Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 5. Leipzig, 1880.Cantors, vorgezogen worden; darum wollte man ihn um jeden Preis wieder aus dem Dorfe haben. Wander sollte dem Cantor Kusche eine moralische Stütze sein. Obzwar Kusche das Unglück hatte, nur auf einem Auge zu sehen, sah er doch mehr, als andere Lehrer mit zweien. Der Cantor und sein neuer Hülfslehrer, dessen materielle Stellung keineswegs zu den guten zählte, gewannen einander bald sehr lieb; jener besass viel guten Willen, ein gesundes, durch Erfahrungen gereiftes Urtheil und ermuthigte diesen mit den Worten: "Wir wollen uns schon durchkämpfen!" Und Eintracht war hier nothwendig. Wander sah bald ein, dass es das Beste sei, seinem Berufe und seinen Bestrebungen zu leben. Dafür nannte man ihn einen "frommen Pinsel", einen "Lämmelbruder" und, weil er auf dem Chore nicht als Solosänger auftrat, einen untauglichen Lehrer. Diese Untauglichkeit in den Augen der Gemeinde und des - Pastors trat noch mehr hervor, als Wander seine Klasse durch eine neue Lesemethode reformirte, die nur deshalb so viele Gegner fand, weil sie vom Althergebrachten ganz und gar abwich. "Gerade wenn ich höre, es sei immer so gewesen, liebe ich es, es einmal anders zu versuchen", sagte Wander und blieb bei seiner Ansicht. Faule Nachgiebigkeit war ihm fremd; er hatte sich dem Wahlspruche geweiht: "Wer auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich." Der Pastor, der zugleich Revisor der Schule war, that alles Mögliche, um Wander in Miscredit bei der Gemeinde zu bringen, besonders, seitdem dieser sich geweigert hatte, die Kinder in der Kirche zu beaufsichtigen. Diese feindselige Stellung des Revisors hatte endlich zur Folge, dass sich eine Partei gegen Wander bildete, die ihn schlechtweg davonjagen wollte. Es kam nicht dazu. Wander zog sich aber jetzt desto mehr zurück und las und schrieb fleissig. Schiller, Jean Paul, Goethe, Gellert, Langbein und Ludwig Wekherlin, dessen "Graues Ungeheuer" ihm bei einem bunzlauer Buchbinder in die Hände gekommen war, bildeten zu dieser Zeit seine Hauptlektüre. Dadurch bildete er sich in der Literatur immer besser aus, sodass ihn Puschmann oft nur den Professor der Poetik nannte, der für Giesmannsdorf zu gelehrt sei und nach Heidelberg versetzt werden müsse. Aus Heidelberg wurde Hirschberg. Als Wander am letzten Tage des Jahres 1826 Giesmannsdorf verliess, um eine Lehrerstelle an der neuorganisirten Stadtschule zu Hirschberg zu übernehmen, gab es des Weinens der Kinder und des Klagens der Aeltern kein Ende über den Verlust des wohlmeinenden, tüchtigen Lehrers. Was Wander in Giesmannsdorf erlebt und erlitten, hat er in der Schrift: "Aus meinem Hülfslehrerleben" (Leipzig 1869), niedergelegt. Die erste Function Wander's in Hirschberg war das Begräbniss eines - Lehrers. Wäre Wander abergläubig gewesen, so konnte ihm dieser Umstand als ein Zeichen schlimmer Vorbedeutung gelten. Er achtete nicht darauf. Am 20. März 1827 übertrug ihm der Revisor der Schule die zweite Lehrerstelle mit freier Wohnung im Schulhause, das am 1. Mai eingeweiht wurde und die vier Bezirksschulen zu einer Stadtschule zusammenfasste. Die Schulen standen durchaus nicht in jener Blüte, wie sie Wander von den hirschberger Lehrern erwartet hatte; ja, er musste bald einsehen, dass es auch nicht so bald besser werden sollte. Es fehlte der Schule an einer ernstlichen Leitung. Das Hauswesen liess sich Wander von seiner Schwester besorgen; auch nahm er seinen jüngern Bruder zu sich, der in Hirschberg das Gymnasium absolvirte. Am letzten Tage desselben Jahres (1827) starb sein Vater in Fischbach, wo Wander dann am 24. Februar 1828 seine Verlobung mit Fräulein Charlotte Wilhelmine Fritsch feierte; die Vermählung folgte schon am 6. Mai in der Gnadenkirche zu Hirschberg durch den Superintendenten und Schulrevisor Nagel. Wander hatte in Hirschberg bald Gründe, unzufrieden zu sein. Die Fenster seiner Wohnung gestatteten der Kälte und dem Wetter ungehinderten Eingang. Die Antwort auf die Bitte nach Abhülfe, die durch Vorfenster leicht zu leisten war, lautete: Wenn es die andern Lehrer aushielten, könne es auch Wander aushalten; die Fenster seien im ganzen Hause gleich. Er hielt es in der That aus bis in den Juli 1830; dann bezog ein anderer Lehrer seine Amtswohnung, während Wander mit Genehmigung der königl. Regierung zu Liegnitz ein Quartier ausserhalb der Schule nahm und bis zum Jahre 1835 bei seiner Schwiegermutter wohnte. Einen andern Streitpunkt bildete der Umstand, dass nach Abgang eines Lehrers Wander wöchentlich 12 Stunden länger unterrichten musste, als die Vorschrift gebot. Er that es in der Hoffnung, man werde sich für diese Mehrleistung zu einer entsprechenden Remuneration verstehen. Cantors, vorgezogen worden; darum wollte man ihn um jeden Preis wieder aus dem Dorfe haben. Wander sollte dem Cantor Kusche eine moralische Stütze sein. Obzwar Kusche das Unglück hatte, nur auf einem Auge zu sehen, sah er doch mehr, als andere Lehrer mit zweien. Der Cantor und sein neuer Hülfslehrer, dessen materielle Stellung keineswegs zu den guten zählte, gewannen einander bald sehr lieb; jener besass viel guten Willen, ein gesundes, durch Erfahrungen gereiftes Urtheil und ermuthigte diesen mit den Worten: „Wir wollen uns schon durchkämpfen!“ Und Eintracht war hier nothwendig. Wander sah bald ein, dass es das Beste sei, seinem Berufe und seinen Bestrebungen zu leben. Dafür nannte man ihn einen „frommen Pinsel“, einen „Lämmelbruder“ und, weil er auf dem Chore nicht als Solosänger auftrat, einen untauglichen Lehrer. Diese Untauglichkeit in den Augen der Gemeinde und des – Pastors trat noch mehr hervor, als Wander seine Klasse durch eine neue Lesemethode reformirte, die nur deshalb so viele Gegner fand, weil sie vom Althergebrachten ganz und gar abwich. „Gerade wenn ich höre, es sei immer so gewesen, liebe ich es, es einmal anders zu versuchen“, sagte Wander und blieb bei seiner Ansicht. Faule Nachgiebigkeit war ihm fremd; er hatte sich dem Wahlspruche geweiht: „Wer auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.“ Der Pastor, der zugleich Revisor der Schule war, that alles Mögliche, um Wander in Miscredit bei der Gemeinde zu bringen, besonders, seitdem dieser sich geweigert hatte, die Kinder in der Kirche zu beaufsichtigen. Diese feindselige Stellung des Revisors hatte endlich zur Folge, dass sich eine Partei gegen Wander bildete, die ihn schlechtweg davonjagen wollte. Es kam nicht dazu. Wander zog sich aber jetzt desto mehr zurück und las und schrieb fleissig. Schiller, Jean Paul, Goethe, Gellert, Langbein und Ludwig Wekherlin, dessen „Graues Ungeheuer“ ihm bei einem bunzlauer Buchbinder in die Hände gekommen war, bildeten zu dieser Zeit seine Hauptlektüre. Dadurch bildete er sich in der Literatur immer besser aus, sodass ihn Puschmann oft nur den Professor der Poetik nannte, der für Giesmannsdorf zu gelehrt sei und nach Heidelberg versetzt werden müsse. Aus Heidelberg wurde Hirschberg. Als Wander am letzten Tage des Jahres 1826 Giesmannsdorf verliess, um eine Lehrerstelle an der neuorganisirten Stadtschule zu Hirschberg zu übernehmen, gab es des Weinens der Kinder und des Klagens der Aeltern kein Ende über den Verlust des wohlmeinenden, tüchtigen Lehrers. Was Wander in Giesmannsdorf erlebt und erlitten, hat er in der Schrift: „Aus meinem Hülfslehrerleben“ (Leipzig 1869), niedergelegt. Die erste Function Wander's in Hirschberg war das Begräbniss eines – Lehrers. Wäre Wander abergläubig gewesen, so konnte ihm dieser Umstand als ein Zeichen schlimmer Vorbedeutung gelten. Er achtete nicht darauf. Am 20. März 1827 übertrug ihm der Revisor der Schule die zweite Lehrerstelle mit freier Wohnung im Schulhause, das am 1. Mai eingeweiht wurde und die vier Bezirksschulen zu einer Stadtschule zusammenfasste. Die Schulen standen durchaus nicht in jener Blüte, wie sie Wander von den hirschberger Lehrern erwartet hatte; ja, er musste bald einsehen, dass es auch nicht so bald besser werden sollte. Es fehlte der Schule an einer ernstlichen Leitung. Das Hauswesen liess sich Wander von seiner Schwester besorgen; auch nahm er seinen jüngern Bruder zu sich, der in Hirschberg das Gymnasium absolvirte. Am letzten Tage desselben Jahres (1827) starb sein Vater in Fischbach, wo Wander dann am 24. Februar 1828 seine Verlobung mit Fräulein Charlotte Wilhelmine Fritsch feierte; die Vermählung folgte schon am 6. Mai in der Gnadenkirche zu Hirschberg durch den Superintendenten und Schulrevisor Nagel. Wander hatte in Hirschberg bald Gründe, unzufrieden zu sein. Die Fenster seiner Wohnung gestatteten der Kälte und dem Wetter ungehinderten Eingang. Die Antwort auf die Bitte nach Abhülfe, die durch Vorfenster leicht zu leisten war, lautete: Wenn es die andern Lehrer aushielten, könne es auch Wander aushalten; die Fenster seien im ganzen Hause gleich. Er hielt es in der That aus bis in den Juli 1830; dann bezog ein anderer Lehrer seine Amtswohnung, während Wander mit Genehmigung der königl. Regierung zu Liegnitz ein Quartier ausserhalb der Schule nahm und bis zum Jahre 1835 bei seiner Schwiegermutter wohnte. Einen andern Streitpunkt bildete der Umstand, dass nach Abgang eines Lehrers Wander wöchentlich 12 Stunden länger unterrichten musste, als die Vorschrift gebot. Er that es in der Hoffnung, man werde sich für diese Mehrleistung zu einer entsprechenden Remuneration verstehen. <TEI> <text> <front> <div type="preface" n="1"> <p><pb facs="#f0007" n="IX"/> Cantors, vorgezogen worden; darum wollte man ihn um jeden Preis wieder aus dem Dorfe haben. Wander sollte dem Cantor Kusche eine moralische Stütze sein.</p><lb/> <p>Obzwar Kusche das Unglück hatte, nur auf einem Auge zu sehen, sah er doch mehr, als andere Lehrer mit zweien. Der Cantor und sein neuer Hülfslehrer, dessen materielle Stellung keineswegs zu den guten zählte, gewannen einander bald sehr lieb; jener besass viel guten Willen, ein gesundes, durch Erfahrungen gereiftes Urtheil und ermuthigte diesen mit den Worten: „Wir wollen uns schon durchkämpfen!“ Und Eintracht war hier nothwendig. Wander sah bald ein, dass es das Beste sei, seinem Berufe und seinen Bestrebungen zu leben. Dafür nannte man ihn einen „frommen Pinsel“, einen „Lämmelbruder“ und, weil er auf dem Chore nicht als Solosänger auftrat, einen <hi rendition="#i">untauglichen Lehrer.</hi> Diese Untauglichkeit in den Augen der Gemeinde und des – Pastors trat noch mehr hervor, als Wander seine Klasse durch eine neue Lesemethode reformirte, die nur deshalb so viele Gegner fand, weil sie vom Althergebrachten ganz und gar abwich. „Gerade wenn ich höre, es sei immer so gewesen, liebe ich es, es einmal anders zu versuchen“, sagte Wander und blieb bei seiner Ansicht. Faule Nachgiebigkeit war ihm fremd; er hatte sich dem Wahlspruche geweiht: „Wer auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.“</p><lb/> <p>Der Pastor, der zugleich Revisor der Schule war, that alles Mögliche, um Wander in Miscredit bei der Gemeinde zu bringen, besonders, seitdem dieser sich geweigert hatte, die Kinder in der Kirche zu beaufsichtigen. Diese feindselige Stellung des Revisors hatte endlich zur Folge, dass sich eine Partei gegen Wander bildete, die ihn schlechtweg davonjagen wollte. Es kam nicht dazu. Wander zog sich aber jetzt desto mehr zurück und las und schrieb fleissig. Schiller, Jean Paul, Goethe, Gellert, Langbein und Ludwig Wekherlin, dessen „Graues Ungeheuer“ ihm bei einem bunzlauer Buchbinder in die Hände gekommen war, bildeten zu dieser Zeit seine Hauptlektüre. Dadurch bildete er sich in der Literatur immer besser aus, sodass ihn Puschmann oft nur den Professor der Poetik nannte, der für Giesmannsdorf zu gelehrt sei und nach Heidelberg versetzt werden müsse.</p><lb/> <p>Aus Heidelberg wurde Hirschberg. Als Wander am letzten Tage des Jahres 1826 Giesmannsdorf verliess, um eine Lehrerstelle an der neuorganisirten Stadtschule zu Hirschberg zu übernehmen, gab es des Weinens der Kinder und des Klagens der Aeltern kein Ende über den Verlust des wohlmeinenden, tüchtigen Lehrers. Was Wander in Giesmannsdorf erlebt und erlitten, hat er in der Schrift: „Aus meinem Hülfslehrerleben“ (Leipzig 1869), niedergelegt.</p><lb/> <p>Die erste Function Wander's in Hirschberg war das Begräbniss eines – Lehrers. Wäre Wander abergläubig gewesen, so konnte ihm dieser Umstand als ein Zeichen schlimmer Vorbedeutung gelten. Er achtete nicht darauf. Am 20. März 1827 übertrug ihm der Revisor der Schule die zweite Lehrerstelle mit freier Wohnung im Schulhause, das am 1. Mai eingeweiht wurde und die vier Bezirksschulen zu <hi rendition="#i">einer</hi> Stadtschule zusammenfasste. Die Schulen standen durchaus nicht in jener Blüte, wie sie Wander von den hirschberger Lehrern erwartet hatte; ja, er musste bald einsehen, dass es auch nicht so bald besser werden sollte. Es fehlte der Schule an einer ernstlichen Leitung.</p><lb/> <p>Das Hauswesen liess sich Wander von seiner Schwester besorgen; auch nahm er seinen jüngern Bruder zu sich, der in Hirschberg das Gymnasium absolvirte. Am letzten Tage desselben Jahres (1827) starb sein Vater in Fischbach, wo Wander dann am 24. Februar 1828 seine Verlobung mit Fräulein Charlotte Wilhelmine Fritsch feierte; die Vermählung folgte schon am 6. Mai in der Gnadenkirche zu Hirschberg durch den Superintendenten und Schulrevisor Nagel.</p><lb/> <p>Wander hatte in Hirschberg bald Gründe, unzufrieden zu sein. Die Fenster seiner Wohnung gestatteten der Kälte und dem Wetter ungehinderten Eingang. Die Antwort auf die Bitte nach Abhülfe, die durch Vorfenster leicht zu leisten war, lautete: Wenn es die andern Lehrer aushielten, könne es auch Wander aushalten; die Fenster seien im ganzen Hause gleich. Er hielt es in der That aus bis in den Juli 1830; dann bezog ein anderer Lehrer seine Amtswohnung, während Wander mit Genehmigung der königl. Regierung zu Liegnitz ein Quartier ausserhalb der Schule nahm und bis zum Jahre 1835 bei seiner Schwiegermutter wohnte.</p><lb/> <p>Einen andern Streitpunkt bildete der Umstand, dass nach Abgang eines Lehrers Wander wöchentlich 12 Stunden länger unterrichten musste, als die Vorschrift gebot. Er that es in der Hoffnung, man werde sich für diese Mehrleistung zu einer entsprechenden Remuneration verstehen. </p> </div> </front> </text> </TEI> [IX/0007]
Cantors, vorgezogen worden; darum wollte man ihn um jeden Preis wieder aus dem Dorfe haben. Wander sollte dem Cantor Kusche eine moralische Stütze sein.
Obzwar Kusche das Unglück hatte, nur auf einem Auge zu sehen, sah er doch mehr, als andere Lehrer mit zweien. Der Cantor und sein neuer Hülfslehrer, dessen materielle Stellung keineswegs zu den guten zählte, gewannen einander bald sehr lieb; jener besass viel guten Willen, ein gesundes, durch Erfahrungen gereiftes Urtheil und ermuthigte diesen mit den Worten: „Wir wollen uns schon durchkämpfen!“ Und Eintracht war hier nothwendig. Wander sah bald ein, dass es das Beste sei, seinem Berufe und seinen Bestrebungen zu leben. Dafür nannte man ihn einen „frommen Pinsel“, einen „Lämmelbruder“ und, weil er auf dem Chore nicht als Solosänger auftrat, einen untauglichen Lehrer. Diese Untauglichkeit in den Augen der Gemeinde und des – Pastors trat noch mehr hervor, als Wander seine Klasse durch eine neue Lesemethode reformirte, die nur deshalb so viele Gegner fand, weil sie vom Althergebrachten ganz und gar abwich. „Gerade wenn ich höre, es sei immer so gewesen, liebe ich es, es einmal anders zu versuchen“, sagte Wander und blieb bei seiner Ansicht. Faule Nachgiebigkeit war ihm fremd; er hatte sich dem Wahlspruche geweiht: „Wer auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.“
Der Pastor, der zugleich Revisor der Schule war, that alles Mögliche, um Wander in Miscredit bei der Gemeinde zu bringen, besonders, seitdem dieser sich geweigert hatte, die Kinder in der Kirche zu beaufsichtigen. Diese feindselige Stellung des Revisors hatte endlich zur Folge, dass sich eine Partei gegen Wander bildete, die ihn schlechtweg davonjagen wollte. Es kam nicht dazu. Wander zog sich aber jetzt desto mehr zurück und las und schrieb fleissig. Schiller, Jean Paul, Goethe, Gellert, Langbein und Ludwig Wekherlin, dessen „Graues Ungeheuer“ ihm bei einem bunzlauer Buchbinder in die Hände gekommen war, bildeten zu dieser Zeit seine Hauptlektüre. Dadurch bildete er sich in der Literatur immer besser aus, sodass ihn Puschmann oft nur den Professor der Poetik nannte, der für Giesmannsdorf zu gelehrt sei und nach Heidelberg versetzt werden müsse.
Aus Heidelberg wurde Hirschberg. Als Wander am letzten Tage des Jahres 1826 Giesmannsdorf verliess, um eine Lehrerstelle an der neuorganisirten Stadtschule zu Hirschberg zu übernehmen, gab es des Weinens der Kinder und des Klagens der Aeltern kein Ende über den Verlust des wohlmeinenden, tüchtigen Lehrers. Was Wander in Giesmannsdorf erlebt und erlitten, hat er in der Schrift: „Aus meinem Hülfslehrerleben“ (Leipzig 1869), niedergelegt.
Die erste Function Wander's in Hirschberg war das Begräbniss eines – Lehrers. Wäre Wander abergläubig gewesen, so konnte ihm dieser Umstand als ein Zeichen schlimmer Vorbedeutung gelten. Er achtete nicht darauf. Am 20. März 1827 übertrug ihm der Revisor der Schule die zweite Lehrerstelle mit freier Wohnung im Schulhause, das am 1. Mai eingeweiht wurde und die vier Bezirksschulen zu einer Stadtschule zusammenfasste. Die Schulen standen durchaus nicht in jener Blüte, wie sie Wander von den hirschberger Lehrern erwartet hatte; ja, er musste bald einsehen, dass es auch nicht so bald besser werden sollte. Es fehlte der Schule an einer ernstlichen Leitung.
Das Hauswesen liess sich Wander von seiner Schwester besorgen; auch nahm er seinen jüngern Bruder zu sich, der in Hirschberg das Gymnasium absolvirte. Am letzten Tage desselben Jahres (1827) starb sein Vater in Fischbach, wo Wander dann am 24. Februar 1828 seine Verlobung mit Fräulein Charlotte Wilhelmine Fritsch feierte; die Vermählung folgte schon am 6. Mai in der Gnadenkirche zu Hirschberg durch den Superintendenten und Schulrevisor Nagel.
Wander hatte in Hirschberg bald Gründe, unzufrieden zu sein. Die Fenster seiner Wohnung gestatteten der Kälte und dem Wetter ungehinderten Eingang. Die Antwort auf die Bitte nach Abhülfe, die durch Vorfenster leicht zu leisten war, lautete: Wenn es die andern Lehrer aushielten, könne es auch Wander aushalten; die Fenster seien im ganzen Hause gleich. Er hielt es in der That aus bis in den Juli 1830; dann bezog ein anderer Lehrer seine Amtswohnung, während Wander mit Genehmigung der königl. Regierung zu Liegnitz ein Quartier ausserhalb der Schule nahm und bis zum Jahre 1835 bei seiner Schwiegermutter wohnte.
Einen andern Streitpunkt bildete der Umstand, dass nach Abgang eines Lehrers Wander wöchentlich 12 Stunden länger unterrichten musste, als die Vorschrift gebot. Er that es in der Hoffnung, man werde sich für diese Mehrleistung zu einer entsprechenden Remuneration verstehen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-09-18T09:51:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-09-18T09:51:52Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein Verzeichnisse im Vorspann wurden nicht transkribiert. Errata aus den Berichtigungen im Nachspann wurden stillschweigend integriert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |