schlechter Rock und weiser Kopf vertragen sich wohl miteinander.
Lat.: Sub laceris crebro virtus latet aurea pannis. (Binder II, 3221.)
67 Schlechter Rock verbirgt ein gutes Hemde.
68 Tom Rock kêp di Wand, denn blöfst bi Verstand, to Hose kop di Ledder, denn krögst din Göld wedder. (Königsberg.)
69 Unter dem Rock eines armen Mannes verdirbt viel Weisheit.
70 Unter einem grauen Rock wohnt auch Weisheit.
Holl.: Onder een' graauwen rok schuilt dikwijls groote wijsheid. (Harrebomée, II, 1.)
71 Unter einem schlechten (schlichten) Rock wohnt oft ein gutes Herz.
72 Verdienter Rock wärmt mehr als ein geliehener Mantel. – Gubitz, Volkskalender, 1858.
73 Vor einem schlechten Rocke macht man keine Reverenzen.
Lat.: In vili veste nemo tractatur honeste. (Gaal, 1020.)
74 Wem der Rock nicht passt, der ziehe ihn nicht an.
75 Wend den Rock umb, so hastu ein anders Spiel. – Lehmann, 176, 22.
76 Wenn der rock ist erbeten, so than die Jungfraw nicht hoch tretten. – Henisch, 909, 34; Petri, II, 637.
77 Wenn der Rock zugeschnitten ist, muss er auch genäht werden.
Holl.: Is de rok gesneden, hij moet genaaid worden. (Harrebomée, II, 226b.)
78 Wenn du den Rock schenkst, so gib auch den Knopf.
79 Wenn einen macht gelehrt sein Rock, leicht Dokter wird ein Ziegenbock. – Petri, II, 650.
80 Wenn ich den rock schütte, so fellet alles ab. – Agricola I, 171; Gruter, I, 78.
Sprache des Schuldlosen oder gegen Vorwürfe Gleichgültigen.
81 Wenn man den rock ausskehert, so geht immer Haar mit. – Lehmann, 580, 1.
82 Wer den Rock macht, trägt ihn nicht.
83 Wer den Rock verliert, verliert auch den Freund.
84 Wer dir den Rock bürstet, dem kehre den Mantel. – Sprichwörtergarten, 106.
Für einen freundlichen Dienst grösserer Gegendienst.
Frz.: Comme il te fait, fais-lui. – Un barbier rase l'autre.
85 Wer in geborgtem (gestohlenem) Rock ausgeht, kommt in Hemdsärmeln nach Hause.
Span.: Quien se viste de lo ajeno, en la calle lo desnudan. (Cahier, 3187.)
86 Wer keinen Rock trägt, braucht keinen zu knöpfen.
Die Russen: Die ohne Kleider gehen, brauchen sich nicht zu gürten. (Altmann VI, 495.)
87 Wer nicht ein newen rock kan machen, der soll den alten flicken. – Lehmann, 85, 32 u. 657, 55.
88 Wer nur Einen Rock hat, kann ihn nicht verleihen.
Span.: Quien no tiene mas de un sayo, no puede prestarlo. (Bohn III, 251.)
89 Were mirs am rock, so wolt ichs wol abwaschen. – Luther's Ms., S. 3.
90 Zerrissener Rock macht keinen Gelehrten.
*91 A hôt nich mê enn Rôk und enn Gôt. (Schles.) – Frommann, III, 410.
In Wien: Er hoat an Rock und an Gott.
*92 Dabei ist ein neuer Rock zu verdienen.
*93 Dar mutt de Rock bi ut. – Kern, 1066.
Das ist keine gewöhnliche, sondern eine Arbeit, die grosse Anstrengung erfordert.
*94 De Rock is bi de Gaten noch hêl. – Kern, 1065.
Spott auf ein zerlöchertes Kleidungsstück, das neben den Löchern noch ganz ist.
*95 De Rok is êr ut de Fôlen. (Hamburg.) – Schütze, I, 330.
Ihr Rock ist aus den Falten; sie ist keine Jungfer mehr.
*96 Den blauen Rock anziehen.
Soldat werden.
*97 Den Rock der Eule anziehen. (Lit.)
*98 Den Rock des Kaisers für ein paar Pfennige (Kreuzer) im Lande herumtragen.
Für eine sehr kärgliche Besoldung in kaiserlichen (königlichen, Staats-) Diensten stehen.
*99 Den Rock nach dem Wind kheren. – Hock, 25a.
*100 Den Rock schütteln und davongehen. – Eiselein, 530.
*101 Der Rock geht aus dem Leime. (Grünberg.)
Die Sache zerfällt.
*102 Der Rock passt ihm nicht.
*103 Du hast einen rothen Rock verdient. (Elsass.) – Klein, II, 91.
Zu jemand, der andern gern etwas zuträgt, verräth.
*104 Ea hod an waissn Rouk kriagg (Rock gekriegt). (Steiermark.) – Firmenich, II, 767, 66.
Er ist Soldat geworden.
*105 Einem auf den Rock treten. – Mathesy, I, 55b.
*106 Einem den Rock abschneiden.
So liess Peter der Grosse den Russen, um sie allmählich an die deutsche Tracht zu gewöhnen, die langen Röcke, so weit sie beim Niederknien den Boden bedeckten, abschneiden. Die Redensart ist ursprünglich französisch: Couper la jupe, und heisst dort soviel als jemand in entehrender Weise, nicht durch Brandmal, nicht unmittelbar am Leibe, sondern an seiner Umhüllung kennzeichnen. Der Ausdruck kommt von der früher geübten Sitte her, leichtfertigen Frauenzimmern, um sie äusserlich von andern ehrbaren ihres Geschlechts zu unterscheiden, die Kleider abzuschneiden. In ähnlicher Weise verfuhr auch Toussaint-Louverture auf San-Domingo gegen die müssig gehenden und liederlichen Negerinnen. Er liess sie in Haufen zusammentreiben und ihnen auf dem Platz die Röcke sammt den Hemden abschneiden, um sie arbeitsfähiger zu machen. (Vgl. Wurzbach III, 70.)
*107 Einem den Rock anziehen (wollen, helfen).
*108 Einem den Rock zerreissen. – Suringar, CCIII, 7.
*109 Einen beim Rock fassen (oder: am Rock zausen).
„Nie hat sich eine Grossmacht so ungestraft am Rocke zausen lassen, als in diesem Falle Oesterreich.“ (Schles. Zeitung, 1872, Nr. 41.)
Holl.: Men heeft hem bij zijn kleed. (Harrebomée, I, 412b.)
*110 (Sich) Einen Grawen Rock verdienen. – Eiselein, 530; Körte, 5085b.
Von schwatz- und klatschhaften Dienstboten, die Uneinigkeit befördern und Feindschaft nähren, von Wohldienern
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