Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_021.001 empfangen sollte, die Gefahr eines Sprungs in die völkische Dynamik naheliegend. pwe_021.002 Es ist klar, daß sich die Kritik am Volkstumsgedanken nur gegen einen pwe_021.016 Es ist nicht ganz unrichtig, wenn für das Debakel der deutschen Literaturwissenschaft pwe_021.031 1 pwe_021.039
Werner Richter, Strömungen und Stimmungen in den Literaturwissenschaften pwe_021.040 von heute. GR XXI (1946) 81 ff. pwe_021.001 empfangen sollte, die Gefahr eines Sprungs in die völkische Dynamik naheliegend. pwe_021.002 Es ist klar, daß sich die Kritik am Volkstumsgedanken nur gegen einen pwe_021.016 Es ist nicht ganz unrichtig, wenn für das Debakel der deutschen Literaturwissenschaft pwe_021.031 1 pwe_021.039
Werner Richter, Strömungen und Stimmungen in den Literaturwissenschaften pwe_021.040 von heute. GR XXI (1946) 81 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0027" n="21"/> <lb n="pwe_021.001"/> <p>empfangen sollte, die Gefahr eines Sprungs in die völkische Dynamik naheliegend. <lb n="pwe_021.002"/> Die Zeitschrift <hi rendition="#i">Dichtung und Volkstum,</hi> zeitgemäß und eilig umgetauft <lb n="pwe_021.003"/> aus dem ehrwürdigen <hi rendition="#i">Euphorion</hi> (wie er inzwischen von neuem <lb n="pwe_021.004"/> heißt), widmete 1937 mehrere Aufsätze den „neuen Aufgaben der Literaturwissenschaft“. <lb n="pwe_021.005"/> <hi rendition="#k">Hermann Pongs</hi> setzt da der krisenhaften Einsamkeit <lb n="pwe_021.006"/> der dichterischen Existenz die Geborgenheit des Dichters im „Existenzgrund“ <lb n="pwe_021.007"/> gegenüber, der sich zeigt „als gewachsenes Gefüge, das den Einzelnen <lb n="pwe_021.008"/> trägt, Sippe, Stamm, Volk“, und er will damit der existentialistischen <lb n="pwe_021.009"/> Literaturforschung einen volkhaften Sinn verleihen. Es eröffneten <lb n="pwe_021.010"/> sich hier die gleichen Gefahren und Mißverständnisse, denen die Heideggersche <lb n="pwe_021.011"/> Philosophie und ihr Schöpfer selber anheimfielen. Was <hi rendition="#k">Pongs</hi> betrifft, <lb n="pwe_021.012"/> so spricht <hi rendition="#k">Werner Richter</hi><note xml:id="PWE_021_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_021.039"/> Werner Richter, <hi rendition="#i">Strömungen und Stimmungen in den Literaturwissenschaften <lb n="pwe_021.040"/> von heute.</hi> GR XXI (1946) 81 ff.</note> nicht ganz zu Unrecht von „seiner <lb n="pwe_021.013"/> tragikomischen Vergewaltigung, seinem totalen Mißverstehen des ,Existentiellen‘“, <lb n="pwe_021.014"/> und das beträfe zum Teil auch den genannten <hi rendition="#k">Horst Oppel.</hi></p> <lb n="pwe_021.015"/> <p> Es ist klar, daß sich die Kritik am Volkstumsgedanken nur gegen einen <lb n="pwe_021.016"/> unwissenschaftlichen oder böswilligen Mißbrauch einer an sich durchaus legitimen <lb n="pwe_021.017"/> Fragestellung richtet; die Bemühung um Wesen und Art des gemeinschaftlichen <lb n="pwe_021.018"/> Geistes, speziell des Volkstums und seiner Beziehung zum Einzelnen, <lb n="pwe_021.019"/> wird durch ideologische Verabsolutierung nicht prinzipiell als Irrweg <lb n="pwe_021.020"/> erwiesen, sowenig wie mit einer marxistischen Literaturbetrachtung auch <lb n="pwe_021.021"/> schon die legitime Frage nach sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen <lb n="pwe_021.022"/> der Kunst abgelehnt ist. Im übrigen ist festzuhalten, daß trotz <lb n="pwe_021.023"/> der geräuschvollen Proklamation einer offiziellen Literaturwissenschaft, trotz <lb n="pwe_021.024"/> aller Eingriffe in die Lehrfreiheit und trotz aller Hindernisse die methodologische <lb n="pwe_021.025"/> und sachliche Forschung zum Teil fortgehen konnte, innerhalb <lb n="pwe_021.026"/> Deutschlands und außerhalb, wo manche Vertriebene, z. <hi rendition="#k">B. Richard Alewyn, <lb n="pwe_021.027"/> Karl Viëtor, Erich Auerbach, Werner Richter, Leo Spitzer, Werner <lb n="pwe_021.028"/> Milch,</hi> die Tradition deutscher Wissenschaft fortsetzen und neue Verbindungen <lb n="pwe_021.029"/> mit der außerdeutschen Forschung knüpfen konnten.</p> <lb n="pwe_021.030"/> <p> Es ist nicht ganz unrichtig, wenn für das Debakel der deutschen Literaturwissenschaft <lb n="pwe_021.031"/> deren allzu „geistes“-wissenschaftliche Tendenz verantwortlich <lb n="pwe_021.032"/> gemacht wurde und selbst Linien von Herder zur nazistischen <lb n="pwe_021.033"/> Literatur gezogen werden konnten. Die eingetretene Ernüchterung kann <lb n="pwe_021.034"/> nun umgekehrt eine größere Offenheit und methodische Unbefangenheit <lb n="pwe_021.035"/> gegenüber den wissenschaftlichen Traditionen anderer Länder befördern. <lb n="pwe_021.036"/> Um so mehr, als diese ihrerseits, vor allem im <hi rendition="#g">angelsächsischen</hi> <lb n="pwe_021.037"/> Bereich, eine lebendige und vielfältige Forschung gerade in den letzten <lb n="pwe_021.038"/> 20 Jahren entwickelt haben.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0027]
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empfangen sollte, die Gefahr eines Sprungs in die völkische Dynamik naheliegend. pwe_021.002
Die Zeitschrift Dichtung und Volkstum, zeitgemäß und eilig umgetauft pwe_021.003
aus dem ehrwürdigen Euphorion (wie er inzwischen von neuem pwe_021.004
heißt), widmete 1937 mehrere Aufsätze den „neuen Aufgaben der Literaturwissenschaft“. pwe_021.005
Hermann Pongs setzt da der krisenhaften Einsamkeit pwe_021.006
der dichterischen Existenz die Geborgenheit des Dichters im „Existenzgrund“ pwe_021.007
gegenüber, der sich zeigt „als gewachsenes Gefüge, das den Einzelnen pwe_021.008
trägt, Sippe, Stamm, Volk“, und er will damit der existentialistischen pwe_021.009
Literaturforschung einen volkhaften Sinn verleihen. Es eröffneten pwe_021.010
sich hier die gleichen Gefahren und Mißverständnisse, denen die Heideggersche pwe_021.011
Philosophie und ihr Schöpfer selber anheimfielen. Was Pongs betrifft, pwe_021.012
so spricht Werner Richter 1 nicht ganz zu Unrecht von „seiner pwe_021.013
tragikomischen Vergewaltigung, seinem totalen Mißverstehen des ,Existentiellen‘“, pwe_021.014
und das beträfe zum Teil auch den genannten Horst Oppel.
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Es ist klar, daß sich die Kritik am Volkstumsgedanken nur gegen einen pwe_021.016
unwissenschaftlichen oder böswilligen Mißbrauch einer an sich durchaus legitimen pwe_021.017
Fragestellung richtet; die Bemühung um Wesen und Art des gemeinschaftlichen pwe_021.018
Geistes, speziell des Volkstums und seiner Beziehung zum Einzelnen, pwe_021.019
wird durch ideologische Verabsolutierung nicht prinzipiell als Irrweg pwe_021.020
erwiesen, sowenig wie mit einer marxistischen Literaturbetrachtung auch pwe_021.021
schon die legitime Frage nach sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen pwe_021.022
der Kunst abgelehnt ist. Im übrigen ist festzuhalten, daß trotz pwe_021.023
der geräuschvollen Proklamation einer offiziellen Literaturwissenschaft, trotz pwe_021.024
aller Eingriffe in die Lehrfreiheit und trotz aller Hindernisse die methodologische pwe_021.025
und sachliche Forschung zum Teil fortgehen konnte, innerhalb pwe_021.026
Deutschlands und außerhalb, wo manche Vertriebene, z. B. Richard Alewyn, pwe_021.027
Karl Viëtor, Erich Auerbach, Werner Richter, Leo Spitzer, Werner pwe_021.028
Milch, die Tradition deutscher Wissenschaft fortsetzen und neue Verbindungen pwe_021.029
mit der außerdeutschen Forschung knüpfen konnten.
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Es ist nicht ganz unrichtig, wenn für das Debakel der deutschen Literaturwissenschaft pwe_021.031
deren allzu „geistes“-wissenschaftliche Tendenz verantwortlich pwe_021.032
gemacht wurde und selbst Linien von Herder zur nazistischen pwe_021.033
Literatur gezogen werden konnten. Die eingetretene Ernüchterung kann pwe_021.034
nun umgekehrt eine größere Offenheit und methodische Unbefangenheit pwe_021.035
gegenüber den wissenschaftlichen Traditionen anderer Länder befördern. pwe_021.036
Um so mehr, als diese ihrerseits, vor allem im angelsächsischen pwe_021.037
Bereich, eine lebendige und vielfältige Forschung gerade in den letzten pwe_021.038
20 Jahren entwickelt haben.
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von heute. GR XXI (1946) 81 ff.
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