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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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Melchior. Man sollte den Vater kurzweg verklagen. Dann
würde ihm das Kind weggenommen.
Wendla. Ich, Melchior, bin in meinem Leben nie geschlagen
worden -- nicht ein einziges Mal. Ich kann mir kaum denken
wie das thut, geschlagen zu werden. Ich habe mich schon selber
geschlagen, um zu erfahren, wie Einem dabei um's Herz wird. --
Es muß ein grauenvolles Gefühl sein.
Melchior. Ich glaube nicht, daß je ein Kind dadurch
besser wird.
Wendla. Wodurch besser wird?
Melchior. Daß man es schlägt.
Wendla. -- Mit dieser Gerte zum Beispiel! -- Hu, ist
die zäh und dünn.
Melchior. Die zieht Blut!
Wendla. Würdest du mich nicht einmal damit schlagen?
Melchior. Wen?
Wendla. Mich.
Melchior. Was fällt dir ein, Wendla!
Wendla. Was ist denn dabei!
Melchior. O sei ruhig! -- Ich schlage dich nicht.
Wendla. Wenn ich dir's doch erlaube!
Melchior. Nie Mädchen!
Wendla. Aber wenn ich dich darum bitte, Melchior!
Melchior. Bist du nicht bei Verstand?
Wendla. Ich bin in meinem Leben nicht geschlagen worden!
Melchior. Wenn du um so etwas bitten kannst ...!
Wendla. -- Bitte -- bitte --
Melchior. Ich will dich bitten lehren! -- (er schlägt sie)
Melchior. Man ſollte den Vater kurzweg verklagen. Dann
würde ihm das Kind weggenommen.
Wendla. Ich, Melchior, bin in meinem Leben nie geſchlagen
worden — nicht ein einziges Mal. Ich kann mir kaum denken
wie das thut, geſchlagen zu werden. Ich habe mich ſchon ſelber
geſchlagen, um zu erfahren, wie Einem dabei um's Herz wird. —
Es muß ein grauenvolles Gefühl ſein.
Melchior. Ich glaube nicht, daß je ein Kind dadurch
beſſer wird.
Wendla. Wodurch beſſer wird?
Melchior. Daß man es ſchlägt.
Wendla. — Mit dieſer Gerte zum Beiſpiel! — Hu, iſt
die zäh und dünn.
Melchior. Die zieht Blut!
Wendla. Würdeſt du mich nicht einmal damit ſchlagen?
Melchior. Wen?
Wendla. Mich.
Melchior. Was fällt dir ein, Wendla!
Wendla. Was iſt denn dabei!
Melchior. O ſei ruhig! — Ich ſchlage dich nicht.
Wendla. Wenn ich dir's doch erlaube!
Melchior. Nie Mädchen!
Wendla. Aber wenn ich dich darum bitte, Melchior!
Melchior. Biſt du nicht bei Verſtand?
Wendla. Ich bin in meinem Leben nicht geſchlagen worden!
Melchior. Wenn du um ſo etwas bitten kannſt …!
Wendla. — Bitte — bitte —
Melchior. Ich will dich bitten lehren! — (er ſchlägt ſie)
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[23/0039] Melchior. Man ſollte den Vater kurzweg verklagen. Dann würde ihm das Kind weggenommen. Wendla. Ich, Melchior, bin in meinem Leben nie geſchlagen worden — nicht ein einziges Mal. Ich kann mir kaum denken wie das thut, geſchlagen zu werden. Ich habe mich ſchon ſelber geſchlagen, um zu erfahren, wie Einem dabei um's Herz wird. — Es muß ein grauenvolles Gefühl ſein. Melchior. Ich glaube nicht, daß je ein Kind dadurch beſſer wird. Wendla. Wodurch beſſer wird? Melchior. Daß man es ſchlägt. Wendla. — Mit dieſer Gerte zum Beiſpiel! — Hu, iſt die zäh und dünn. Melchior. Die zieht Blut! Wendla. Würdeſt du mich nicht einmal damit ſchlagen? Melchior. Wen? Wendla. Mich. Melchior. Was fällt dir ein, Wendla! Wendla. Was iſt denn dabei! Melchior. O ſei ruhig! — Ich ſchlage dich nicht. Wendla. Wenn ich dir's doch erlaube! Melchior. Nie Mädchen! Wendla. Aber wenn ich dich darum bitte, Melchior! Melchior. Biſt du nicht bei Verſtand? Wendla. Ich bin in meinem Leben nicht geſchlagen worden! Melchior. Wenn du um ſo etwas bitten kannſt …! Wendla. — Bitte — bitte — Melchior. Ich will dich bitten lehren! — (er ſchlägt ſie)

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/39>, abgerufen am 21.11.2024.