Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Melchior. Und bei deinen Mädchen wäre es im entsprechenden
Alter vollkommen das nämliche! Nicht daß das Mädchen
gerade ... man kann das ja freilich so genau nicht beurtheilen ...
jedenfalls wäre vorauszusetzen ...... und die Neugierde würde
das Ihrige zu thun auch nicht verabsäumen!
Moritz. Eine Frage beiläufig --
Melchior. Nun?
Moritz. Aber du antwortest?
Melchior. Natürlich!
Moritz. Wahr!
Melchior. Meine Hand darauf. -- -- Nun Moritz?
Moritz. Hast du den Aufsatz schon??
Melchior. So sprich doch frisch von der Leber weg! --
Hier hört und sieht uns ja niemand.
Moritz. Selbstverständlich müßten meine Kinder nämlich
tagsüber arbeiten, in Hof und Garten, oder sich durch Spiele
zerstreuen, die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Sie
müßten reiten, turnen, klettern und vor allen Dingen Nachts nicht
so weich schlafen wie wir. Wir sind schrecklich verweichlicht. --
Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart schläft.
Melchior. Ich schlafe von jetzt bis nach der Weinlese
überhaupt nur in meiner Hängematte. Ich habe mein Bett hinter
den Ofen gestellt. Es ist zum Zusammenklappen. -- Vergangenen
Winter träumte mir einmal, ich hätte unsern Lolo so lange ge-
peitscht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das grauen-
hafteste, was ich je geträumt habe. -- Was siehst du mich so
sonderbar an?
Moritz. Hast du sie schon empfunden?
Melchior. Was?
Moritz. Wie sagtest du?
Melchior. Und bei deinen Mädchen wäre es im entſprechenden
Alter vollkommen das nämliche! Nicht daß das Mädchen
gerade … man kann das ja freilich ſo genau nicht beurtheilen …
jedenfalls wäre vorauszuſetzen ...... und die Neugierde würde
das Ihrige zu thun auch nicht verabſäumen!
Moritz. Eine Frage beiläufig —
Melchior. Nun?
Moritz. Aber du antworteſt?
Melchior. Natürlich!
Moritz. Wahr!
Melchior. Meine Hand darauf. — — Nun Moritz?
Moritz. Haſt du den Aufſatz ſchon??
Melchior. So ſprich doch friſch von der Leber weg! —
Hier hört und ſieht uns ja niemand.
Moritz. Selbſtverſtändlich müßten meine Kinder nämlich
tagsüber arbeiten, in Hof und Garten, oder ſich durch Spiele
zerſtreuen, die mit körperlicher Anſtrengung verbunden ſind. Sie
müßten reiten, turnen, klettern und vor allen Dingen Nachts nicht
ſo weich ſchlafen wie wir. Wir ſind ſchrecklich verweichlicht. —
Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart ſchläft.
Melchior. Ich ſchlafe von jetzt bis nach der Weinleſe
überhaupt nur in meiner Hängematte. Ich habe mein Bett hinter
den Ofen geſtellt. Es iſt zum Zuſammenklappen. — Vergangenen
Winter träumte mir einmal, ich hätte unſern Lolo ſo lange ge-
peitſcht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das grauen-
hafteſte, was ich je geträumt habe. — Was ſiehſt du mich ſo
ſonderbar an?
Moritz. Haſt du ſie ſchon empfunden?
Melchior. Was?
Moritz. Wie ſagteſt du?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0022" n="6"/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker>
            <p>Und bei deinen Mädchen wäre es im ent&#x017F;prechenden<lb/>
Alter vollkommen das nämliche! Nicht daß das Mädchen<lb/>
gerade &#x2026; man kann das ja freilich &#x017F;o genau nicht beurtheilen &#x2026;<lb/>
jedenfalls wäre vorauszu&#x017F;etzen ...... und die Neugierde würde<lb/>
das Ihrige zu thun auch nicht verab&#x017F;äumen!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>Eine Frage beiläufig &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker>
            <p>Nun?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>Aber du antworte&#x017F;t?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker>
            <p>Natürlich!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>Wahr!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker>
            <p>Meine Hand darauf. &#x2014; &#x2014; Nun Moritz?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>Ha&#x017F;t du den Auf&#x017F;atz &#x017F;chon??</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker>
            <p>So &#x017F;prich doch fri&#x017F;ch von der Leber weg! &#x2014;<lb/>
Hier hört und &#x017F;ieht uns ja niemand.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>Selb&#x017F;tver&#x017F;tändlich müßten meine Kinder nämlich<lb/>
tagsüber arbeiten, in Hof und Garten, oder &#x017F;ich durch Spiele<lb/>
zer&#x017F;treuen, die mit körperlicher An&#x017F;trengung verbunden &#x017F;ind. Sie<lb/>
müßten reiten, turnen, klettern und vor allen Dingen Nachts nicht<lb/>
&#x017F;o weich &#x017F;chlafen wie wir. Wir &#x017F;ind &#x017F;chrecklich verweichlicht. &#x2014;<lb/>
Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart &#x017F;chläft.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker>
            <p>Ich &#x017F;chlafe von jetzt bis nach der Weinle&#x017F;e<lb/>
überhaupt nur in meiner Hängematte. Ich habe mein Bett hinter<lb/>
den Ofen ge&#x017F;tellt. Es i&#x017F;t zum Zu&#x017F;ammenklappen. &#x2014; Vergangenen<lb/>
Winter träumte mir einmal, ich hätte un&#x017F;ern Lolo &#x017F;o lange ge-<lb/>
peit&#x017F;cht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das grauen-<lb/>
hafte&#x017F;te, was ich je geträumt habe. &#x2014; Was &#x017F;ieh&#x017F;t du mich &#x017F;o<lb/>
&#x017F;onderbar an?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>Ha&#x017F;t du &#x017F;ie &#x017F;chon empfunden?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MEL">
            <speaker><hi rendition="#g">Melchior</hi>.</speaker>
            <p>Was?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MOR">
            <speaker><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</speaker>
            <p>Wie &#x017F;agte&#x017F;t du?</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0022] Melchior. Und bei deinen Mädchen wäre es im entſprechenden Alter vollkommen das nämliche! Nicht daß das Mädchen gerade … man kann das ja freilich ſo genau nicht beurtheilen … jedenfalls wäre vorauszuſetzen ...... und die Neugierde würde das Ihrige zu thun auch nicht verabſäumen! Moritz. Eine Frage beiläufig — Melchior. Nun? Moritz. Aber du antworteſt? Melchior. Natürlich! Moritz. Wahr! Melchior. Meine Hand darauf. — — Nun Moritz? Moritz. Haſt du den Aufſatz ſchon?? Melchior. So ſprich doch friſch von der Leber weg! — Hier hört und ſieht uns ja niemand. Moritz. Selbſtverſtändlich müßten meine Kinder nämlich tagsüber arbeiten, in Hof und Garten, oder ſich durch Spiele zerſtreuen, die mit körperlicher Anſtrengung verbunden ſind. Sie müßten reiten, turnen, klettern und vor allen Dingen Nachts nicht ſo weich ſchlafen wie wir. Wir ſind ſchrecklich verweichlicht. — Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart ſchläft. Melchior. Ich ſchlafe von jetzt bis nach der Weinleſe überhaupt nur in meiner Hängematte. Ich habe mein Bett hinter den Ofen geſtellt. Es iſt zum Zuſammenklappen. — Vergangenen Winter träumte mir einmal, ich hätte unſern Lolo ſo lange ge- peitſcht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das grauen- hafteſte, was ich je geträumt habe. — Was ſiehſt du mich ſo ſonderbar an? Moritz. Haſt du ſie ſchon empfunden? Melchior. Was? Moritz. Wie ſagteſt du?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/22
Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/22>, abgerufen am 21.11.2024.